BKA: Geschichte als Vertrauensarbeit
Unter Verweis auf den Streit um das BKA-Gesetz betonte der BKA-Chef, die aktuelle Arbeit wie auch die historische Forschung solle deutlich machen, wie sehr sein Amt sensibilisiert sei, wenn es darum gehe, die Grundrechte in einer Demokratie zu sichern.
- Detlef Borchers
Zum Abschluss einer Reihe von Kolloquien zur Entstehungsgeschichte des Bundeskriminalamtes hat BKA-Chef Jörg Ziercke angekündigt, dass die Behörde ein Forschungsprojekt zur weiteren Aufarbeitung der BKA-Vergangenheit in Auftrag geben wird. Unter Verweis auf die Auseinandersetzungen um das BKA-Gesetz betonte Ziercke, dass die aktuelle Arbeit wie auch die historische Forschung deutlich machen soll, wie sehr sein Amt sensibilisiert sei, wenn es darum gehe, die Grundrechte in einer Demokratie zu sichern.
Nach drei Tagungen zur Geschichte des BKAs zog der oberste deutsche Polizist sichtlich zufrieden ein Fazit. Es sei ein Stück weit gelungen, die Übergänge aus der Zeit des Nationalsozialismus zu erhellen, ohne dabei nur von Schuld zu reden. Das aber reiche nicht aus, die Position des BKAs zu vertreten, erklärte Jörg Ziercke. "Ich erlebe das ja im Grunde täglich, wenn es darum geht, die Positionen des Bundeskriminalamtes rechtspolitisch zu vertreten. Im Grunde geht es immer darum, die Sorgen derer ernst zu nehmen, die sich um unseren Rechtsstaat Gedanken machen", erläuterte Ziercke die Motiviation zur historischen Aufarbeitung. Einen Schritt weiter ging der Polizeihistoriker Hans-Joachim Heuer in seiner Stellungnahme: Er wertete den Kompetenzzuwachs beim BKA bis hin zum BKA-Gesetz mitsamt den heimlichen Online-Durchsuchungen von Computern als "empirischen Fall", dass die demokratische Gesellschaft einem BKA vertraue, dass seine Geschichte offenlegt.
Als wissenschaftliches Projekt ist diese Aufarbeitung nach Meinung von Zeithistorikern wie Kriminalisten überfällig: Spätestens seit dem 2001 erschienenen Buch "Die braunen Wurzeln des BKA" des ehemaligen BKA-Kriminaldirektors Dieter Schenk ist bekannt, wie Seilschaften des Reichskriminalpolizeiamtes den Aufbau des BKAs formten. Ein erster Versuch zur Ausrichtung einer solchen Tagung wurde vom damaligen Innenminister Otto Schily (SPD) torpediert. Er erklärte schlicht, dass das BKA 1951 gegründet wurde und damit keine nationalsozialistische Vergangenheit haben könne.
Tatsächlich gab es in den ersten Jahren des Amtes nur zwei von 47 Personen in Leitungsfunktionen, die eine weiße Weste hatten. Der Rest kam von der Gestapo, der geheimen Feldpolizei und vom Sicherheitsdienst der SS. Den zweifelhaften Verdienst, das Amt mit Schergen des III. Reiches zu füllen, kann der frühere SS-Mann Paul Dickopf für sich in Anspruch nehmen, der 1965 vierter BKA-Präsident wurde. Dickopf sorgte dafür, dass seine Studienfreunde, die an der SS-Führungsschule der Sicherheitspolizei in Berlin Charlottenburg ausgebildet wurden, beim BKA eine Stelle bekamen. Die im Kriminalamt "Charlottenburger" genannten Bereichsleiter bestimmten bis in die 70er-Jahre das Klima im Polizeidienst. Untersuchungen über Kriegsverbrechen wurden verschleppt und verhindert; Kriminalisten wurde die Beförderung versagt, wenn sie bei der Gewerkschaft der Polizei engagiert waren.
Die mit den Kolloquien begonnene späte Aufarbeitung der BKA-Geschichte lieferte keine neuen Erkenntnisse. Dennoch bezeichnete der Publizist Ralph Giordano seine Teilnahme als ein "bedeutendes Ereignis meines Lebens". Giordano hat mit seinen Werken den Begriff der "zweiten Schuld" der Deutschen geprägt, die darin bestehe, dass sich die Deutschen nicht ihrer Geschichte stellten und die Nazi-Verbrechen verdrängten. Unter den diversen Festansprachen überzeugte die Rede des jungen Kriminalkomissaranwärters Thorben Meier. Er sprach von der Gefahr einer "dritten Schuld", wenn das BKA in seinen Führungsgrundsätzen sich nicht als demokratische Behörde verstehe, in der Minderheiten ihre Meinung vertreten können.
Mit dem vorläufigen Abschluss der Aufräumarbeiten kehrt das BKA zu seiner Alltagsarbeit zurück. Auf der demnächst stattfindenden dreitägigen BKA-Herbsttagung steht der "Tatort Internet" auf dem Programm, wird "das WWW als Fernuniversität und Trainingscamp" für Extremismen aller Art analysiert. (Detlef Borchers) / (jk)