Bewaffnete Drohnen gegen drohende Gefahren

Deutschland ist spät dran, wenn es um die Bewaffnung von Drohnen geht. Um Bedenken und einhergehende Pflichten wurde stark gestritten.

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(Bild: US Air Force)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Monika Ermert
  • dpa
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Bei einer Anhörung im Verteidigungsausschuss des deutschen Bundestages am Montagnachmittag wurde deutlich, dass der Bundestag wohl grünes Licht für Beschaffung und Einsatz bewaffneter Drohnen geben wird. Nur Linke und Grüne haben noch grundsätzliche Bedenken. Wenn schon nicht mehr ergebnisoffen diskutiert werde, müsse man wenigstens den Rechtsschutz ziviler Opfer und die verfassungsrechtliche Überprüfbarkeit der Einsatzmandate verbessern, forderte die Grünen-Abgeordnete Katja Keul.

Noch Ende vergangenen Jahres lehnten die Regierungsparteien CDU, CSU und SPD die von den Oppositionsparteien FDP und AFD vorgeschlagene Bewaffnung von fünf deutschen Heron TP-Drohnen ab. Spätestens in der gestrigen Anhörung wurde klar, dass die Bundeswehr nun auf die Zustimmung der Mehrheit des Parlaments für die lange geforderte Bewaffnung hoffen darf.

Die Soldaten könnten den bisherigen Verzicht nicht verstehen, sagte Oberstleutnant André Wüstner, Vorsitzender des Bundeswehrverbands. Von einer Herabsetzung der Hemmschwelle beim Einsatz tödlicher Waffen kann aus Sicht der Soldatinnen und Soldaten keine Rede sein, unterstrich er.

Diese Sorge offenbare vielmehr ein gewisses Unverständnis der Bevölkerung gegenüber dem Auftrag der Bundeswehr. Wüstner forderte einen raschen Entscheid und eine rasche Realisierung der Beschaffung, bevor man doch noch in die Lage komme, dass man wegen der Verzögerung Tote in den Reihen der Truppe zu beklagen und zu rechtfertigen habe.

Professor Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr in München wandte sich gegen die Bedenken, dass der Einsatz bewaffneter Drohnen nicht nur den Einstieg in eine neue Art der Kriegsführung, sondern auch eine zwangsläufige Entwicklung in Richtung immer stärker automatisierter Waffensysteme ergebe. "Die Drohne ist kein Game Changer", versicherte er. Vielmehr sei sie eine Weiterentwicklung des Trends, Distanz zwischen den Kämpfenden herzustellen.

Beim Auslösen einer Rakete von einem Kampfjet sehe ein Pilot nicht, was am Boden vor sich gehe. Der Drohnenpilot dagegen könne es sehen, so der von der FDP geladene Experte. Genau diese Distanz-Möglichkeit jedoch könne dafür sorgen, argumentierte Christian Marxsen vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, dass die Bundeswehr künftig in mehr und "robustere" Einsätze geschickt werde.

Masala widersprach den Bedenken, dass die Bundeswehr etwa per Bündnisdynamik zu völkerrechtswidrigen Einsätzen gezwungen sein könnte. Für solche völkerrechtswidrigen Einsätze haben die USA, und viele andere Staaten, Kampfdrohnen genutzt.

"Eine Bündnisdynamik gibt es nicht", sagte Masala. Den Einsatz vom Signature Strikes, also Angriffen auf der Basis von Metadaten und Rechenmodellen, halte er deswegen für unmöglich in Deutschland. Für ein Ankurbeln einer Rüstungsspirale sei man schlicht 10 Jahre zu spät dran.

Juristische Schützenhilfe gab Professor Andreas Zimmermann von der Universität Potsdam. Ein Verbot an sich für den Einsatz bewaffneter Drohnen gebe es nicht, auch für eine etwaige internationale Abrüstungsentscheidung sei man Jahre zu spät. Übrigens ließen sich die deutschen Einsatztruppen durch bewaffnete Drohnen der Partner, etwa der Niederlande oder Frankreichs, schützen. "Wo ist der Unterschied?", fragte er.

Zimmermann hob als einen Garant für einen völkerrechtskonformen Einsatz klare Vorgaben des Parlaments hervor. In den Mandaten, die der Bundestag mehrheitlich zu beschließen habe, könne er sogar festlegen, ob bewaffnete Drohnen jeweils überhaupt zum Einsatz kommen können. Sogar eine geographische Begrenzung sei denkbar, also etwa eine Beschränkung von deutschen Kampfdrohnen auf Mali bei einem Verbot der Nutzung in den anderen Sahelstaaten, auf die der Bundeswehreinsatz ausgeweitet wurde: Mauretanien, Burkina Faso, Niger und Tschad. "Man kann die Mandate zuschneiden."

Doch dieser Idee erteilten Linke und Grüne eine Absage. Die Abgeordneten können den von der Exekutive vorgeschlagen Mandaten lediglich zustimmen, sie ablehnen oder sich enthalten. Nachbesserungen sind nicht vorgesehen. Der Gang nach Karlsruhe, um im Ernstfall die Verfassungsmäßigkeit eines Mandats zu überprüfen, ist der Opposition verwehrt.

Gerade die Ausweitung der Einsatzgebiete in Staaten, mit denen man nicht Krieg führt und wo die Aufstandsbekämpfung im Vordergrund steht, macht die Drohneneinsätze aus Sicht der kritischen Juristen heikel. Die Grenzen des Völkerrechts würden dabei mehr und mehr ausgehöhlt, warnte Andreas Schüller, vom European Center for Constitutional and Human Rights.

Zudem berechtige die Praxis von Bundeswehr und Bundesregierung zur Skepsis mit Blick auf die Zusicherungen, eines stets völkerrechtskonformen Einsatzes. Den völkerrechtswidrigen Einsätzen, die von den USA über Ramstein gelenkt werden, hätten Bundesregierung und Bundestag nie widersprochen, dem Bundeswehrangriff auf Zivilisten in Kundus 2009 nie eine juristische Aufarbeitung folgen lassen.

Marxsen verwies auf kritische Punkte in den vom Verteidigungsministerium vorgelegten, kurzen Grundsatzkatalog für Kampfdrohneneinsätze. Neben legitimen militärischen Zielen im Sinne des humanitären Völkerrechts werden dort Angriffe zur "Abwehr einer drohenden Gefahr für Leib und Leben" gerechtfertigt. Über die Auslegung dessen, was eine drohende Gefahr ist und wie unmittelbar sie sein muss, wird gerade in den Klagen gegen das bayerische Polizeigesetz gestritten, verwies Marxsen.

Fast all Experten waren sich einig, dass die Zivilbevölkerung durch einen permanenten Einsatz von Drohnen traumatisiert und durch Angriffe mit Drohnen zum unbeabsichtigten Opfer werden kann. Keul forderte daher, dass die Anschaffung von bewaffneten Drohnen damit flankiert werden muss, den Rechtsschutz auszuweiten. Bislang, so berichtete Schüller aus der Praxis, stünde dem die offizielle Auffassung entgegen, dass Grundrechte keine exterritoriale Wirkung entfalten. Die Klageerzwingung für sogenannte Amtshaftungsverfahren andererseits sei so kompliziert, dass Kläger aus Pakistan oder Afghanistan daran regelmäßig scheiterten.

Eine solche Ausweitung des Klageanspruchs für zivile Opfer wäre laut Zimmermann ein extremer Schritt, müsse man doch mit einer nicht vorhersehbaren Zahl von Geschädigten rechnen, nicht nur durch Schäden durch Drohnen.

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