Big Brother soll schützen und gleichzeitig eingeschränkt werden

Eine amerikanische Befragung zeigt große Angst vor der Kriminalität im Internet und eine widersprüchliche Haltung zur Überwachung.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 204 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Florian Rötzer

"Fear of Online Crime", eine Befragung des Projekts Pew Internet & American Life, zeigt eine widersprüchliche Stimmung der Amerikaner beim Thema Überwachung. Immer mehr Menschen wünschen sich, dass die Privatsphäre im Internet besser geschützt wird. Sie glauben nicht, dass den Behörden zu trauen ist. Aber gleichzeitig haben die meisten Angst vor der Internet-Kriminalität und befürworten das Abhören von Telefonanrufen und die Kontrolle von E-Mails.

Besonders deutlich wird die gespaltene Meinung gegenüber dem FBI-Lauschsystem Carnivore. Wer von diesem System überhaupt gehört hat, lehnt es zu 45 Prozent ab, weil es die Informationen über Sender und Empfänger, aber auch die Inhalte der E-Mails aller Unbeteiligten bei einem Provider mit überprüfen muss. Gleichzeitig finden es 45 Prozent gut, weil es dem FBI ein neues Mittel in die Hand gibt, Kriminelle zu erwischen.

Fast geeint sind die Amerikaner in Bezug auf Kinderpornographie und Internet. 92 Prozent der Befragten gaben an, darüber besorgt zu sein, 80 Prozent sind sogar sehr besorgt. Nach der Kinderpornographie kommt an zweiter Stelle der Kreditkartenbetrug. 87 Prozent befürchten Kreditkartenbetrug im Internet, 69 Prozent sind sehr besorgt. Auch hier äußern wie bei der Kinderpornographie mehr Frauen als Männer ihre Ängste.

Es gibt kleine Unterschiede zwischen Schwarzen (74 Prozent) und Weißen (68 Prozent), aber größere zwischen den Generationen. Je älter die Menschen sind, desto mehr Angst haben sie, betrogen zu werden. Allerdings entspricht die Angst wahrscheinlich nicht der Wirklichkeit, wie der Bericht festhält. Die meisten Betrügereien mit Kreditkarten geschähen offline. Aufgrund einer früheren Befragung habe sich ergeben, dass weniger als 3 Prozent der Internet-Benutzer davon betroffen gewesen sind.

82 Prozent der Amerikaner zeigen sich über den Online-Terrorismus besorgt, was zeigt, dass Medien und Regierung mit entsprechenden Warnungen Erfolg gehabt haben. Größere Ängste liegen wiederum bei Nicht-Internet-Nutzern, Frauen, Schwarzen, Alten und Menschen mit niedriger Schulausbildung vor. Dies ist zudem die Schicht, die mehr Angst vor Betrug im Internet ganz allgemein hat. Obgleich bereits 25 Prozent schon einmal unvorsichtigerweise ihren Computer mit einem Virus infiziert haben, sind "nur" 70 Prozent besorgt über bösartige Viren. Doch auch die Hacker und Cracker spielen eine nicht unerhebliche Rolle bei der Gefahreneinschätzung, die vom Internet ausgeht. 78 Prozent fürchten, dass Hacker in Server der Behörden, und 76 Prozent, dass sie in Server von Unternehmen eindringen könnten.

Angesichts dieser Zahlen verwundert es nicht, dass 56 Prozent der Befragten es befürworten, wenn das FBI oder andere Strafverfolgungsbehörden Telefonanrufe von Verdächtigen abhört. Bei Briefen finden das noch 55 Prozent richtig und bei E-Mails 54 Prozent. Trotzdem sinkt erstaunlicherweise allgemein das Vertrauen in die staatlichen Behörden. Nur noch 31 Prozent setzen darauf, dass die Regierung meistens rechtzeitig das Richtige macht (im Unterschied zu 41 Prozent im Jahr 1988). Möglicherweise vor diesem Hintergrund wollen 62 Prozent aller Befragten, dass neue Gesetze eingeführt werden, um die Bürger vor dem Belauschen durch die Behörden zu schützen. Und 75 Prozent der Internet-Benutzer fordern neue Gesetze, was auf die entscheidende Rolle von Erfahrung und Wissen für die Beurteilung einer Situation hinweist.

Mehr in Telepolis: Zerrissen zwischen Schutz vor Kriminalität und Schutz der Privatsphäre. (fr)