Biotechnologie, Robotik und Sensorik sind Intels Hoffnungsträger

Der Halbleiterkonzern intensiviert seine Forschungsaktivitäten in eigentlich fachfremden Feldern. Sie sollen die klassische Computertechnik mit rechenintensiven Anwendungsfeldern verbinden.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 18 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Erich Bonnert

Der Halbleiterkonzern intensiviert seine Forschungsaktivitäten in eigentlich fachfremden Feldern. Durch enge Kooperationen mit Top-Universitäten will Intel die weltbesten Tüftler zeitweise in eigene, definierte Projekte einbinden. Sie sollen die klassische Computertechnik mit jenen Anwendungsfeldern verbinden, die einen ganz neuen Bedarfsschub für Rechenleistung versprechen. Intel scheut dabei keine Kosten -- Hauptsache, es geht schnell.

Intel-Forschungsdirektor David Tennenhouse gibt die Marschrichtung für Intels Forschungsoffensive vor: Computersysteme der Zukunft brauchen keine Menschen mehr zur Ein- und Ausgabe. Heutige Rechner seien interaktiv, dozierte Tennenhouse bei einem Tag der offenen Tür in den Intel Labs. Entweder die Benutzer warten auf ihre Reaktion oder umgekehrt. Schon bald aber werden sie zu "proaktiven" Maschinen, die unsere Bedürfnisse vorausahnen und in unserem Auftrag agieren. Einige der Basistechnologien dafür geht Intel nun -- im Zusammenspiel mit führenden Universitäten -- in strammem Tempo an. "Wir haben gemerkt, dass wir einen Gang höher schalten müssen", erklärte Tennenhouse. Insbesondere die Rezession der IT-Branche habe verdeutlicht, dass die Informatikforschung etwas zu behäbig geworden sei, um der die nötigen Impulse zu geben.

Mit rund vier Milliarden Dollar jährlich sucht Tennenhouse, der frühere Leiter des US-Militärforschungszentrums DARPA, jetzt im Auftrag des Chipriesen nach den besten Ideen. Dazu hat der Konzern "Lablets" eingerichtet, kleine -- konzentrierte Forschungszellen, die von beurlaubten Universitätsforschern auf Zeit geleitet werden. Projekte an den Universitäten Berkeley/Kalifornien, Carnegie Mellon/Philadelphia, Seattle und Cambridge/UK gehören zu den vielversprechendsten.

Biotechnologie ist Tennenhouses Lieblingsdisziplin. Unter dem Etikett Präzisionsbiologie soll eine neue Generation von Bioinstrumenten für die medizinische und biologische Diagnostik entstehen, mit der in der Größenordnung einzelner Moleküle operiert werden kann. Analysesysteme mit Supercomputer-Leistung für biologische Moleküle sollen damit direkt in Computer eingebettet werden und in praktisch jedem Labor oder jeder Arztpraxis verfügbar sein. Mehrere Chiphersteller, darunter Infineon, Motorola und Philips, haben sich in der jüngsten Zeit an diesem Problem versucht, jedoch noch keine serienreifen Produkte hervorgebracht. Andrew Berlin, Intels Biotech-Forschungsleiter, gibt sich aber selbstbewusst: "Wir haben in den letzten Jahren rund zwei Dutzend der besten Biotech-Experten angeheuert. Wenn in diesem Bereich jemand einen Durchbruch schafft, dann sind wir es."

Ein zweiter Bereich sind quasi-autonome Sensornetze. Aus einer ARM-CPU mit dem in Berkeley entwickelten Embedded-Betriebssystem TinyOS und Bluetooth-Funk hat Intel einen Sensorknoten namens Mote geschaffen. Dieser soll beispielsweise bald in Wohnungen und Altersheimen für Alzheimer-Patienten getestet werden. Ein Netz aus Druck-, Bewegungs-, und Geräuschsensoren überwacht die häuslichen Aktivitäten. Dazu gehören auch orts- und kontextbewusste Sensoren, die anhand von Lageplänen, Karten und Topologien den eigenen Standort ermitteln können. Ganze Wolken von Umweltsensoren in Gebäudewänden, technischen Anlagen oder der Luft sollen künftig Messwerte aus Umweltschutzgebieten oder von gesundheitsgefährlichen Arbeitsplätzen selbstständig aufnehmen, auswerten und Auffälligkeiten melden.

Unter dem Oberbegriff Nano-Scale Vision erarbeitet ein Team von Berkeley-Forschern neue Verfahren für das maschinelle Sehen. Dabei werden verschwommene Bilder mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsmodellen gefiltert. Die Ergebnisse übertreffen die Fähigkeiten des menschlichen Auges, erklärte Forscher Yoram Gat.

Seit gut einem Jahr versucht Intel, seine Chiptechnik beim Bau von Robotern ins Spiel zu bringen. Eine eigene Robotik-Task-Force organisierte jüngst bereits Intels zweite Roboter-Konferenz und kooperiert mit Spezialanbietern wie iRobot und Acroname sowie Großanwendern aus dem Automobilsektor, die meist Eigenentwicklungen einsetzen. Roboter sind durch ihre Einzel- oder Kleinserienfertigung relativ teuer. Die Standardisierung auf eine gemeinsame Plattform von Basisbausteinen könnte die Konstruktion von Kleinrobotern deutlich verbilligen, verspricht Intel-Mann Jim Butler. So soll ein Robotermodul aus Intels Xscale-Prozessor, Flash-Memory und integrierter WLAN-Schnittstelle zwischen 50 und 75 US-Dollar kosten. (Erich Bonnert) / (jk)