Bitkom empfiehlt Patentierung von Open-Source-Software

Der Branchenverband hat einen Leitfaden zum Monopolschutz "computerimplementierter Erfindungen" veröffentlicht, der von Verfechtern freier Software als "ethisch fragwürdig" bezeichnet wird.

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Der Branchenverband Bitkom hat einen Leitfaden zur Patentierung "computerimplementierter Erfindungen" (PDF) veröffentlicht, der insbesondere auf die Interessen kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) eingehen will. Die Lobby-Organisation hat damit ein kontrovers diskutiertes Thema aufgegriffen. Einen Richtlinienvorschlag der EU-Kommission, für den sich der Bitkom stark gemacht hatte, beerdigte das EU-Parlament Anfang Juli. Mit dem 40-seitigen Papier will der Verband nun "auf Basis der einschlägigen Gesetze und Übereinkommen" sowie nach Maßgabe der Rechtsprechung Tipps zum Patentieren von softwarebezogenen Erfindungen geben und die "damit verbundenen Chancen und Risiken" beleuchten.

Gewerbliche Rechte zum Schutz geistigen Eigentums wie Patente, Urheberrecht, Marken, Geschmacksmuster oder "vertrauliches Know-how" spielen nach Ansicht des Bitkom in der modernen Wirtschaft "eine immer wichtigere Rolle". Mit ihnen ließen sich Investitionen absichern und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen steigern. Gerade der Mittelstand sei dabei "ein wichtiger Motor für Innovation" und melde immer mehr Patente an. Dies sei für KMU gerade im Softwarebereich wichtig, da diese im Gegensatz zu Konzernen mit Applikationen für einzelne Systemplattformen und Speziallösungen Geld verdienen würden. "Starke Patente" sollen beim Mittelstand laut Bitkom nun die Gefahr reduzieren, dass eigene Erfindungen bei einem gewissen Umsatzerfolg umgangen und die Betroffenen "aus dem Geschäft gedrängt werden". Gleichzeitig seien Marktbarrieren durch Softwarepatente nicht zu fürchten, da IT-Unternehmen im Interesse eines weit gehenden Austauschs technischer Neuerungen "eine offene Lizenzpolitik bevorzugen" würden. Dass großen wie kleinen Konzernen im Softwarebereich eine wachsende Zahl so genannter "Patent-Trolle" zu schaffen macht, erwähnt der Leitfaden nicht.

Keine Unvereinbarkeiten sieht der Bitkom bei Patenten und Open-Source-Software. Die Welt des frei verfügbaren Quellcodes unterscheide sich zwar in den urheberrechtliche Nutzungsbedingungen von der proprietären, geheim gehaltenen Variante. Im Bezug auf das Patentrecht bestünde aber "grundsätzlich kein Unterschied zu proprietärer Software." Computerprogramme "als solche, also ohne Erfindung und ohne technischen Beitrag", seien nicht nach deutschem und auch nicht nach europäischem Patentrecht patentierbar. Wenn Open-Source-Software aber technische Erfindungen umsetze, könnten auch dafür Patente erworben werden. Dies hätte den Vorteil, dass sie mit zur "Sicherung des Geschäftsmodells von Open Source eingesetzt werden können". Vorstellbar sei eine freie Lizenzierung für andere frei verfügbare Anwendungen, während proprietäre Anwendungen kommerziell lizenziert würden.

Die Anregungen des Bitkoms stoßen bei der Free Software Foundation Europe (FSFE) auf Ablehnung. So hält der Vereinssprecher Joachim Jakobs die Empfehlung für "ethisch höchst fragwürdig". Man könne nicht jemand zunächst ein Werkzeug mit dem Hinweis an die Hand geben, dass es frei zu nutzen sei, nur um die Freiheit gleich wieder einzuschränken. "Der Bitkom ist auf dem Holzweg", konstatiert Jakobs. "Wem die Freiheit wichtig ist, der wird freie Software nicht patentieren", lautet sein Appell. Der Verband rede zudem anscheinend bewusst allein von "Open Source" und nicht von freier Software, weil er der Freiheit keinen Wert beimesse. Einige Open-Source-Firmen würden zwar bereits einzelne Softwarepatente halten, erläutert Jakobs, diese seien aber rein zur Selbstverteidigung gedacht. Der Vorschlag des Bitkom sei dagegen ähnlich prekär, wie wenn sich jemand freie Software markenrechtlich schützen lasse und dann einem Service-Anbieter erkläre, dass er sie nicht mehr unter gleichem Namen implementieren dürfe.

Allgemein weist die Broschüre noch darauf hin, dass der für die Patentierung einer "computerimplementierten Erfindung" erforderliche "technische Effekt" etwa in der Steuerung von Geräten oder industriellen Prozessen, aber auch in der Kontrolle von Abläufen in einem Computersystem wie bei einer mehrstufigen Speichereinheit liegen könne. Auch Software, mit der eine schnellere Bildverarbeitung erreicht oder weniger Speicherplatz benötigt werde, sei genauso schützenswert wie solche, die einen Rechner leichter bedienbar mache, Daten besser komprimiere oder neue Funktionalitäten beziehungsweise Qualitäten mit sich bringen. Die Kosten für ein in den fünf wichtigsten Vertragsstaaten wirksames europäisches Patent beziffert der Bitkom auf 20.000 Euro. Für einen Einspruch beim Europäischen Patentamt innerhalb der neunmonatigen Frist nach Veröffentlichung seien gut 6610 Euro zu berappen. Das Kostenrisiko bei späteren Nichtigkeitsklagen könnten sich bei einem angenommenen Streitwert von 500.000 Euro auf 30.000 bis 50.000 Euro belaufen. (Stefan Krempl) / (anw)