Bericht: Gekaufte Meinungsartikel gegen Netzneutralität und Google

Die Washingtoner Lobby- und PR-Agentur LawMedia Group soll Kommentare für Online-Magazine und Zeitungen verfasst und platziert haben, in denen das Prinzip des offenen Internet und Googles Anzeigengeschäft mit Yahoo lächerlich gemacht werden.

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Die Washingtoner Lobby- und PR-Agentur LawMedia Group (LMG) soll unter fremden Namen Kommentare für Online-Magazine und Zeitungen verfasst sowie Kampagnen losgetreten haben, mit denen der Erhalt der Netzneutralität und Googles Anzeigengeschäft mit Yahoo lächerlich gemacht werden. Der US-Nachrichtendienst News.com beschuldigt die Agentur, in mehreren Fällen die in den USA unter dem Namen "Astroturf" bekannte Praxis des Segelns unter falscher Flagge betrieben zu haben. Als zahlende Kunden waren demnach der US-Kabelnetzbetreiber Comcast beziehungsweise Microsoft verantwortlich für die besonders irreführenden Aktionen.

Auf das Konto von LMG geht dem Bericht nach unter anderem ein Meinungsartikel in der Online-Ausgabe des Universitätsblatts "The Harvard Crimson" über eine Anhörung der US-Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC) über die inzwischen offiziell abgemahnte Filesharing-Blockade Comcasts.

Als Autor des Kommentars ist Mel King angegeben, Leiter des South End Technology Center in Boston und früherer Lehrbeauftragter am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT). Dieser gilt eigentlich als Befürworter einer gesetzlichen Verankerung des Prinzips des offenen Internet. In seinem Beitrag für die Uni-Zeitung macht er sich dagegen über die Idee lustig, "dass Breitbandnetzwerke blindlings jedes einzelne Informationsbit im Internet gleich behandeln sollen". Die meisten Experten seien sich einig, zieht der Artikel weiter gegen Netzneutralitätsvorschriften ins Feld, dass Breitbandanbieter ein "vernünftiges" Netzwerkmanagement durchführen dürfen sollten.

King bestätigte gegenüber News.com, dass die LawMedia Group in das Abfassen und Platzieren des Beitrags involviert gewesen sei. Von einer möglichen Bezahlung für die Veröffentlichung des Artikels unter seinem Namen durch die PR-Spezialisten wollte er aber nicht wissen. Es habe sich um übliche Vermittlungsarbeiten gehandelt.

Insgesamt erscheint es fraglich, ob King sich eine von dem Online-Magazin veröffentlichte Abschlussversion des Texts aus den LMG-Kanälen überhaupt noch einmal genau durchgelesen hat. Hauptsächlich geht es in dem Beitrag darum, dass sich die FCC besser um den Anschluss von Minderheiten ans Netz und für mehr Anteile Schwarzer am Fernsehproduktionsbetrieb kümmern sollte. Aufgesetzt wirkende "Shows" für Lobbyisten "aus dem Silicon Valley" seien dagegen eine Zeitverschwendung. In einem anderen Fall soll die LMG sogar den US-Bürgerrechtler Jesse Jackson für ähnliche Kommentare missbraucht haben.

Die am liebsten im Verborgenen agierende Agentur, die in der PR- und Spindoktor-Enzyklopädie SourceWatch als Ghostwriter-Instanz geführt wird und Textinformationen auf ihrer Webseite nur als Bilddateien veröffentlicht, hat laut dem Report ferner im Mai nach dem Gewinn eines Auftrags von Microsoft eine ungewöhnliche Koalition gegen Google in Stellung gebracht. Demnach haben in einer American Corn Growers Association versammelte Maisbauern mit einer Liga ländlicher Wähler und der Vereinigung "Latinos in Information Sciences and Technology Association" (LISTA) ans US-Justizministerium einen Brief (PDF-Datei) geschrieben mit der Bitte, das "Suchmonopol" des Internetkonzerns zu prüfen.

Das Medienecho war groß: Mehrere Artikel auch in internationalen Gazetten widmeten sich dem Alarmruf aus dem Mittleren Westen gegen Google und das damals mit Yahoo abgewickelte Anzeigengeschäft. Der Drahtzieher LMG blieb dabei freilich unerwähnt. Die Agentur rühmt sich auf ihrer Homepage selbst, bei hauseigenen Kampagnen die Medien zu "dominieren". (Stefan Krempl) / (pmz)