BenQ-Mobile-Pleite: Der Tag, der das Ende einläutete

Am 28. September 2006 teilte BenQ mit, dass keine weiteren Zahlungen an die Mobiltelefonsparte in Deutschland geleistet würden. Mehr als 3.300 Beschäftigte verloren später ihre Arbeit.

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Von
  • Alexander Florié
  • Claus Haffert
  • dpa

Der Schock saß tief am 28. September 2006 bei den Mitarbeitern von BenQ Mobile. Vor genau einem Jahr war bekannt geworden, dass der Mobiltelefonhersteller vor der Pleite steht. "Wir haben mit Personalabbau und Umstrukturierungen gerechnet, aber dass es um Insolvenz ging, da war keiner von uns drauf vorbereitet", erinnert sich die damalige Betriebsratsvorsitzende von BenQ Mobile Kamp-Lintfort, Heike Deppner.

Mehr als 3.300 Beschäftigte der deutschen BenQ-Tochtergesellschaften in Kamp-Lintfort, Bocholt und München verloren ihre Arbeit. Viele von ihnen sind noch immer auf Jobsuche. Über die Anfang des Jahres gegründeten Transfergesellschaften haben nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums etwa 1.300 Männer und Frauen eine neue Beschäftigung gefunden. Beim Elektrokonzern Siemens, der sein Mobiltelefongeschäft 2005 an den taiwanischen BenQ-Konzern verkauft hatte, sind nach Unternehmensangaben 325 Beschäftigte untergekommen.

Besonders schwierig ist die Lage in Bocholt, wo noch mehr als 800 der dort ehemals gut 1.700 BenQ-Beschäftigten auf Arbeitssuche sind. Unter ihnen sind viele Menschen ohne Berufsausbildung oder mit geringer Qualifikation. Für sie gibt es zum Jahrestag des Insolvenzantrags zumindest einen Hoffnungsschimmer. Die EU-Kommission will aus ihren Fonds zur Anpassung an die Globalisierung rund 12,8 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Mit diesem Geld sollen Weiterbildung für Geringqualifizierte und gezielt Existenzgründungen unterstützt werden, wie Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) am heutigen Donnerstag in Berlin mitteilte.

Der Fall BenQ Mobile bescherte Siemens viele Negativ-Schlagzeilen. Der Münchner Weltkonzern hatte seine Handyproduktion im Juni 2005 an BenQ abgegeben. Gerade 15 Monate später kam das Aus, der neue Besitzer wollte von dem Beschäftigungs-Sicherungsvertrag, den die IG Metall noch mit Siemens abgeschlossen hatte, nichts wissen. Die Wut der Beschäftigten und die Kritik der Politiker richtete sich gegen Siemens. "Das war unternehmerisches Versagen in einer Zukunftstechnologie", erinnert sich Kamp-Lintforts Bürgermeister Christoph Landscheid (SPD).

Mit ihren Protesten, monatelang stand vor dem Handy-Werk in Kamp-Lintfort ein Solidaritätszelt, erreichten die Beschäftigten zumindest, dass Siemens nach Gewerkschaftsangaben 200 Millionen Euro für die Transfergesellschaften zur Verfügung stellte. "Das war wirklich ein gigantischer Erfolg", meint der für Kamp-Lintfort zuständige IG Metall-Bevollmächtigte Ulrich Marschner.

Ergebnislos war die Suche nach einem Investor, der zumindest einen Teil der Handy-Produktion fortführen sollte. So lief in Kamp-Linfort Ende Januar das letzte Handy vom Band, Maschinen und Büroausstattung wurden im Juni versteigert. Für Insolvenz-Verwalter Martin Prager ist der Fall aber noch lange nicht erledigt. Vor dem Münchner Landgericht hat er beispielsweise mehrere Schadensersatz-Klagen gegen den BenQ- Mutterkonzern angestrengt.

Neue Arbeitsplätze sind bislang kaum entstanden. Ein belgischer Mobilfunkhersteller hat sich auf dem BenQ-Gelände in Kamp-Lintfort angesiedelt und 50 ehemalige BenQler angestellt. In der ehemaligen Handy-Reparaturwerkstatt in Bocholt haben 86 von rund 250 Mitarbeitern eine neue Stelle gefunden. Größere Ansiedlungen sind dagegen noch Zukunftsmusik.

In Kamp-Lintfort gibt es Ideen für ein Automobilzentrum. Auch das kommunale Rechenzentrum für den Niederrhein könnte dort hinziehen. Bürgermeister Landscheid möchte vor allem NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) beim Wort nehmen. Rüttgers hatte die Gründung von neuen Fachhochschulen angekündigt. Für eine davon wäre Kamp- Linfort ein guter Standort, meint Landscheid. (Alexander Florié und Claus Haffert, dpa) / (pmz)