Britische Regierung will WhatsApp & Co. vorerst nicht zur Chatkontrolle zwingen

London will IT-Anbieter nicht zwingen, Inhalte in deren Plattformen zu kontrollieren, wenn das nicht möglich ist. Das könnte die Verschlüsselung retten.

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Frauenhände an Smartphone

(Bild: Gorodenkoff/Shutterstock.com)

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Die britische Regierung macht den zahlreichen Kritikern einer dort geplanten Chatkontrolle ein entscheidendes Zugeständnis und hat angekündigt, dass von einer diesbezüglichen Kompetenz vorerst kein Gebrauch gemacht werden soll. Messenger wie WhatsApp und Signal sollen darüber verschickte Inhalte nur nach gesetzeswidrigen Inhalten durchsuchen müssen, wenn das "technisch möglich" ist. Das berichtet die Financial Times unter Berufung auf einen Staatssekretär aus dem Kultusministerium. Meredith Whittaker von Signal spricht von einem Sieg, der nicht unbedingt zu erwarten gewesen sei. Gleichzeitig gesteht sie ein, dass es sich nicht um einen kompletten Sieg handle, immerhin soll der geplante Gesetzestext nicht geändert werden. Trotzdem sei die Entscheidung "sehr groß und sehr gut".

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Die für die Umsetzung der Überwachungsvorgabe zuständige Medienaufsichtsbehörde Ofcom werde angewiesen, Unternehmen nur zur Kontrolle von Inhalten anzuhalten, wenn die dafür nötige Technik existiert, zitiert die Zeitung das Statement der Regierung. Außerdem müsse solche Technik einen Minimalstandard bezüglich der Trefferquote bei der Suche nach Darstellungen von Kindesmissbrauch einhalten und nur solche finden. Vor allem für Ende-zu-Ende verschlüsselte Inhalte wie die Nachrichten, die über WhatsApp, Signal oder viele andere Messenger verschickt werden, dürfte solche Technik nicht umsetzbar sein. Vorstellbar wäre lediglich eine Überwachung der Inhalte direkt auf den Endgeräten, im Prinzip wäre dort eine Spyware der Regierung nötig.

Wegen der umstrittenen Vorgabe in der "Online Safety Bill" hatten Signal und WhatsApp im Frühjahr angekündigt, sich notfalls ganz aus Großbritannien zurückziehen zu wollen. Damit hatten sie den Druck auf die regierende Konservative Partei erhöht. Von den Messengern hatte es geheißen, dass man die Sicherheit und den Datenschutz der eigenen Nutzer und Nutzerinnen nicht opfern würde. Der Konkurrent Threema sollte dagegen weiter verfügbar bleiben, die Vorgabe wollten die Betreiber aus der Schweiz aber ebenfalls nicht umsetzen. Dass die Vorgabe nun nicht durchgesetzt werden soll, ist ein wichtiger Etappensieg für die Gegner vergleichbarer Pläne, die zurzeit trotz heftiger Kritik unter anderem in der Europäischen Union vorangetrieben werden.

Während sich damit in Großbritannien eine Lösung für den monatelangen Streit abzeichnet, erreicht die Debatte über die EU-Chatkontrolle im EU-Parlament und im Ministerrat jetzt die heiße Phase. Auch deshalb haben jetzt 25 Verbände der IT-Industrie an die Gesetzgebungsgremien appelliert, Rechte der Bürger auf Privatsphäre und Vertraulichkeit der Kommunikation vor allem durch Verschlüsselung zu wahren und die besonders umkämpften Aufdeckungsanordnungen zur Chatkontrolle allenfalls als letztes Mittel einzusetzen. Sichere Verschlüsselung von Kommunikation sei von enormer Bedeutung und dürfe auch für den richtigen Kampf für Kinderschutz nicht aufgehebelt werden. Bisher nicht absehbar ist, welche Folgen die Kehrtwende in Großbritannien auf die EU-Debatte hat.

(mho)