IFA

Berlin als Modellregion fürs digitale "Überall-Fernsehen"

Vom kommenden Jahr an soll das analoge Antennenfernsehen durch DVB-T in Berlin ersetzt werden.

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Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg will gemeinsam mit den öffentlich-rechtlichen sowie privaten Anbietern ernst machen und vom nächsten Jahr an als erste Region in Deutschland Schritt für Schritt das gute alte Fernsehen über Antenne abschalten und den terrestrischen digitalen Rundfunk (DVB-T) einführen. Das verkündete der Leiter der Medienanstalt, Hans Hege, am Donnerstagabend auf dem Medienforum der beiden Länder am Rande der IFA. Betroffen sind rund 7,4 Prozent der Berliner, die sich noch nicht wie der Großteil der Hauptstädter über Kabel (77 Prozent) Fernsehangebote ins Haus holen oder eine Satellitenschüssel installiert haben (7,7 Prozent).

Das Umstellungsszenario hat die Medienanstalt in Grundzügen erarbeitet: Zunächst soll ein leistungsstarker Kanal zu Demozwecken digitalisiert werden, damit sich die betroffenen Zuschauer im Handel oder bei öffentlichen Informationsstellen überhaupt ein Bild von den neuen Möglichkeiten machen können. Hege denkt dabei an einen finanzstarken Partner wie die Kirch-Gruppe. Im zweiten Schritt ist die Umstellung der privaten Programme auf das digitale Spektrum geplant, während die öffentlich-rechtlichen Sender gleichzeitig auf relativ schwache terrestrische Frequenzen umgesiedelt werden. Schließlich soll die analoge terrestrische Übertragung ganz beendet werden, wofür noch kein genauer Zeitpunkt angegeben wurde. Auf längere Zeit hinaus, machte der oberste Medienwächter Berlins und Potsdams klar, sei ein paralleles Angebot von analog und digital jedenfalls nicht zu finanzieren.

"Eine derartige Abschaltung ist bislang weltweit so noch nie probiert worden", erklärt Hege. Doch das Unterfangen, das für andere Ballungsräume und letztlich für ganz Deutschland Modell stehen soll, diene letztlich dem Grundziel, eine größere Auswahl für den Endverbraucher bei den Rundfunk-Übertragungswegen zu sichern. Die Digitalisierung des Fernsehens steht seiner Meinung nach nicht nur für eine effizientere Nutzung der begrenzten Frequenzen, nicht nur für mehr Programme und interaktive Teledienste, "sondern auch für neue Macht". Angesichts des Ausverkaufs des Kabels stelle das Projekt DVB-T daher auch einen Weg dar, die Mediengestaltung "nicht allein den Börsen und auf Shareholder-Value achtenden Unternehmen zu überlassen."

Dass sozial schwächere Schichten oder Senioren mit der Umstellung ihres vielleicht einzigen Kommunikationsmediums beraubt werden, glaubt Hege nicht. "Ältere und Arme haben doch längst Kabel oder Satellit." Die 7,4 Prozent Antennenfreaks vermutet der Medienhüter, der sich von der Vorstellung, dass alle Bundesbürger mit denselben Programmen gleichmäßig versorgt werden müssen, verabschiedet hat, eher im intellektuellen Milieu. Die 500 Mark, die die als Sesam-öffne-dich für DVB-T fungierenden Set-Top-Boxen zunächst kosten sollen, sieht Hege daher nicht als Marktverhinderungsfaktor an.

Trotzdem muss der geplante Wandel noch tüchtig vermarktet werden, sind sich alle Beteiligten einig. Den Anfang soll die Umbenennung des digitalen terrestrischen Rundfunks in "Überall-Fernsehen" machen. Die Marktforscher von VisionConsult Berlin legten den Regulierern zudem ans Herz, im Rahmen des Pilotprojekts sogleich an den Aufbau hybrider Netze zwischen digitalem Rund- und Mobilfunk zu denken und vor allem die Handy- und PDA-Nutzer als Zielgruppe für DVB-T ins Auge zu fassen. Bei einer reinen Übertragung der analogen Programmangebote in Bits und Bytes sei der Flop des digitalen Antennenfunks bereits vorprogrammiert.

Das Modellprojekt in Berlin und Potsdam hat den offiziellen Segen der Bundesregierung. "Die Digitalisierung ist die notwendige Voraussetzung für die Konvergenz der Medien", erklärte Wolfgang Becker vom Bundeswirtschaftsministerium auf dem Medienforum. Die Weichen für die Abschaltung des analogen Fernsehens hat die alte schwarz-gelbe Regierungskoalition bereits Ende 1997 gestellt und wenig später die "Initiative Digitaler Rundfunk" ins Leben gerufen. Mit Hilfe einer gesetzlichen Regelung – vermutlich durch einen Länder-Staatsvertrag – sowie internationalen Absprachen in Europa will Rot-Grün nun den Wandel hin zum Digitalen bis spätestens 2010 abschließen. (Stefan Krempl) / (jk)