Bolidenbeobachtung – flüchtige Himmelserscheinungen mit Aussagekraft

Bei der Konferenz der Planetenforscher ESPC 2020 wird die Beobachtung von Boliden und Kometen besprochen. Manche kommen von jenseits der Eislinie.

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EPSC 2020: Meteore und Kometen – Flüchtige Himmelserscheinungen mit Aussagekraft

Die Amateurastronomen der AAE widmen sich ebenfalls der Bolidenbeobachtung

(Bild: https://www.aaeivissa.com/portfolio/bolidos/)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Von den 40.000 Tonnen außerirdischer Materie, die jährlich auf die Erde stürzen, verglüht der größte Teil in der Atmosphäre und erscheint dem Beobachter am Boden als kurz aufblitzende Sternschnuppe – wenn er im richtigen Moment in die richtige Richtung schaut. Nur die größeren, als Boliden oder Superboliden bezeichneten Brocken, die nach Zentimetern und Metern gemessen werden, ziehen eine Leuchtspur, die mehrere Sekunden anhalten und dabei heller als der Vollmond strahlen kann. Und manchmal bleibt nach diesem flammenden Flug noch etwas übrig, was sich aufsammeln lässt. Insgesamt seien das drei Prozent der Gesamtmasse, erklärt Eloy Peña-Asensio vom Katalonischen Institut für Weltraumforschung IEEC in Barcelona jetzt bei der Konferenz der Planetenforscher EPSC 2020.

Bei der Suche nach diesen bei Astronomen begehrten Fundstücken hilft seit 1997 das Spanish Meteor Network (SPMN). Es besteht mittlerweile aus 30 Stationen, die mit hoch auflösenden Kameras ständig den gesamten Himmel beobachten. Am 4. Januar 2004 gelang damit die Beobachtung eines Superboliden, von dem später auch Bruchstücke gefunden wurden – zum ersten Mal auf spanischem Boden seit 1947.

Es geht aber nicht allein ums Einsammeln der Meteorite. Bereits der leuchtende Streifen am Himmel bietet viele Informationen über die Eigenschaften des Objekts und erlaubt Rückschlüsse auf seine Herkunft. Peña-Asensio verdeutlicht das an der Beobachtung des Superboliden SPMN160819, der am 16. August 2019 die iberische Halbinsel und Teile des Mittelmeers überquerte. Für das SPMN-Observatorium in Elvissa auf der Insel Ibiza war das Ereignis fast 500 Kilometer entfernt und damit gerade noch sichtbar. Die Daten konnten aber durch zufällig erfolgte Aufzeichnungen, etwa die eines Autofahrers auf Sardinien oder Aufnahmen von der Costa Brava, ergänzt werden. In Südfrankreich bereicherte der Meteor ein gerade stattfindendes Feuerwerk.

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Bei der Integration dieser unterschiedlichen Beobachtungsdaten bewährte sich die von Peña-Asensio maßgeblich mit entwickelte Software 3D-FireTOC (3D Fireball Trajectory and Orbital Calculator). Damit war es möglich, physische Parameter des Gesteinsbrockens zu rekonstruieren: Demnach wurde SPMN160819 während seines beobachtbaren Flugs durch die Erdatmosphäre von 16,6 km/s auf 11,8 km/s abgebremst. Dabei verlor der gut einen Meter durchmessende Meteor den größten Teil seiner auf 1100 kg geschätzten Masse. Gut ein Kilogramm dürfte davon übrig geblieben sein, so Peña-Asensio, sei aber höchstwahrscheinlich im Mittelmeer versunken.

Auch der Orbit, auf dem sich SPMN160819 vor seiner selbstzerstörerischen Begegnung mit der Erde bewegt hat, konnte genauer bestimmt werden. Demnach kreiste er auf einer relativ exzentrischen Bahn (e = 0,367) um die Sonne, die ihn am fernsten Punkt fast eineinhalb Mal (1,46 AU) so weit von ihr entfernte wie die Erde. Solche Berechnungen können helfen, den Asteroiden oder Kometen zu identifizieren, von dem der Brocken stammen könnte.

Die Herkunft eines anderen kosmischen Besuchers zu ermitteln, der nur vierzehn Tage nach SPMN160819 am 30. August 2019 von dem russischen Amateurastronomen Gennadi Wladimirowitsch Borissow entdeckt wurde, dürfte schwieriger werden. Denn der nach seinem Entdecker 2I/Borisov genannte Komet bewegte sich auf einer Bahn, deren numerische Exzentrizität von 3,4 auf einen interstellaren Ursprung außerhalb unseres Sonnensystems verweist, wie Ze-Xi Xing (University of Hongkong) erläutert. Aber während der Superbolide über dem Mittelmeer nur für wenige Sekunden aufleuchtete, konnte 2I/Borisov immerhin über mehrere Monate beobachtet werden. Die Weltraumobservatorien Hubble und Swift erlaubten dabei auch Beobachtungen im ultravioletten Bereich des Spektrums, während der Komet seine größte Nähe zur Sonne erreichte.

Es habe sich gezeigt, dass der während der Annäherung an die Sonne erfolgte Ausstoß von Wasser dem von Kometen aus dem Sonnensystem entsprochen habe, sagt Xing. Allerdings, fügt sie hinzu, sei die Aktivität danach ungewöhnlich schnell wieder abgeklungen. Auch sei der auf mehr als 55 Prozent an der Gesamtoberfläche geschätzte Anteil der aktiven Regionen größer als bei solaren Kometen. Bemerkenswert sei zudem der hohe Anteil von Kohlenmonoxid im Verhältnis zu Wasser: Auf 2I/Borisov wurde er auf 130 bis 155 Prozent bestimmt, während er bei solaren Kometen durchschnittlich bei vier Prozent liege.

Das, so Xing, gebe einige Hinweise auf den Ursprung des interstellaren Besuchers. Zum einen müsse er in einer Region jenseits der Eislinie entstanden sein, an der Kohlenmonoxid-Moleküle gefrieren. Zum anderen muss es sich um ein Planetensystem handeln, das sich chemisch erheblich von unserem unterscheidet und außerdem "dynamische Interaktionen" der dort kreisenden Himmelskörper erlebt hat, die die üblicherweise in größerer Nähe zum Stern sich bildenden Planetesimale in die ferne Region jenseits der Kohlenmonoxid-Eislinie geschleudert haben. Sofern 2I/Borisov ein typischer Vertreter seines ursprünglichen Planetensystems sei, deuteten diese Beobachtungen darauf hin, dass er von einem Roten Zwerg stamme. Bevor keine weiteren interstellaren Kometen untersucht werden konnten, seien diese Schlussfolgerungen aber sehr vorläufig.

(kbe)