Brainshare: Vom Linux-Basar zum Open-Source-Marktplatz

Wenn man schon nicht die Nummer 1 unter den Linux-Firmen ist, will man bei Novell wenigstens die Nummer 1 sein im weltumspannenden Netz der Open-Source-Entwickler als Firma, die die Community besser unterstützt als alle anderen.

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Von
  • Jürgen Kuri

In einer Stadt, in der sich gerade Regen, Schneeregen und Schnee laufend abwechseln, mag schon der kleinste Sonnenschein als Durchbruch gefeiert werden. So ähnlich ergeht es Novell, das im nassen Salt Lake City seine Brainshare ausrichtet. Mit 6000 Teilnehmern aus 50 Ländern feiert die Brainshare 2006 bei leicht rückläufigen Besucherzahlen immerhin einen Rekord, was die internationale Beteiligung anbelangt. Für den Rekord sorgen die Europäer, weil Novell die Brainshare Europe ersatzlos gestrichen hat. Dennoch ist die Stimmung gut, weil Novell nach vier Jahren mühevoller Umstrukturierungen dabei ist, sich wieder zu den "Stars" zu zählen. Nicht umsonst hat man den Song "Stars" von Switchfoot zum Messesong erwählt, der Keynotes und Eröffnungen begleitet – auch wenn der Text mit "Maybe I've been the problem, maybe I'm the one to blame" eher von der bewölkten Vergangenheit denn von der sonnigen Zukunft erzählt, in der Rekorde purzeln sollen.

Einen weiteren Rekord würde Novell, das bis zum Januar 600 Mitarbeiter entlassen musste, nur zu gerne verkünden. Doch die Nummer 1 im Linux-Sektor ist Red Hat. Den zweiten Platz will man damit wettmachen, die Nummer 1 zu sein im weltumspannenden Netz der Open-Source-Entwickler als Firma, die die Community besser unterstützt als alle anderen: "Novell will den Geek-Faktor ausspielen", erklärte Novell-Chef Jack Messman in der örtlichen Presse. Entsprechend werden auch die eigenen Programmiererteams in Szene gesetzt, die den Linux-Desktop wohnlich machen oder mit AppArmor eine Art Anwendungs-Firewall entwickelt haben. Auf dem abendlichen "Get-together" setzt sich Entwicklungschef Jeff Jaffe demonstrativ an den AppArmor-Stand und lässt sich die Bedienung des Programmes erklären. Es arbeitet mit Access Control Lists auf Anwendungsebene und sperrt alle Anwendungen, die sich ungewöhnlich verhalten. Ein ungewöhnliches Verhalten für einen klassischen Novell-CTO, eine normale Handlung für Jaffe, der Novell erklärtermaßen zu einer "Innovation Engine" umbauen will.

Doch viele aufregende Entwicklungen werden außerhalb von Novell gemacht. Dementsprechend hat Novell nun sein Market Start Program erweitert, das seit einem Jahr Open-Source-Firmen mit dem Netz der Novell Trainingspartner kurzschließen soll. Weltweit 900 Firmen sind als Trainingspartner bei Novell akkreditiert. Zum Start setzte dieses Programm eher auf die etablierten Firmen wie den Datenbanklieferanten MySQL AB. Nun will man junge Firmen fördern: Mit Alfresco (Content Management System), Black Duck Software (Lizenzkontrolle), EnterpriseDB (Datenbank), Novacast (Telefonieintegration) und SpikeSource (Software-Tester) hat Novell sich genau die Firmen ausgesucht, die als heiße Tipps auf den Open Source-Konferenzen gehandelt werden. Die jungen Firmen freut es, auf dem Marktplatz einen Stand zu haben.

Für jeden dieser Newcomer will Novell ein "Partner Education Kit" entwickeln, das die Trainingspartner beziehen können. Die Palette reicht vom interaktiven Lernprogramm bis zu den üblichen Präsentationsfolien und Webinaren. Die Idee dabei ist, dass sich jeder Partner darüber informieren kann, was es an neuen Anwendungen in der Open Source gibt. Umgekehrt soll jeder Partner seine eigenen Kunden mit den neuen Sachen vertraut machen: Nicht jede Firma hat Zeit, sich auf dem Basar der Kongresse und Konferenzen zu tummeln, wo neue Ideen oder gar die Stars von morgen vorgestellt werden. Ob sich das "Market Start Program" für Novell selbst auszahlt und die Firma in der öffentlichen Wahrnehmung zur Nummer 1 bei den Innovationen macht, wird die Zukunft zeigen müssen. Auch eine Innovation Engine muss erst einmal zum Laufen gebracht werden.

Zu Novells Brainshare 2006 siehe auch: (jk)