Digitaler Euro: Welchen Mehrwert kann er bieten?
Welchen Mehrwert zu Apple, Google, Paypal & Co. bietet die geplante europäische Zentralbankwährung? Das war eine der Kernfragen auf dem Digital Euro Summit.
Für Katharina Paust-Bokrezion, die bei der Deutschen Bank für regulatorische und politische Angelegenheiten im Bereich des Zahlungsverkehrs zuständig ist, steht außer Frage: Der geplante digitale Euro muss sich reibungslos in den Alltag der Verbraucher einfügen und etwa fürs Zahlen der Croissants morgens beim Bäcker gut sein. Entscheidend sei dabei, dass er "einen Mehrwert" liefere zu Alternativen wie Bargeld oder Zahlungen mit Girocard oder Kreditkarte. Einen solchen den Bürgern verständlich zu machen, sei aber nicht so einfach, meinte die Expertin am Mittwoch auf dem Digital Euro Summit des IT-Verbands Bitkom: Ein überzeugendes Einsatzszenario in Form einer Killer-App werde die Branche wohl nicht finden.
Der Bezahlvorgang müsse komplett unsichtbar sein, ging Nicolas Kozakiewicz, Innovationsberater beim französischen Zahlungsanbieter Worldline, mit Paust-Bokrezion ein Stück weit konform. Ein Knopfdruck auf dem Smartphone sollte ausreichen. Für ihn steht die Notwendigkeit eines Digitaleuros aber außer Frage, da sonst die Zentral- und Geschäftsbanken zunehmend ins Hintertreffen gerieten und die Kontrolle über sowie die Stabilität des Finanzsystems kaum mehr zu gewährleisten sei. Apple, Google, Paypal oder Elon Musk mit X stünden längst parat, den Markt zu übernehmen, und hätten sich schon auf den Handys der Nutzer eingenistet.
Mehrwert für Bürger und Unternehmen
Der Zahlungsverkehr sei so essenziell wie die Strom- oder Wasserversorgung, schlug Raoul-Thomas Herborg, geschäftsführender Direktor von Giesecke+Devrient (G+D), in die gleiche Kerbe. Dieser Bereich dürfe nicht rein kommerziellen Akteuren überlassen werden. Nötig sei hier vielmehr eine "digitale öffentliche Infrastruktur".
Zugleich zeigte sich der Manager angesichts von Erfahrungen des Konzerns mit 130 Zentralbanken weltweit überzeugt, dass der digitale Euro und vergleichbare offizielle virtuelle Währungen "einen Mehrwert für Bürger und Unternehmen liefern". In Ghana etwa habe G+D Einwohnern eines Dorfs ohne Internet und Mobilfunk mit einer solchen, kartenbasierten Lösung mit Bezahlterminals die "ersten digitalen Zahlungen ihres Lebens" ermöglicht. Auch in Europa hätten rund fünf Prozent der Bürger kein Bankkonto. Ein Digitaleuro würde ferner als "gemeinsamer Standard für ganz Europa in allen Zahlungsszenarien" fungieren, während bestehende Kartensysteme teils nur national funktionierten.
Der digitale Euro werde als "öffentliches Gut" konzipiert, bestätigte die für das einschlägige Großprojekt bei der Europäischen Zentralbank (EZB) zuständige Programmdirektorin, Evelien Witlox. Sie bezeichnete das Vorhaben, das bei dem Institut die Untersuchungsperiode verlassen hat und seit 1. November in der Vorbereitungsphase ist, als "natürliche Evolution des Geldes" im Zuge der allgemeinen Digitalisierung. Die Nutzung von Bargeld sei in der EU stark rückläufig, digitale Lösungen würden stärker genutzt. Der Digitaleuro werde als einheitlicher zusätzlicher Ansatz das Leben von 347 Millionen Bürgern erleichtern, die täglich derzeit mit dem klassischen Euro bezahlen.
Digitaler Euro mit Mehrwert
Die Kartentransaktionen seien in Europa von 20 auf 70 Milliarden Euro binnen weniger Jahre gestiegen, äußerte sich Dirk Schrade, stellvertretender Leiter Zahlungsverkehrs- und Abrechnungssysteme bei der Deutschen Bundesbank, ähnlich. Er sieht Zentralbanken daher verpflichtet, Digitalgeld herauszubringen. Den Zusatznutzen beim digitalen Euro sieht er etwa in dessen "universeller Nutzungsoption wie bei Bargeld". Das Mittel könne offline verwendet werden, wobei die Privatsphäre viel besser geschützt würde als bei gängigen Kartenlösungen. Big-Brother-Befürchtungen wegen des Einbezugs der EZB seien unangebracht, da diese die Inhaber der digitalen Brieftaschen nicht identifizieren könne.
Andere Nutzungsoptionen wie das Überweisen von Geld seien nicht anonym durchführbar, räumte Schrade aber ein. Dafür müsse sich der Nutzer einer Wallet gegenüber der Geschäftsbank ausweisen, die seine Identität überprüfe. Das System dürfe nicht für Geldwäsche oder andere kriminelle Zwecke missbraucht werden können. Ein Geschäft mit persönlichen Daten, auf das manche Plattformbetreiber setzten, solle dagegen überhaupt keine Rolle spielen. Der Banker hält es zudem für wichtig, den digitalen Euro in Token-Form ähnlich wie eine Kryptowährung anzulegen. So könnte beim digitalen Kauf eines Bahntickets etwa gleich die Rückerstattung über einen "Smart Contract" einprogrammiert werden, falls es zu einer entsprechenden Zugverspätung komme.
Solche automatisierten Dienste könnten einen Mehrwert bringen, erklärte auch Jan Ceyssens, Referatsleiter bei der Generaldirektion für Finanzdienstleistungen bei der EU-Kommission. Der Digitaleuro selbst werde aber nicht programmierbar sein. Damit solle verhindert werden, dass dieser etwa nur für "gesunde Produkte" verwendbar wäre. Er betonte, dass die EZB keine "Super-App" für das Zahlungsmittel herausbringen werde. Sie wolle nicht die "letzte Meile" und den Kundenkontakt von den Geschäftsbanken übernehmen.
Nachverfolgbarkeit
Trotz der Versprechen rund um die Privatsphäre verwies Anne-Sophie Gógl von der Digital Euro Association auf die Sorge, dass eine Institution nachverfolgen könnte, was man wo kauft. Viele Daten blieben bei den Geschäftsbanken, auch wenn die EZB darauf keinen Zugriff habe. Gógl brachte daher einen Ansatz ins Spiel, bei dem selbst Vermittlungsdienste keinen Zugang zu den persönlichen Informationen erhielten. Generell sollte der Digitaleuro ihr zufolge interoperabel und flexibel konstruiert sein.
Auf diesem Gebiet zeichne sich eine Gratwanderung ab, berichtete Martina Weimert, Chefin der von einem europäischen Bankenkonsortium 2020 angeschobenen European Payments Initiative (EPI). Bei den geplanten Sofortüberweisungen stehe man in einer gewissen Konkurrenz mit Transfers via Digitaleuro, führte sie aus. Die EPI plane aber, diesen in die eigene Wallet beziehungsweise die einschlägige künftige Zusatzanwendung für bestehende Mobile-Banking-Apps zu integrieren. Dafür müssten aber die erforderlichen Schnittstellen sauber definiert und entwickelt sowie Back-Office- und Plattformlösungen aufgebaut werden.
Auch Jesse McWaters, Leiter Regulierung bei Mastercard, bekundete, der US-Konzern unterstütze den digitalen Euro und wolle ihn ins eigene Netzwerk einbauen. Bei einem "öffentlichen Gut" könnte sich das Zusammenspiel mit privaten Akteuren aber nicht immer einfach gestalten, wenn der Digitaleuro etwa subventioniert und die Kosten dafür künstlich niedrig gehalten würden. Dies würde den Wettbewerb gefährden. Basisdienste sollen für Verbraucher nach dem Plan der Kommission gratis sein.
(olb)