Brasilien: Milliardenschwerer Investitionsplan für künstliche Intelligenz

Brasiliens Regierung hat einen KI-Investitionsplan vorgestellt. Der betont die nationale Souveränität und könnte so Interessen der Tech-Konzerne zuwiderlaufen.

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(Bild: incrediblephoto / Shutterstock.com)

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Von
  • Andreas Knobloch

Brasiliens Investitionsplan für künstliche Intelligenz (kurz: PBIA) könnte die Interessen der sogenannten "Big Techs" verletzen. Das sagte die brasilianische Ministerin für Wissenschaft und Technologie, Luciana Santos, am Wochenende gegenüber der brasilianischen Tageszeitung O Estado de S. Paulo. Obwohl man die nationale Souveränität verteidige, sei Brasilien aber offen für einen Dialog und eine Zusammenarbeit mit den Technologieunternehmen, so die Ministerin.

Die brasilianische Regierung hat in der vergangenen Woche den Investitionsplan für künstliche Intelligenz (KI) in Höhe von 23 Milliarden Reais (3,7 Milliarden Euro) bei der Eröffnung der 5. Nationalen Konferenz für Wissenschaft, Technologie und Innovation (5CNCTI) in Brasilia vorgestellt. Der Investitionsplan (PDF) soll die ethische und nachhaltige Entwicklung und Anwendung der KI in Brasilien leiten. Er umfasst Leitlinien für Forschung und Entwicklung bis hin zur Regelung von Praktiken, die die Sicherheit und den Schutz der Privatsphäre der Bürger gewährleisten. Unter anderem sieht er den Kauf eines der fünf leistungsstärksten Supercomputer der Welt vor. Die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas möchte technologische Autonomie und Wettbewerbsfähigkeit im KI-Sektor erreichen und strebt "nationale Souveränität" an, anstatt sich auf importierte KI-Tools aus anderen Ländern zu verlassen.

"In dem Maße, in dem wir von Souveränität und Autonomie ausgehen, schadet dies den Interessen der großen Technologieunternehmen", sagte Santos in einem Exklusiv-Interview mit O Estado de S. Paulo. "Denn man wird nicht mehr von den Clouds großer Unternehmen abhängig sein, um Daten zu speichern, die uns gehören, die brasilianisch sind." Man werde keine nationalen Daten mehr in Clouds internationaler Unternehmen speichern, so die Ministerin. Die brasilianische Regierung hatte bereits bei der Ausarbeitung des Plans die Auswirkungen auf die Interessen der großen Technologiekonzerne angedeutet. Santos zufolge wurden während der Ausarbeitung des Plans Vertreter der großen Tech-Unternehmen zu Seminaren eingeladen.

Bei aller Betonung der brasilianischen Souveränität befürwortet die Ministerin die Zusammenarbeit mit den Tech-Konzernen. "Wir wollen die Zusammenarbeit, wir wollen eine gemeinsame Entwicklung, wir sind auch nicht verschlossen, im Gegenteil. Wir werden die internationale Zusammenarbeit brauchen", betonte sie. Vor allem fehlt es Brasilien bislang am nötigen technologischen Know-how. "Wir brauchen einen Halbleitertyp, der in Computerservern eingesetzt werden kann, um die gewünschte Speicherkapazität zu erreichen, und die Batterien, d. h. die Voraussetzungen für die Einrichtung eines Supercomputers, sind sehr wichtig", sagte Santos.

Brasiliens Investitionsplan sieht Mittel für KI-Initiativen in Bereichen wie öffentliche Gesundheit, Landwirtschaft, Umwelt, Wirtschaft und Bildung vor. Viele dieser Initiativen beinhalten die Entwicklung von KI-Systemen zur Erleichterung des Kundendienstes und anderer betrieblicher Abläufe. Der Vorschlag zielt darauf ab, Brasilien mit einer fortschrittlichen technologischen Infrastruktur mit hoher Verarbeitungskapazität auszustatten, die mit erneuerbaren Energien betrieben wird, einschließlich eines neuen Supercomputers. Außerdem sollen fortschrittliche Sprachmodelle in Portugiesisch entwickelt werden, die auf nationalen Daten beruhen und Brasiliens kulturelle, soziale und sprachliche Besonderheiten umfassen.

Die für den KI-Investitionsplan vorgesehenen 23 Milliarden Reais werden nach Angaben der brasilianischen Regierung zwischen 2024 und 2028 ausgezahlt. Fast 14 Milliarden Reais (2,2 Milliarden Euro) werden demnach in Projekte zur Unternehmensinnovation fließen, mehr als 5 Milliarden Reais (800 Millionen Euro) in die KI-Infrastruktur und -Entwicklung, hieß es. Die restlichen Mittel werden auf Ausbildungsinitiativen, Verbesserungen des öffentlichen Dienstes und Unterstützungsmaßnahmen für die KI-Regulierung sowie auf die sogenannten Initiativen mit unmittelbarer Wirkung aufgeteilt.

Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva bezeichnete den vorgeschlagenen Investitionsplan als "einen Meilenstein in der Geschichte unseres Landes". "Anstatt darauf zu warten, dass die KI aus China, den USA, Südkorea oder Japan kommt, warum nicht unsere eigene haben?" sagte er. "Unsere künstliche Intelligenz muss intelligent sein. Und wir müssen sie in eine Quelle der Beschäftigung für unser Land verwandeln und Millionen junger Menschen ausbilden, die auf diese Debatte vorbereitet sind", sagte er. "Brasilien muss lernen zu fliegen. Es kann nicht sein ganzes Leben lang abhängig sein, wir müssen mutig genug sein, um etwas zu bewegen".

(akn)