Brandbrief aus Kiel an den Bund: Digitalisierung der Verwaltung "auf der Kippe"

Schleswig-Holstein und Bayern gehen auf die Barrikaden: Der Bund halte seine Zusagen zur Finanzierung von Digitalprojekten nicht ein und gefährde die Umsetzung.

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(Bild: Stokkete/Shutterstock.com)

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Die Landesregierungen von Schleswig-Holstein und Bayern fordern von der Bundesregierung dringend die Verlängerung von Finanzmitteln für Digitalisierungsprojekte. "Das gesamte Projekt der Digitalisierung der deutschen Verwaltung steht nunmehr auf der Kippe", warnt der Chef der Kieler Staatskanzlei, Dirk Schrödter, in einem Schreiben an den Chef des Bundeskanzleramts, Wolfgang Schmidt.

Ähnliche Kritik kommt aus Bayern. "Trotz wiederholter Versprechen hat sich der Bund noch nicht zur weiteren Finanzierung der EfA-Projekte bekannt", sagte ein Sprecher des bayerischen Staatsministeriums für Digitales gegenüber c't. Sollten die Mittel "wider mündliche Zusagen" doch nicht zur Verfügung stehen, sei der Abschluss laufender Projekte in Gefahr. "EfA" steht für das "Einer-für-Alle-Prinzip", nach dem Bundesländer neue Onlinedienste voneinander übernehmen, statt aufwendig alles selbst zu entwickeln.

Bei dem Streit geht es um rund 1,4 Milliarden Euro aus dem Corona-Konjunkturpaket. Die Summe stellt der Bund den Ländern seit 2021 für Digitalisierungsprojekte im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) zur Verfügung. Doch das gilt nur bis Ende 2022. Für 2023 sind nach Angaben der Bundesregierung für die OZG-Umsetzung nur noch 382 Millionen Euro eingeplant.

Das Online-Zugangsgesetz verpflichtet Bund und Länder eigentlich, ihre Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 zu digitalisieren. Dabei geht es um knapp 600 Leistungen – von Parkausweisen über Wohnsitzummeldungen bis zu Firmengründungen. Doch bereits jetzt ist klar, dass bis Jahresende nur ein Bruchteil der Verfahren bundesweit online sein wird.

Laut dem Brandbrief aus Kiel, der c't vorliegt, sollen aber viele Projekte zumindest 2023 fertig werden, vorausgesetzt, dass der Bund seine Finanzierung entsprechend verlängert. "Für alle Umsetzungsprojekte sind Verträge mit Dienstleistern geschlossen, die Programmierarbeiten laufen und mehr und mehr gehen diese neuen Dienste online", berichtet Schrödter. Die Mittel müssten deshalb mindestens bis Mitte 2023 verlängert werden.

Die Verantwortung dafür, dass viele Digitalprojekte nicht rechtzeitig fertig werden, sieht Schleswig-Holstein auch bei der Bundesregierung. "Der Bund hat nahezu ein Jahr gebraucht, um die vertraglichen Grundlagen für die Bereitstellung der Mittel zu schaffen", kritisiert Schrödter in seinem Brief. Schleswig-Holstein habe "sofort nach Bereitstellung" mit der Umsetzung begonnen.

Schleswig-Holstein und Bayern stehen mit ihren Forderungen nicht allein. "Es gibt Grund zur Sorge", sagte ein Digitalpolitiker aus einem weiteren Bundesland gegenüber c't.Die Verlängerung der Bundesmittel sei "kein Selbstläufer". [Update, 13.10., 9:00] Darüber hinaus teilte das niedersächsische Innenministerium mit, dass man die Position Schleswig-Holsteins grundsätzlich teile. Innenminister Boris Pistorius habe bereits Ende September bei Bundeskanzleramt und für eine längere Verfügbarkeit der Bundesmittel geworben. [\Update]

[Update, 13.10., 14:00] Das Bundesinnenministerium (BMI) antwortete auf Anfrage von c't, "dass die Verzögerungen in den föderalen Umsetzungsprojekten der Länder wohl ein Ausmaß erreichen, das die Höhe der zusätzlich vorgesehenen Haushaltsmittel übersteigen wird".

Der Bund habe die Absicht, sein Engagement bis Ende 2023 fortzusetzen, "soweit der Bundeshaushaltsplan 2023 dafür Haushaltsmittel vorsieht". Zur Höhe könne man keine verbindlichen Aussagen treffen, da das parlamentarische Verfahren nicht abgeschlossen sei.

Die Aussage aus Schleswig-Holstein, dass der Bund nahezu ein Jahr gebraucht habe, um die vertraglichen Grundlagen für die Bereitstellung der EfA-Mittel zu schaffen, wies das BMI zurück. Das Verwaltungsabkommen zur Verwendung der Mittel sei von Bund und Ländern gemeinsam geschlossen worden. [\Update]

(cwo)