Bürgerrechtler warnen vor Kriminalisierung von Parallelimporten

In einer neuen Fassung der geplanten EU-Richtlinie zur strafrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte (IPRED2) sollen Parallelimporte anders als vom EU-Parlament beschlossen nicht mehr ausgenommen werden.

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Von
  • Monika Ermert

Vertreter der Bürgerrechtsorganisationen Electronic Frontier Foundation (EFF) und des Fördervereins für eine Freie Infrastruktur e.V. (FFII) schlagen Alarm, die konsolidierte Fassung der geplanten neuen Richtlinie zur strafrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte (IPRED2) kriminalisiere nicht genehmigte Parallelimporte. Mit einer im April vom Europa-Parlament verabschiedeten Änderung waren Parallelimporte ursprünglich aus der Direktive herausgenommen worden. Doch in der vom juristischen Sprachdienst vorgelegten, bereinigten Fassung, taucht diese Änderung nicht mehr auf. Der Wille des Parlaments werde damit übergangen, warnt FFII in einer ausführlichen Analyse.

Das Parlament hatte während der ersten Lesung im April offenbar zwei nicht vereinbare oder sogar widersprüchliche Änderungsanträge angenommen. Einerseits beschloss es Änderungsantrag 15, der feststellt, die geplanten strafrechtlichen Maßnahmen sollten sich nicht auf Parallelimporte von Originalgütern erstrecken, die mit Zustimmung der Rechteinhaber außerhalb der EU vertrieben worden seien. Alle drei vorab mit dem Text befassten Ausschüsse, der federführende Rechtsausschuss (Juri), der Innenausschuss (LIBE) und der Wirtschaftsausschuss (ITRE) des Parlaments und schließlich das Plenum hatten diesem Ausschluss zugestimmt. Sie waren damit auch einer Empfehlung des Max-Planck-Instituts für Geistiges Eigentum, Steuerrecht gefolgt.

Andererseits stimmte das Parlament auch dem Änderungsantrag 38 zu. Der besagt etwas zweideutig, die Richtlinie erfasse Parallelimporte originaler Produkte aus Drittländern nicht, soweit diese vom Rechteinhaber genehmigt worden seien. Dass das Parlament beiden Anträgen zustimmte mag daran liegen, dass diese Bestimmung so gelesen werden kann, dass sich die "Erlaubnis der Rechteinhaber" auf den ursprünglichen Vertrieb im Drittland bezieht. Eine andere Lesart aber ist, dass der Re-Import in die Union beim Rechteinhaber anzumelden ist.

Diese Lesart hat sich nun offenbar der juristische Sprachdienst zu eigen gemacht, laut einer Mitarbeiterin des Schattenberichterstatters für die konservative Fraktion (EPP/ED) Hans-Peter Mayer in Absprache mit Berichterstatter Nicola Zingaretti und Mayer selbst. Rechteinhaber dürften jedoch kaum ein Interesse daran haben, dass Billigkonkurrenz ihrer Produkte aus dem Nicht-EU-Ausland auf den heimischen Markt kommt. Gerade im Medikamentenbereich, sagt Annette Kur, Expertin vom Max-Planck-Institut für geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht, seien Parallelimporte ein "nicht eben seltenes Phänomen".

Die ursprüngliche Empfehlung des Instituts zu den Parallelimporten hält sie für richtig. Rechteinhaber könnten ihre Interessen zivilrechtlich durchzusetzen versuchen. Eine strafrechtliche Ahndung sei aber überzogen. "Leute, die Parallelimporte vornehmen, sind keine Kriminellen", sagt die Juristin, die einen zunehmenden Automatismus bei der Verschärfung geistiger Eigentumsrechte beobachtet. "Wie auf Knopfdruck wird bei der Nennung Piraterie gleich das härteste Instrumentarium gefordert."

Im Büro des Abgeordneten Mayer kann man die Aufregung der Nicht-Regierungsorganisationen nicht verstehen. Die Anpassung sei notwendig gewesen und inhaltlich "logisch", sagt Mayers Assistentin. Es komme hin und wieder einmal vor, dass nicht übereinstimmende Änderungsanträge verabschiedet würden. Sprachdienst und beide Berichterstatter hätten sich aber abgesprochen, "da ist nichts hinter verschlossenen Türen gelaufen." Von einer Beschwerde durch ein Mitglied des Parlaments weiß sie nichts. Auch Parlamentssprecher Federico de Girolamo kann den Hinweis von Aktivisten auf eine Beschwerde gegen die Änderung im Text nicht bestätigen.

Bedenklich ist aus Sicht von EFF-Vertreter Erik Josefsson allerdings, dass offenbar auf eine zweite Lesung im Parlament verzichtet werden soll. Wie schon sein umstrittener Vorgänger, die IPRED1-Direktive, soll die Richtlinie im Trilog-Verfahren zwischen Rat, Parlament und Kommission vollendet werden. Damit verlöre das Plenum die Möglichkeit, sich nochmals mit den Veränderungen zu befassen und seinen Willen dazu kund zu tun. (Monika Ermert) / (vbr)