"Verlust digitaler Souveränität": Bitkom fordert mehr Rechenzentren

In Deutschland werden zu wenige neue Rechenzentren gebaut, meint der Branchenverband Bitkom. Die Umweltlasten seien dank grünen Stroms vergleichsweise gering.

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Equinix-Rechenzentren im Osten Frankfurts

Blick über Equinix-Rechenzentren im Osten Frankfurts

(Bild: c’t Magazin)

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Deutschland fällt bei Rechenzentren zurück. „In den USA werden jedes Jahr zwei- bis dreimal so viele Kapazitäten neu zugebaut, wie in Deutschland überhaupt installiert sind", erklärt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder.

Die Kapazität der Rechenzentren in Deutschland wächst langsamer als der Bedarf. Deshalb sind hiesige Firmen und Behörden laut Bitkom gezwungen, Cloud-Kapazität in anderen Ländern zu buchen: ein schleichender Verlust digitaler Souveränität.

Aktuell verfügen die Rechenzentren hierzulande über eine IT-Anschlussleistung von 2,7 Gigawatt, im Jahr 2030 werden es voraussichtlich 4,8 Gigawatt sein. Demgegenüber verfügen die Vereinigten Staaten mit aktuell 48 Gigawatt (GW) und im Jahr 2030 rund 95 GW über etwa zwanzigmal mehr Kapazitäten als Deutschland.

Gleichzeitig wächst die Nachfrage rasant. Der größte europäische Internetknoten DE-CIX meldet beispielsweise einen neuen Durchsatzrekord von mehr als 18 Terabit pro Sekunde.

Frankfurt bleibt mit Abstand wichtigster deutscher Standort für Rechenzentren und wird weiter stark wachsen.

(Bild: Bitkom)

Vor allem große Cloud- und Hyperscale-Rechenzentren mit mehr als 5 Megawatt (MW) legen zu, auf sie entfallen hierzulande schon 48 Prozent der gesamten Kapazität – obwohl es nur rund 100 davon gibt. Etwa 2000 weitere Rechenzentren bieten jeweils Fläche, Stromversorgung und Kühlsysteme für Server-Racks mit insgesamt zwischen 100 Kilowatt und 5 MW.

Der DE-CIX steht nicht zufällig in Frankfurt, verteilt auf mehrere Rechenzentren unterschiedlicher Betreiber. Denn Frankfurt bleibt die wichtigste deutsche Region für Rechenzentren: Hier stehen 1,05 Gigawatt Anschlussleistung für Server, Netzwerk- und Speichertechnik (Storage) bereit, also rund 38 Prozent der gesamten deutschen Kapazität. Die soll in den kommenden Jahren auf das 2,7-Fache wachsen, laut der vom Borderstep Institut für den Bitkom durchgeführten Studie sind rund 1,8 GW in Planung. Die Region Berlin holt stark auf.

Innerhalb Europas stehen in Deutschland die größten Kapazitäten, auf Rang zwei liegt Irland mit rund 2,3 GW. Wichtig sind außer Frankfurt vor allem noch London, Amsterdam, Paris und Dublin (FLAPD).

Laut Borderstep Institut werden die deutschen Rechenzentren in diesem Jahr 2024 rund 20 Milliarden Kilowattstunden (20 TWh) elektrische Energie verschlingen, das sind 0,69 Prozent der in Deutschland insgesamt verbrauchten Energie. Bezogen nur auf den hiesigen Stromverbrauch von insgesamt rund 520 TWh sind es immerhin rund 3,8 Prozent.

Rechenleistung und Stromverbrauch von Rechenzentren steigen zwar, aber die CO2-Emissionen sinken dank grüne(re)m Strom und wachsender Effizienz.

(Bild: Bitkom)

Die Mehrzahl der Rechenzentren bezieht grünen Strom beziehungsweise kauft Zertifikate dafür: 66 Prozent sind bilanziell klimaneutral. Bis 2030 dürften 80 Prozent des Energiebedarfs von Rechenzentren aus erneuerbaren Energien gedeckt sein. Mit 6,5 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent entfallen derzeit rund 1 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen in Deutschland auf Rechenzentren. 2030 sollen es trotz einer Vervielfachung der Kapazität noch 4,5 Millionen Tonnen sein.

Der Bitkom kritisiert die hohen Stromkosten in Deutschland als Standortnachteil etwa im Vergleich zu Frankreich, lobt aber die sehr gute Versorgungssicherheit.

Viele Rechenzentren nutzen bereits die Abwärme ihrer Server, aber nur 7 Prozent in größerem Umfang von mehr als 50 Prozent. 45 Prozent planen die Abwärmenutzung bei künftigen Projekten, was das Energieeffizienzgesetz unter gewissen Bedingungen auch erzwingt. Der Bitkom verlangt vom Gesetzgeber eine Verbesserung der Randbedingungen. 69 Prozent von 51 befragten Experten aus Rechenzentren antworteten, es gebe vor allem keine Abnehmer für ihre Abwärme.

In rund 44 Prozent der Rechenzentren laufen bereits KI-Anwendungen, meistens aber nur in kleinem Umfang. Nur in 15 Prozent der Datenzentren belegt KI einen größeren Anteil der Kapazität.

Der Bitkom erwartet aber starkes Wachstum von KI-Anwendungen. Unter anderem baut Microsoft sehr große Rechenzentren im Rheinischen Revier, zudem gibt es Planungen für 100-MW-Rechenzentren etwa in Berlin und Hanau.

(ciw)