Barrierefreier Weg zum Computerführerschein

Angepasste Unterrichtsmaterialien sollen behinderten Menschen den Erwerb des Europäischen Computer-Führerscheins erleichtern.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 121 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von

Der Weg zur European Computer Driving Licence (ECDL) wird in Österreich nun auch Menschen mit Behinderung geebnet. Das Projekt ECDL barrierfrei setzt auf die barrierefreie Adaptierung der Unterrichtsmedien. Dazu zählen Gebärdenvideos, Video-Untertitel, Sounddateien, "easy to read"-Texte und auch reine HTML-Versionen, die für den Einsatz von Sprachausgabe-Systemen, flexible Bildschirmdarstellung und Braille-Displays notwendig sind. Bei den Prüfungen werden von Menschen mit Behinderungen dieselben Leistungsstandards verlangt wie beim herkömmlichen ECDL.

Das Angebot wendet sich primär an Blinde und Sehschwache, Gehörlose und Hörbehinderte, mobilitäts- beziehungsweise bewegungsbehinderte Menschen sowie Personen mit Lernschwierigkeiten (Dyslexie, Legasthenie, u.a.). Etwa zehn Prozent der Bevölkerung waren aufgrund inadäquater Lehrmaterialien vom Erwerb eines ECDL-Zertifikats ausgeschlossen. Die Erkenntnisse, die bei der Entwicklung der weitgehend barrierefreien Lehrmaterialien gewonnen wurden, sollen auch in ganz anderen Bereichen Nutzen stiften.

Bereits seit 2003 arbeiten das Institut "integriert studieren" der Universität Linz, die Österreichische Computergesellschaft (OCG) und die Grazer Firma bit media e-Learning solution an dem Projekt. Finanzielle Unterstützung, die sich auf etwa 250.000 Euro beläuft, kommt von Microsoft Österreich und dem Bildungsministerium. Von insgesamt sieben Modulen sind bereits vier im Einsatz (Grundlagen der Computertechnologie, Grundlagen der Computerbenutzung mit Windows XP, Textverarbeitung mit Word 2003, Information und Kommunikation mit Internet Explorer und Outlook), die Unterlagen für die drei ausständigen Bereiche des ECDL sollen bis Jahresende fertig gestellt werden (Excel, Access, Powerpoint). Danach sollen weitere Verbesserungen erfolgen, wie die Produktion zusätzlicher Gebärdenvideos, eine Leseunterstützung mit Aufmerksamkeitssteuerung, spezielle Angebote für Migranten mit nichtdeutscher Muttersprache und die Schulung von Lehrpersonen, die Menschen mit Behinderung unterrichten. Ziel der Projektpartner ist auch der Export der Unterrichtsmaterialien in andere Länder. Mit Kooperationspartnern werden, soweit erforderlich, lokale Versionen entwickelt.

"Digitale Medien sind flexibler als Bücher. Ein und dasselbe Dokument kann auf verschiedene Weisen ausgegeben und bearbeitet werden, etwa mit Braille-Displays oder durch Sprachausgabe und Sprachbefehle", sagte Klaus Miesenberger von der Universität Linz bei der Präsentation des "ECDL barrierefrei" heute in einer Integrationsschule in Wien. Weil "Zugang zu Informationen das Menschenrecht des 21. Jahrhunderts ist", hat er das Projekt initiiert. "Der Computer schafft oft neue Barrieren, weil die Medien schlecht gestaltet sind", weiß OCG-Präsidentin Gabriele Kotsis. Beim ECDL barrierefrei gelten daher "dieselben Leistungsstandards, 'nur' die Lehrmaterialien werden zugänglich gemacht."

Herbert Schweiger, Geschäftsführer von Microsoft Österreich, hofft, dass das Projekt zu einer Erhöhung der Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderung führt: "Durch die Zertifizierung werden sie gleich behandelt, wenn es darum geht, einen Arbeitsplatz zu besetzen." Michael Brandner, Geschäftsführer von bit media e-Learning solution, betonte, dass die Materialien auch für Nutzer mit mehreren Einschränkungen gestaltet wurden. "Die entwickelten Standards werden auch für ganze andere Bildungsbereiche, wie Geografie, Biologie oder Geschichte genutzt werden. Wir hoffen, dass auch Content-Agenturen, Multimedia-Autoren, Lernfirmen und nicht zuletzt öffentliche Einrichtungen dem Beispiel folgen."

Der ECDL ist in Österreich besonders erfolgreich, nur in Irland, Schweden, Dänemark und Norwegen haben verhältnismäßig mehr Personen den erforderlichen Leistungsnachweis erbracht. Über drei Prozent der Österreicher haben schon zumindest eine Modulprüfung abgelegt, jedes 17. weltweit ausgestellte ECDL-Zertifikat stammt aus Österreich. Das Land ist das erste, das systematisch barrierefreie ECDL-Schulungen ausarbeitet. (Daniel AJ Sokolov) / (bbu)