Bell Canada darf Handynutzung nicht ungefragt auswerten

Der kanadische Telecom- und Medienkonzern wertet seit 2013 das Nutzungsverhalten seiner Kunden aus – auch wenn sie Opt-Out genutzt hatten. Damit soll nun Schluss sein.

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Der kanadische Telecom- und Medienkonzern Bell Canada Enterprises wertet unter anderem aus, welche URLs seine Mobilfunkunden aufrufen und welche Apps sie nutzen. Diese Daten werden mit Informationen aus der Kundenkartei verknüpft. TV- und Festnetznutzung sollen noch dazukommen. Das angebotene Opt-Out erwies sich als Schimäre. Als die Datenschutzkommission einige Änderungen forderte, schaltete Bell zunächst auf stur. Nun will der Konzern aber doch den Empfehlungen der Behörde folgen.

Daniel Therrien, Kanadas Privacy Commissioner, will nun auch bei anderen kanadischen Telecom-Unternehmen eruieren, ob sie ähnliche Überwachungsprogramme fahren.

(Bild: Office of the Privacy Commissioner of Canada)

2013 hat Bell Canada ein "Relevant Advertising Program" (RAP) eingeführt. Dafür wertet Bell genau aus, was seine Mobilfunkkunden mit dem Handy so treiben: Etwa welche URLs sie aufrufen, wie sie welche Apps verwenden und welche Funktionen des Endgeräts sie nutzen. Daraus schließt Bell auf Geschlecht, Alter, Wohnort, Interessen und so weiter. Diese Daten werden mit Informationen aus der Kundenkartei verknüpft, wozu unter anderem Rechnungsadresse, Umsätze, Art des Tarifs, genutzte Endgeräte sowie Angaben zur Kreditwürdigkeit zählen.

Und diese Datensammlung soll noch erweitert werden: Das Telefonierverhalten am Festnetzanschluss, das Surfen über Festnetz und WLAN, sowie die TV-Gewohnheiten. Auch die Auswertung des Aufenthaltsort der Mobilfunkkunden nimmt sich Bell heraus, auch wenn es angibt, die GPS-Daten derzeit nicht zu verwenden. Praktischer Weise liefert Bell Handys mit vorinstallierter Bell-App aus, die sich nicht leicht entfernen lassen.

Aus den Daten erstellt Bell genaue Kundenprofile. Diese werden mit Zielgruppenangaben von Werbetreibenden gematcht. Damit bekommen Bell-Kunden zielgerichtete Reklame vorgesetzt. Außerdem teilte Bell die Datenbank mit seiner eigenen Elektronikhandelskette The Source. Nach Ankündigung des Relevant Advertising Program beschwerten sich so viele Kanadier wie noch nie bei dem für Datenschutz zuständigen Privacy Commissioner.

Mobilfunkkunden "profitieren als Erste", der Rest muss noch auf die Überwachung warten.

(Bild: Screenshot)

Dessen Untersuchung ergab, dass das von Bell angebotene Opt-Out nicht den gewünschten Effekt hat. Bis vor einigen Wochen unterdrückte Bell lediglich ab dem folgenden Tag die Vermittlung der spezifischen Reklame, so dass sich die Kunden geschützt wähnen.

Aber nicht nur blieben die bereits gespeicherten Daten gespeichert, die Datensammlung lief sogar ungebremst weiter. Bell begründete das damit, dass sich der Kunde ja wieder für das Programm anmelden könnte (Opt-In). Und dann soll schon alles bereitstehen.

Der Privacy Commissioner befand das Relevant Advertising Programm für grundsätzlich in Ordnung. Schließlich sammle Bell alle genannten Daten sowieso. Die Verknüpfung sei allerdings erst nach Zustimmung der Kunden zulässig. Er empfahl Bell daher eine Umstellung auf Opt-In, das Ende der Datenübermittlung an den konzerneigenen Elektronikhändler, sowie kleinere, vorwiegend prozedurale Änderungen. Die kleineren Vorschläge akzeptierte das Unternehmen auch. Doch gerade von einem Opt-In wollte Bell nichts wissen und es auf eine Klage des Datenschützers ankommen lassen.

Erst nach Veröffentlichung des Untersuchungsberichts änderte die Firma ihre Strategie. "Bell wird der Entscheidung des Privacy Commissioner folge leisten, inklusive dem Opt-In", wird ein Sprecher in der Zeitung Globe and Mail zitiert, "Wir sind dem Schutz der Privatsphäre unserer Kunden verpflichtet und danken der Kommission für die Klarstellung der Regeln." Im Sinne eines fairen Wettbewerbs sollten diese Regeln aber auch für ausländische Unternehmen wie Facebook und Google gelten, fügte der Sprecher hinzu.

Noch offen ist, ob das Relevant Advertising Program gegen das kanadische Telekommunikationsrecht verstößt. Die Nichtregierungsorganisation Public Interest Advocacy Centre hat sich bei der Telecom-Regulierungsbehörde CRTC beschwert; dieses Verfahren läuft noch.

Bell Canada Enterprises ist einer der größten Konzerne des flächenmäßig zweitgrößten Landes der Welt. Zu dem Unternehmen gehören Mobilfunknetze, Fest- und Kabelnetze, der meistgesehene Fernsehkanal des Landes sowie eine Reihe von Spartenprogrammen, sowie The Source, die zweitgrößte kanadische Ladenketten für Elektronikartikel. Auch Werbeflächen aller Art vermarktet Bell. Dazu kommen noch diverse Beteiligungen, etwa an Sportbetrieben und Printmedien, darunter auch Globe and Mail. (ds)