BOS-Mobilfunk: Hochglanz blendet

Die Auseinandersetzung um den künftigen Mobilfunk für Polizei, Feuerwehr oder Katastrophenschutz geht weiter: Auf der PMRexpo sorgte Vodafone mit einem GSM-Sicherheitsfunk für Aufsehen.

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Von
  • Detlef Borchers

Zufriedene Gesichter auf der PMRexpo in Leipzig: Während andere Veranstaltungen rückläufige Besucher- und Ausstellerzahlen melden, kann die heute zu Ende gehende Messe für den professionellen Mobilfunk einen Zuwachs verbuchen. Im zweiten Jahr ihres Bestehens hat sich die Fachmesse etabliert und mit Leipzig einen festen Standort gewonnen.

Mit 37 Ausstellern und 500 Besuchern kann sich die Messe mit ihren zahlreichen Workshops und Vorträgen nicht mit großen Veranstaltungen wie der CeBIT messen, doch macht dies weder dem Publikum noch den Ausstellern zu schaffen: Wer zu dieser Messe kommt, ist für die Beschaffung von Funkanlagen und Notfallsystemen im großen Stil zuständig.

Mit einem Investitionsvolumen von zirka 7,08 Milliarden Euro über die nächsten 10 Jahre steht Deutschland vor einem großen technologischen Abenteuer: Das fast 50 Jahre alte analoge Funknetz von Polizei, Feuerwehr, den Rettungsdiensten und dem Technischen Hilfswerk soll durch ein modernes digitales Netz für Daten- und Sprachkommunikation ersetzt werden. Dabei sollen die bis dato separaten Netze der Behörden und Sicherheitsdienste durch ein einziges Funknetz abgelöst werden, in dem alle kommunizieren.

Entsprechend groß ist das Interesse der tatsächlich so genannten BOS (Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben) an neuer Technik. Was die BOS-Vertreter umtreibt, machte der Hamburger Branddirektor Günter Julga deutlich, der für die Ausrüstrung aller Hamburger Feuerwehren zuständig ist: "Diese Industrie arbeitet mit einer viel zu ehrgeizigen Zeitplanung. Versuchsstadien werden von der Industrie als Produktionsstadien kommuniziert und vom Marketing beworben. Unsere Feuerwehrleute als Nutzer der Geräte lesen dann die Hochglanzprospekte und glauben ihnen eher als dem Beschaffer, der nach einer ordentlichen, Jahre dauernden Ausschreibung mit dem neuen Material anrückt." Der Satz "Was hast du da für einen Mist angeschafft?" musste den Zuhörern seines Vortrages bekannt vorkommen, denn Julga erhielt für dieses Zitat den größten Beifall der PMRexpo.

Ein neuer Austeller beherrschte mit einer kleine Koje die Messe, obwohl er keine Produkte zeigte, sondern nur einen Flyer verteilte, natürlich auf Hochglanzpapier. Mit ihrem Vorstoß für ein BOS-Netz innerhalb ihres eigenen bestehenden GSM-Netzes sorgt die Firma Vodafone für Furore in der Branche. Nach ihren Angaben kostet ein GSM-BOS innerhalb des D2-Funknetzes deutlich weniger als der komplette Neubau eines Netzes: 2,3 statt 7,08 Milliarden sind das Argument, das Politiker lächeln lässt, die Fachleute jedoch zum Weinen bringt. Weitere Argumente von Vodafone: Ein GSM-BOS könnte 2004 statt 2006 an den Start gehen und die immer wichtiger werdende Datenübertragung sei mit GPRS-Geschwindigkeit bei 53 KBit/s deutlich besser als die 28,8 kBit/s, die die favorisierte TETRA-Technik zulässt. Außerdem gebe es ein erprobtes Billingsystem.

Vodafone stützt seinen Vorschlag auf die so genannten ASCI-Features, die nach der ETSI-Norm möglichen Advanced Speech Call Items. Solche ASCI-Features werden in privaten GSM-Netzen (GSM-R) wie dem System der Deutschen Bahn verwendet. Einmal installiert, könnten im GSM-Netz Rufmöglichkeiten realisiert werden, wie sie der Sicherheitsfunk braucht, etwa die Priorisierung von Anrufen, den Sammel- oder den Gruppenruf. In einem Einsatzfall könnten so die Kanäle des D2-Funknetze für normale Teilnehmer gesperrt und nur von Feuerwehr, Polizei und BGS belegt werden, im Normalfall wären für die Einsatzkräfte ohnehin separate Kanäle vorhanden. Wichtige zusätzliche Anforderungen wie das Paging etwa der freiwilligen Feuerwehren oder der direkte Sprechkontakt von Geräten untereinander (Direct Mode Operation, wobei jedes Gerät als Router arbeitet), müssten durch die neuen Endgeräte gewährleistet werden.

In Leipzig wurde Vodafones Vorstoß für ein GSM-BOS einhellig als Hochglanz-Marketing kritisiert -- doch der Stand des Ausstellers war immer gut besucht. Kritiker störten sich an der unzureichenden Sicherung herkömmlicher D2-Sendeanlagen, die im BOS-Szenario katastrophenfest sein müssen. Auch wurde bezweifelt, ob Vodafone seine ASCI-Erweiterungen bei der ETSI wirklich schnell genehmigt bekommt. Ohne diese ETSI-Genehmigung ist der grenzüberschreitende Funkkontakt der BOS etwa nach Belgien, Österreich oder den Niederlanden (wo TETRA-Systeme installiert werden) problematisch. Vodafone spricht darum in seinem Hochglanz-Prospekt auch "vom internationalen Roaming ohne ASCI". Ein solches Roaming ist nicht zuletzt deswegen problematisch, weil in den europäischen Szenarien zur Terrorismus-Bekämpfung im Gefolge des 11. Septembers die Abschaltung aller GSM-Netze eine Rolle spielt. Vodafones schärfster Mitbewerber, die Deutsche Telekom mit ihrem D1-Netz, erklärte in Leipzig ein GSM-BOS für nicht realisierbar. Dabei muss allerdings in Rechnung gestellt werden, dass die Tochter T-Systems der größte europäische Anbieter von TETRA-Netzen für Firmen ist.

Ob die Bedenken der Fachleute auch von der Politk verstanden werden, bleibt abzuwarten. Die auf das Sparen fixierten Politikern könnten die Debatte um GSM-BOS zum Anlass nehmen, gleich auf UMTS zu warten, dem immer noch wahre Wunderdinge zugeschrieben werden, unkte ein Besucher der PMRExpo gegenüber heise online. Der Einkäufer für die Polizeitechnik eines großen Bundeslandes fand Leipzig gelungen, obwohl er anderes kennt: "Es kommt schon vor, dass wir Technik-Flohmärkte abgrasen, weil es bestimmte Ersatzteile für unsere uralten Anlagen einfach nicht mehr zu kaufen gibt." (Detlef Borchers) / (jk)