Britische Konservative wollen nationales ID-Card-Projekt kippen

Angesichts des zunehmenden innenpolitischen Drucks auf Premierminister Tony Blair rechnet die Konservative Partei offenbar mit einer baldigen Machtübernahme – und kündigte schon einmal an, das umstrittene nationale ID-Card-Projekt fallen lassen zu w

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 33 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Peter-Michael Ziegler

Die Fraktion der Konservativen im britischen Unterhaus hat die Regierung von Tony Blair aufgefordert, Ausstiegsklauseln mit Unternehmen zu vereinbaren, die am Aufbau des umstrittenen nationalen ID-Card-Projekts in Großbritannien beteiligt sind. Britischen Medien zufolge kündigte Schatteninnenminister David Davies in einem Schreiben an den Leiter des Cabinet Office, Gus O'Donnell, an, seine Partei werde das ID-Card-Projekt in der jetzigen Form fallen lassen, sollte man die Labour Party an der Regierung ablösen. Davies habe dabei an ein "Gentleman's Agreement" erinnert, wonach eine zur Ablösung anstehende britische Regierung der nachfolgenden keine Verpflichtungen vererbt, die ihr die Hände binden, hieß es.

Es sei für die Regierung eine Frage der finanziellen Sorgfalt und damit obligatorisch, darauf zu achten, dass für ein Vorhaben, bei dem große Chancen bestünden, dass dieses nicht umgesetzt wird, keine öffentlichen Gelder verschwendet und keine vertraglichen Verpflichtungen eingegangen werden, heißt es im Schreiben Davies'. "Ich würde gerne wissen, ob, und wenn ja welche Vorsorgen die Regierung getroffen hat, die Kostenrisiken im Fall eines frühzeitigen Scheitern des Projekts zu minimieren", führt der Innenpolitiker weiter aus. Davies rechnet trotz der Ankündigung Blairs, im September zurücktreten zu wollen, offenbar mit Neuwahlen nach einem Sturz des Premierministers, der derzeit nicht nur wegen angeblicher Vetternwirtschaft, sondern auch wegen möglicher Irreführung der Justiz immer stärker unter Druck gerät.

Die nationalen ID-Card-Pläne sind ein Prestigeobjekt des am längsten regierenden Labour-Premiers und seinem Kabinett: Bereits im Jahr 2004 hatte die Regierung den ersten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von digitalen Personaldokumenten in Großbritannien und zum Aufbau eines nationalen Melderegisters vorgelegt. Allerdings konnte das damalige Identity Cards Bill den Gesetzgebungsprozess bis zu den Unterhauswahlen im Jahr 2005 nicht vollständig durchlaufen und wurde deshalb auf Eis gelegt. Nachdem die Labour Party bei den Wahlen im Mai aber trotz lediglich 35 Prozent der Stimmen wieder die absolute Mehrheit der Sitze erringen konnte, wurde das Gesetz im Juni 2005 erneut eingebracht und mit knapper Mehrheit vom Unterhaus verabschiedet.

In den Ausschüssen des House of Lords fiel das Gesetz anschließend jedoch insgesamt 12-mal durch, und es mussten immer wieder Änderungen und Ergänzungen vorgenommen werden, darunter die Verpflichtung, die jährlichen Kosten des Programms zu publizieren. Mit Inkrafttreten des Identity Cards Act 2006 (PDF-Datei) im vergangenen Jahr erhielt die britische Regierung dann aber das Recht, digitale Personaldokumente mit biometrischen Informationen der Inhaber stufenweise im Königreich einzuführen. Zunächst sollen elektronische Reisepässe und digitale Führerscheine ausgegeben werden.

Die eigentliche ID-Card-Einführung in Großbritannien ist für das Jahr 2008 vorgesehen. Die für britische Bürger zunächst auf freiwilliger Basis ausgegebenen Plastikkarten sollen zehn Jahre gültig und mit einem Chip versehen sein, auf dem digitalisierte Informationen zu individuellen Körpermerkmalen (Gesicht, Fingerabdrücke, Iris) der Ausweisinhaber abgelegt werden können. Elektronische Reisepässe sollen bei Neuanträgen hingegen schon ab 2008 verpflichtend sein. Ausländer, die in Großbritannien leben wollen, werden ab 2008 in einer nationalen Datenbank geführt und erhalten eine elektronische Aufenthaltsbescheinigung. Die Kosten für das IT-Projekt sollen sich Regierungsangaben zufolge auf 6 Milliarden Pfund (9 Milliarden Euro) belaufen. (pmz)