Big Tech: Lobbymacht der Digitalkonzerne in Brüssel wächst weiter​

Mit zig Millionen Euro pro Jahr versuchen Meta, Apple, Google & Co., EU-Gesetzgeber zu beeinflussen. Beobachter sehen darin große Gefahren für die Demokratie.​

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Wegweiser "Lobby"

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.

Mehr als 113 Millionen Euro jährlich gibt die Digitalindustrie mittlerweile für Lobbyarbeit in Brüssel aus. Das geht aus Zahlen hervor, die LobbyControl und Corporate Europe Observatory (CEO) am Montag veröffentlicht haben. Die zwei zivilgesellschaftlichen Organisationen hatten 2021 erstmals eine Studie zur "Lobbymacht von Big Tech" herausgegeben und diese nun aktualisiert. Die einschlägigen Ausgaben sind demnach in den vergangenen beiden Jahren um 16,5 Prozent gestiegen. Allein die Top 10 der Digitalkonzerne – darunter Meta, Apple, Google, Microsoft und Amazon – sind mit 40 Millionen Euro Budget für mehr als ein Drittel der Lobbyausgaben des Sektors verantwortlich. Damit liegt die Spitze der Tech-Branche weiterhin ganz vorn, noch vor den je zehn größten Konzernen der Auto- und Finanzindustrie.

Das Plus geht vor allem auf die vorne gelisteten 25 Prozent der Digitalunternehmen zurück, allen voran die Big-Tech-Konzerne. Allein Meta mit Töchtern wie Facebook, Instagram und WhatsApp erhöhte seine Lobbyausgaben seit 2021 laut der Analyse von 5,5 auf 8 Millionen Euro jährlich und hat sich damit Platz 1 im gesamten Lobbyregister gesichert. Direkt auf Rang 2 folgt Apple: Der iPhone-Bauer verdoppelte sein Budget für die Beeinflussung von EU-Gesetzgebern von 3,5 auf 7 Millionen Euro. Nach Bayer auf Platz 3 mit 6 Millionen Euro folgt Google, mit 5,5. Den 6. Rang belegt Microsoft mit 5 Millionen Euro.

Auch bei der Zahl der Lobbyisten liegt Meta an der Spitze: Mit rund 17 Vollzeitstellen löst der US-Plattformbetreiber den chinesischen Telekommunikationskonzern Huawei mit seinen 11 Stellen ab. Es folgen Unternehmen wie Intel (10 Vollzeitstellen) und IBM (7,25 Vollzeitstellen). Darüber hinaus beschäftigen auch Google, Amazon und Apple mit jeweils rund 8 Vollzeitstellen mehr Lobbyisten als 2021. Neu in den Top 10 bei der Digitalbranche sind die Telekommunikationsfirmen Telefónica (von 1,5 auf 2 Millionen Euro) und Deutsche Telekom (von 1 auf 2 Millionen Euro). Knapp 20 Prozent der gelisteten Digital-Unternehmen haben ihren Hauptsitz in den USA. Die Anteile europäischer Staaten wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien sind leicht zurückgegangen und liegen jeweils bei rund 10 Prozent.

Die Quote von Firmen aus China bleibt bei unter einem Prozent: Große chinesische Tech-Konzerne wie TikTok und Alibaba sind mit 900.000 beziehungsweise 600.000 Euro dabei. Die Berechnungen basieren auf der Online-Datenbank Lobbyfacts.eu, die LobbyControl und CEO betreiben. Deren Werte beziehen sich zum Großteil auf 2022. Da die Einträge im EU-Transparenzregister, das als Basis für das Instrument dient, nur jährlich und von den Unternehmen selber aktualisiert werden, können sie unter Umständen schon ein oder zwei Jahre alt sein. Die aktualisierten Daten umfassen 651 Unternehmen und Wirtschaftsverbände, die für die Digitalwirtschaft Lobbyarbeit in der EU betreiben.

Das verstärkte Lobbying hängt nicht zuletzt mit den zahlreichen EU-Dossiers im Digitalbereich zusammen. Nach dem Digital Markets Act (DMA) und dem Digital Services Act (DSA) zur Plattformregulierung verhandeln die Gesetzgeber derzeit etwa über die geplante Verordnung für Künstliche Intelligenz (KI). Dass in diesem Zusammenhang "immer mehr Geld für Lobbyarbeit ausgegeben wird, während die Konzerne in diesem Sektor gleichzeitig ihre Monopolmacht nutzen können, ist besorgniserregend", betonte Verena Leyendecker von LobbyControl. Sie fordere "strengere Regeln für Lobbyismus in Brüssel" sowie eine ambitionierte DMA-Anwendung, um die Macht von Meta & Co. zu begrenzen. Bram Vranken von CEO bezeichnete die neuen Zahlen als "Weckruf". Die Big-Tech-Lobbyarbeit drohe nicht nur wichtige Maßnahmen zu verwässern, "sondern untergräbt auch die demokratische Entscheidungsfindung".

(mki)