Bundesarbeitsgericht: Lieferdienst muss Fahrrad und Handy für "Rider" stellen​

Schlappe für Lieferando: Fahrer haben Anspruch auf ein Fahrrad und Smartphone als Arbeitsmittel – oder eine Entschädigung für die Nutzung eigener Geräte.​

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(Bild: Karl Allen Lugmayer/Shutterstock.com)

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Lieferdienste müssen ihren Fahrern, die für sie mit dem Fahrrad Speisen ausliefern, das Rad und auch ein Mobiltelefon als Arbeitsmittel zur Verfügung stellen. Das hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt am Mittwoch entschieden und damit ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Hessen vom März 2021 bestätigt. Lieferdienste können ihre Mitarbeiter damit nicht mehr in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen dazu verpflichten, eigene Räder und Smartphones zu nutzen. Abweichende vertragliche Regelungen sind aber unter bestimmten Bedingungen weiter möglich (Az.: 5 AZR 334/21 und 5 AZR 335/21)

Die Entscheidung geht zurück auf die Klagen zweier Lieferando-Mitarbeiter, die für die Auslieferungen ihre eigenen Gerätschaften nutzen. Die sogenannten Rider müssen einerseits ein Pfand für Ausrüstungsgegenstände wie Transportbox oder Kleidung hinterlegen, werden andererseits aber dazu verpflichtet, eigene verkehrstaugliche Fahrräder und Mobiltelefone zu nutzen. Die Einsatzpläne und Adressen erhielten die Fahrer in der App, was bis zu 2 GB Datenvolumen pro Monat fresse. Für die Fahrradnutzung erhielten sie eine Gutschrift von 0,25 Euro pro Arbeitsstunde für Fahrradreparaturen, einzulösen bei einem Vertragspartner des Arbeitgebers.

Während ein Rider nur ein Mobiltelefon mit einem angemessenen Datenvolumen forderte, geht es im zweiten Verfahre auch um ein zu stellendes Fahrrad. Das Arbeitsgericht Frankfurt hatte die Klagen zunächst abgewiesen, weil die Fahrer die Regelung zunächst stillschweigend geduldet hatten. In der nächsten Instanz entschied das Landesarbeitsgericht im März, dass die Regelung die Lieferfahrer unangemessen benachteilige. Betriebsmittel und deren Kosten seien nach der gesetzlichen Wertung vom Arbeitgeber zu stellen. Damit müsse der Lieferdienst Fahrrad und Smartphone zur Verfügung stellen.

Das Bundesarbeitsgericht hat die Berufung von Lieferando dagegen nun zurückgewiesen. Der Lieferdienst hatte geltend gemacht, die Rider würden ohnehin über ein Fahrrad und ein internetfähiges Mobiltelefon verfügen und durch deren berufliche Nutzung auch nicht erheblich belastet. Das sieht das Bundesarbeitsgericht wie die Vorinstanz anders: Angesichts des Verdienstes falle dieses "Vermögensopfer" schon ins Gewicht.

Die pauschal in den AGB vereinbarte Nutzung der privaten Gerätschaften sei nichtig, befand das Bundesarbeitsgericht. Die Klausel widerspreche "dem gesetzlichen Grundgedanken des Arbeitsverhältnisses", wonach Arbeitgeber die "wesentlichen Arbeitsmittel zu stellen und für deren Funktionsfähigkeit zu sorgen" hätten. Zwar kann die Nutzung von Fahrrad und Handy in einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung geregelt werden. Das geht aber nicht ohne eine angemessene Entschädigung etwa für fällige Reparaturen oder das verbrauchte Datenvolumen. Über solche Leistungen müssten Rider zudem "frei verfügen" können.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) begrüßte das Urteil. "Das ist ein starkes und wegweisendes Signal, um faire und gleiche Arbeitsbedingungen in der Branche herzustellen“, erklärte der stellvertretende NGG-Vorsitzende Freddy Adjan. "Bisher war es Praxis, dass viele Rider ihr eigenes Fahrrad und Mobiltelefon zum Ausliefern nutzen und eine Verschleißpauschale als Gutschein erhielten. Damit wurde der Stundenlohn, der mit 10 bis 11 Euro nur knapp über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt, unterlaufen."

(vbr)