US-Verteidigungsministerium rüstet für "billigen" Drohnenkrieg auf

Mit einem Pilotprojekt will das US-Verteidigungsministerium seinen Bedarf an "erschwinglichen und schnell skalierbaren autonomen Systemen in der Luft" stillen.

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Ein Rendering einer militärischen Drohne

Ein Rendering einer preisgünstigen militärischen Drohne von IS4S.

(Bild: Integrated Solutions for Systems, Inc.)

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Im Lichte des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, in der massenhaft gefertigte unbemannte Flugobjekte eine wichtige Rolle spielen, sowie angesichts zunehmender Konflikte mit China ändert das Pentagon seine Strategie zum Drohnenkrieg. Die MQ-1 Predator und MQ-9 Reaper stehen für den bisherigen "Krieg gegen den Terror" mit "gezielten Tötungen". Doch diese gelten als "überentwickelt" und "arbeitsintensiv" in der Herstellung, wie die Defense Innovation Unit (DIU), die Innovationsabteilung des US-Verteidigungsministeriums schreibt. Für die nächste Stufe will die DIU daher die "Kraft kommerzieller Technologien" – also günstiger Massenware "von der Stange" – nutzen, "um einen kritischen operativen Bedarf an unkomplizierten, erschwinglichen und schnell skalierbaren autonomen Systemen in der Luft zu decken".

Die DIU schrieb dazu zusammen mit der Rüstungsdirektion der US Air Force im Herbst einen Wettbewerb zur Entwicklung eines Prototyps für eine bewaffnete Drohne der nächsten Generation in Form eines "Enterprise Test Vehicle" (ETV) aus. Das gesuchte unbemannte Flugobjekt soll demnach mindestens 500 Seemeilen oder 926 Kilometer am Stück mit einer Geschwindigkeit von mindestens 100 Knoten (185,2 km/h) zurücklegen und spätestens sieben Monate nach Vertragsabschluss einen ersten Testflug vornehmen können. Es muss zudem "eine kinetische Nutzlast" – also insbesondere eine Waffe wie eine Rakete – ausliefern und etwa aus dem Heck eines Frachtflugzeugs in der Luft gestartet werden können. Erforderlich ist ferner eine Systemarchitektur, die eine zeitnahe Integration handelsüblicher Komponenten wie Sensoren oder softwaredefinierter Funksysteme ermöglicht. Das Ganze soll letztlich "in großen Mengen" lieferbar sein.

Anfang Juni gaben die DIU und die Rüstungsabteilung bekannt, dass die Firmen Anduril Industries, Integrated Solutions for Systems, Leidos Dynetics und Zone 5 Technologies jeweils einschlägige Pilotlösungen für Flugdemonstrationen im Spätsommer/Herbst entwickeln sollen. Diese Anbieter seien "aus einem äußerst wettbewerbsintensiven Feld von mehr als 100 Bewerbern" auserwählt worden. Weitere ETV-Projektbeteiligte sind das Air Force Research Laboratory, das Special Operations Command, das Naval Air Systems Command und das Indo-Pacific Command. Im August 2023 stellte das US-Verteidigungsministerium zudem mit "Replicator" eine weitere, mit ETV vermutlich eng verknüpfte milliardenschwere Initiative vor, um Tausende autonome Systeme in Einsatz zu bringen. Auch hier geht es um kostengünstige und potenziell mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) gesteuerte Maschinen wie selbstfahrende Schiffe, Roboterflugzeuge und Schwärme kleinerer Kamikazedrohnen.

Predator, Reaper & Co. sind im Hintergrund zwar auch bereits über eine "Kill Cloud" verbunden, über die Ziele mithilfe von Big Data analysiert und selektiert werden. Letztlich gibt hier aber noch ein menschlicher Bediener einen Abschuss frei. In den ersten zwanzig Jahren des Krieges gegen den Terror führten die USA in sieben großen Konfliktzonen laut den Beobachtern von Airwars so über 91.000 Luftangriffe durch und töteten dabei auch bis zu 48.308 Zivilisten – die sogenannten Kollateralschäden. Fortschritte im Bereich KI haben inzwischen die Option eröffnet, dass Flugroboter ihre Ziele selbst auswählen. Kamikazedrohnen alias Loitering Munition sind gefragt: Lenkwaffen, die zunächst ohne bestimmtes Ziel gestartet werden, anschließend längere Zeit über einem Gebiet kreisen und dann plötzlich angreifen.

Experten befürchten, dass die Massenproduktion kostengünstiger, tödlicher Drohnen zu noch mehr zivilen Opfern führen wird. Das sei eine "klare Gefahr", erklärte Priyanka Motaparthy, Direktorin des Projekts für Terrorismusbekämpfung der Columbia Law School, gegenüber The Intercept. Das Militär müsse erläutern, wie es diese Risiken einschätze. Noch gebe es dazu offenbar keine Folgenabschätzungen. 2023 veröffentlichte Vorschriften des Pentagons besagen nur, dass voll- und teilautonome Waffensysteme "im Einklang mit dem Kriegsrecht" und den "ethischen Grundsätzen des Verteidigungsministeriums für KI" verwendet werden müssen. Das Personal soll demnach bei Entwicklung und Einsatz von KI ein "angemessenes" Maß an "Urteilsvermögen und Sorgfalt" walten lassen. Papst Franziskus forderte dagegen gerade ein Verbot tödlicher autonomer Waffen.

(olb)