Bürgerrechtler klagen gegen umstrittenes US-Copyright-Gesetz

Ein Gericht soll die Forschungsarbeiten des Studenten und Computerspezialisten Ben Edelman zu den URL-Blocklisten der Firma N2H2 für rechtmäßig und den Digital Millenium Copyright Act in Teilen für verfassungswidrig erklären.

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Von
  • Monika Ermert

Die American Civil Liberties Union (ACLU) startete jetzt einen neuen Anlauf gegen das umstrittenen US-Copyright-Gesetz Digital Millennium Copyright Act (DMCA). In einer am Donnerstag für den 22-jährigen Studenten und Computerspezialisten Ben Edelman eingereichten Klage soll das Gericht Edelmans Forschungsarbeiten zu den URL-Blocklisten der Firma N2H2 für rechtmäßig und den DMCA in Teilen für verfassungswidrig erklären. N2H2 ist einer der Marktführer für Filtersoftware in den USA mit einem Marktanteil von rund 40 Prozent.

Der DMCA verbietet unter anderem "die Umgehung technischer Maßnahmen", die den Zugang zu urheberrechtlich geschütztem Material ermöglicht. Genau das aber würde Edelman tun, wenn er die von N2H2 für seine Filterprogramme Bess und Sentian verschlüsselten und kontinuierlich aktualisierten Filterlisten knackt, um Art und Umfang der Filterlisten untersuchen zu können. Edelman war im vergangenen Jahr von der ACLU als Gutachter bei der erfolgreichen Klage gegen den verpflichtenden Einsatz von Filtersoftware in öffentlichen Bibliotheken (entsprechend dem Children's Internet Protection Act CIPA) in den USA tätig. Kernthese seines Gutachtens war, dass die Filtersoftware Tausende von Seiten zu Unrecht unzugänglich macht.

Nach Abschluss dieses Prozesses habe er weiter per Skript und Tests checken wollen, welche URLs N2H2 und andere Filtersoftware-Produkte blockieren, erklärt Edelman auf Anfrage von heise online. Für den CIPA-Prozess hatte Edelman, Fellow am Berkman Center for Internet & Society der Harvard Law School, aus Kapazitätsgründen nur eine halbe Million URLs getestet: "Ich habe schnell festgestellt, dass es für mein Hauptziel, die Zahl der zu Unrecht geblockten und der fälschlicherweise nicht geblockten Seiten festzustellen, ein Zugriff auf die Gesamtliste deutlich hilfreicher wäre", meint er nun.

Da N2H2 die Herausgabe zu Forschungszwecken verweigerte, will Edelman nun das Filterprogramm manipulieren, um ein Tool herstellen zu können, mit dem die URL-Liste entschlüsselt werden kann. Außerdem will er die ganze Filterliste publizieren und vor allem das geschaffene Tool für andere Nutzer zur Verfügung stellen. Weil er damit auf Grund der Lizenzbedingungen von N2H2, der US-amerikanischen Copyright-Bestimmungen und auf Grund des DMCA saftige Schadenersatzklagen gewärtigen muss, wollen Edelman und die ACLU nun vom Gericht eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit. Dabei wäre das Knacken der Liste allein möglicherweise durch eine Ausnahmeregelung im DMCA gedeckt, die Verteilung des Tools dagegen nicht.

Starkes Argument der Kläger ist die Tatsache, dass die vorwiegend an öffentlichen Einrichtungen eingesetzten N2H2-Filter den Zugang zu Inhalten unmöglich machen können, die nach dem First Amendment, dem weitgehenden Schutz der Meinungsfreiheit im ersten Zusatz zur US-Verfassung, geschützt sind: "Die Fähigkeit von Millionen von Schülern und Studenten, Bibliotheksleitern, Regierungsangestellten und anderen, über das Internet auf (verfassungsmäßig) geschützte Inhalte zuzugreifen, hängt von der Korrektheit der N2H2-Filterliste ab", heißt es in der Klage.

"Internet-Filterung verdient sicherlich dann eine ganz besondere Aufmerksamkeit", betont Edelman, "wenn der Akteur, der den Filter auswählt, konfiguriert und betreibt die Regierung ist und nicht ein privater Unternehmer, Arbeitgeber oder so. Daher erscheint es nur konsequent, mit einem Filterprogramm anzufangen, das stark von der Regierung genutzt wird -- und das ist nach allen verfügbaren Daten N2H2." Sofern er keine rechtlichen Konsequenzen zu befürchten habe, könne er sich auch vorstellen, ähnliche Tools für andere Filtersoftware zur Verfügung zu entwickeln. Noch aber ist die Musterklage nicht gewonnen.

Bisherigen Klagen gegen den DMCA, etwa die des Kryptoexperten Ed Felten, war kein Erfolg beschieden. Felten äußerte sich in einer ersten Reaktion gegenüber der US-Presse auch skeptisch, bekundete aber seine Symphatie. US-DMCA-Experten warnten ebenfalls vor allzu großen Hoffnungen auf eine schnelle Entscheidung für die Kläger. Dan Burk, Professor an der Universität von Minnesota, sagte gegenüber dem US-Journalisten Declan McCullagh, derzeit seien die US-Gerichte "First-Amendment"-Argumenten gegenüber kaum aufgeschlossen. Man müsse mit einem langen Prozess rechnen, der sich zunächst mit den Copyright- und Lizenzfragen befasse. In Europa fürchten derweil Beobachter, dass mit der Umsetzung der Richtlinie zum "Urheberrecht in der Informationsgesellschaft" (EG-Richtlinie 2001/29/EG) ein europäischer DMCA kommt. (Monika Ermert) / (jk)