Bertelsmann liegt in den USA auf der Lauer

Ob Videospiele, Musik-Downloads oder Online-Werbung: Die USA geben die Trends im Medien- und Unterhaltungsgeschäft vor. Der deutsche Medienkonzern hat daher Wachstum in den USA im Visier.

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Von
  • Michael Donhauser
  • dpa

Die Flure im Bertelsmann Building im Herzen New Yorks leeren sich allmählich. Der Gütersloher Medienkonzern hat das Gebäude mit seinen 42 Stockwerken verkauft, die riesigen Büroflächen sind an andere vermietet. Mehr als 1000 Bertelsmänner hatten die feine Adresse am Times Square einst auf ihren Briefbögen stehen. Heute sind es kaum noch 100. Ein Hauch von Rückzug aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten? "Im Gegenteil", sagt Gunter Thielen, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann AG. Die Vereinigten Staaten sind nach Deutschland mit Abstand zweitwichtigster Markt für Bertelsmann. Während er spricht, sitzt er nur ein paar Blocks weiter am Broadway, im neuen Tower seiner Buch-Sparte Random House. Das Gebäude der weltgrößten Buchverlagsgruppe dient dank eines langfristigen Mietvertrages als neues Hauptquartier der Gütersloher in den USA.

Das Spielfeld für Bertelsmann ist jenseits des großen Teichs riesig. Der Medienmarkt in den USA verzeichnete mit 6,9 Prozent im Jahr 2004 die größte Zunahme seit dem Jahr 2000. Allein dieser Zuwachs bedeutet ein Volumen, das größer ist als die Medienmärkte in Wachstumsländern wie Russland, Polen und Indien zusammen. 40 Prozent des weltweiten Medien- und Unterhaltungsumsatzes werden in den USA generiert. Ob Videospiele, Musik-Downloads oder Online-Werbung: Die USA geben die Trends im Medien- und Unterhaltungsgeschäft vor.

Bertelsmann beschäftigt derzeit 13.500 seiner weltweit mehr als 80.000 Mitarbeiter in den Staaten. Mit 4,8 Milliarden Euro wird hier ein Viertel des Jahresumsatzes von rund 18 Milliarden Euro erzielt. Bertelsmann will im laufenden Jahr weltweit um fünf Prozent wachsen. "2006 wird es mehr sein", kündigte Thielen an. Dann will er auch den US-Umsatz auf 5,5 Milliarden hochgeschraubt haben. "Das US-Geschäft von Bertelsmann ist von zentraler Bedeutung. Wir wollen hier weiter wachsen."

Alle sechs Unternehmensbereiche liegen deshalb auf der Lauer. Vor allem beim Buchverlag Random House, seit der Gründung 1925 in New York ansässig, wird über eine weitere Aquisition nachgedacht. Zumindest einen Zukauf, so glauben die Strategen um Vorstandschef Peter Olsson, würden die US-Kartellwächter noch genehmigen. Die Verlage von Random House bringen jedes Jahr 9000 Neuerscheinungen auf den Markt und haben derzeit laut Olsson einen Marktanteil von 16 Prozent in den USA.

Selbst die Fernsehsparte RTL, deren Spielraum für Übernahmen in den USA wegen gesetzlicher Bestimmungen gegen Null geht, profitiert. Die Produktionstochter Freemantle TV konnte mit großem Erfolg das aus Großbritannien stammende Konzept von "Deutschland sucht den Superstar" unter dem Titel "American Idol" platzieren. Weitere Produktionserfolge sollen folgen. Die Buchclub-Sparte Direct Group hat erst vor wenigen Monaten den erfolgreichen Musik- und DVD-Club Columbia House übernommen. Die 400-Millionen-Euro-Investition mache sich bezahlt, sagt Vorstandschef Ewald Walgenbach. Auch die Buchclubs von Bookspan, ein 50:50-Joint-Venture mit Time Warner, laufen mit neun Millionen Mitgliedern gut. Insgesamt macht die Direct Group 40 Prozent ihres Umsatzes von 2,2 Milliarden Euro in den USA. Und Walgenbachs Kollege Hartmut Ostrowski, Vorstandschef der Druck- und Dienstleistungssparte Arvato, hat zu tun, angesichts ständig neuer Firmengründungen den Überblick zu behalten. Von der klassischen Druckerei über Call-Center bis zur Reparaturwerkstatt für Handys betreibt Arvato alles, was mit Medien zumindest entfernt zu tun hat. Mehr als 4000 der 13.500 US-Mitarbeiter von Bertelsmann sind bei Arvato.

Trotz aller Erfolge musste Bertelsmann in den USA auch Rückschläge einstecken. Zwei früheren Managern musste der Konzern zähneknirschend 160 Millionen Euro zahlen, um aus einer Klage im Nachgang des Verkaufs von AOL Europe an Time Warner herauszukommen. Der Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr zog sich wegen Erfolglosigkeit aus dem US-Zeitschriftenmarkt zurück und betreibt jenseits des Atlantiks nur noch Druckereien. Und auch die Musiksparte BMG ist nach der Fusion mit Sony zum Sorgenkind geworden – das rufschädigende Vorgehen mit dem XCP-Kopierschutz auf Musik-CDs dürfte Ausdruck der Verunsicherung des Managements sein. (Michael Donhauser, dpa) / (jk)