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Betrug mit gefälschten Festplatten

| Lutz Labs

Der Betrug mit gefälschten USB-Sticks und Speicherkarten ist gang und gäbe. Doch auch bei günstigen Festplatten sollte man misstrauisch sein.

Eine 2-TByte-USB-Festplatte von Seagate oder Western Digital kostet im Handel regulär rund 60 Euro. Ein 30-Euro-Angebot für eine Noname-Platte verlockt da zum Kauf – auch wenn der Versand aus China etwas länger dauert. Unser Leser Sven M. war der Meinung, dass es sich nicht lohnt, Festplatten zu fälschen; zudem war der Kauf durch den eBay-Käuferschutz ja risikolos. Also bestellte er das billige Laufwerk.

Mithilfe unseres Testprogramms H2testw [1] konnte er dann aber schnell feststellen, dass die Platte nicht die versprochene Kapazität hat. Gerade einmal 300 GByte fasst das Laufwerk. Nach einer Beschwerde beim Händler bekam er sein Geld zurück, das Laufwerk wollte der Händler nicht wiederhaben. So landete es bei uns.

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Auch im c’t-Labor meldete sich das Laufwerk mit der Typenbezeichnung weyoc-2t und einer Kapazität von 2 TByte. Rund 300 je 1 GByte große Dateien aus dem Test des Lesers waren auf dem Laufwerk noch vorhanden. Der Versuch, von einer dieser Dateien eine Kopie anzulegen, schlug fehl. Stattdessen gab das Laufwerk erbärmliche Geräusche von sich; wahrscheinlich wurde der Kopf auf eine eigentlich nicht erlaubte Position gezwungen.

Die Abfrage der SMART-Werte (Self-Monitoring, Analysis and Reporting Technology, Gesundheitszustand eines Laufwerks) ergab eine Laufzeit von kaum vier Stunden sowie gerade einmal zehn Einschaltvorgänge – demnach müsste die Platte also neu sein. Wir haben die Festplatte aus dem Gehäuse befreit, um sie per SATA anzuschließen. Einen Markenaufkleber trug sie nicht, wir fanden lediglich noch ein paar Klebereste.

Die Platte entpuppte sich als eine Hitachi Travelstar mit 320 GByte, wahrscheinlich aus dem Jahr 2010; für die Identifizierung noch einmal herzlichen Dank an die Fachleute von Seagate und Toshiba. Verraten haben die Platte nicht nur Gehäusemerkmale, sondern auch Aufkleber auf der Platine: Die Elektronik vieler Laufwerke ist als Ersatzteil bei spezialisierten Onlinehändlern erhältlich, eine Suche nach den Nummern auf den Aufklebern hilft bei der Identifizierung.

Einen Markenaufkleber trägt die eingebaute Festplatte nicht. Das soll es den Käufern sicher erschweren, der Fälschung auf die Spur zu kommen.

Einen Markenaufkleber trägt die eingebaute Festplatte nicht. Das soll es den Käufern sicher erschweren, der Fälschung auf die Spur zu kommen.

Solche Fälschungen treten nach Angaben von Seagate häufiger auf, meistens mit manipulierter Firmware im USB-SATA-Wandler. Unsere Fälschung hat damit immerhin einen gewissen Seltenheitswert, denn die Manipulation fand in der Firmware der Festplatte statt. Das lohnt sich eigentlich nur, wenn die Fälscher eine ganze Reihe dieser Laufwerke damit ausstatten. Die Manipulation der USB-Bridge ist dagegen universeller, denn damit lassen sich Platten mit beliebiger Kapazität bauen.

Die USB-Bridge der Fälschung funktionierte auch mit anderen Laufwerken und gab dabei immer die korrekte Kapazität aus. Von einem produktiven Einsatz des USB-Gehäuses würden wir dennoch absehen.

Zuallererst hilft gegen den Kauf gefälschter Produkte der gesunde Menschenverstand: Ist ein Produkt deutlich billiger als ein gleichwertiges, sollten die Alarmglocken läuten. Auf die Bewertungen dubioser China-Händler auf den Handelsplattformen sollte man nicht zu viel geben, denn diese können ebenfalls gefälscht sein. Zudem verschwinden solche Händler nach dem Verkauf einer Charge gefälschter Produkte auch gerne mal wieder und drücken sich damit vor der Rückerstattung des Kaufpreises.

Doch auch Laufwerke und USB-Sticks [3] aus seriöser Quelle [4] sollte man vor der Nutzung besser einmalig mit unserem Testprogramm H2benchw malträtieren. Das kann zwar bei großen Kapazitäten einige Stunden dauern, bei erfolgreichem Test aber hat man die Sicherheit, dass die Speicher auch wirklich funktionieren und die beworbene Kapazität haben. Zudem zeigt H2benchw bereits zu Anfang eine Übertragungsrate an, die bei 2,5-Zoll-Festplatten bei mehr als 100 MByte/s liegen sollte. Liegt sie unter 40 MByte/s, steckt das Laufwerk entweder an einem lahmen USB-2.0-Port des eigenen PC oder der USB-Wandler des Laufwerks ist besonders langsam.

Das Angebot des eBay-Verkäufers „prime-homegarden“ ist nicht mehr verfügbar, wer möchte, kann jedoch für knapp 30 Euro eine 2-TByte-Festplatte im gleichen Gehäuse beim Verkäufer „kapondone“ erwerben. Wir raten davon ab und haben auch eBay auf das zumindest fragwürdige Angebot hingewiesen. Eine Reaktion des Unternehmens haben wir bis Redaktionsschluss nicht erhalten.

Dieser Artikel stammt aus c't 18/2020 [5].

(ll [6])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-4866604

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/download/product/h2testw-50539
[2] https://www.heise.de/ct/
[3] https://www.heise.de/ratgeber/Gefaelschte-USB-Sticks-und-SD-Karten-Darauf-sollten-Sie-achten-4325666.html
[4] https://www.heise.de/ratgeber/Gefaelschte-USB-Sticks-und-MicroSD-Karten-bei-Joom-com-eBay-und-Amazon-4647226.html
[5] https://www.heise.de/select/ct/2020/18
[6] mailto:ll@ct.de