Bundesgerichtshof hebt Urteile in Siemens-Schmiergeldprozess teilweise auf

Das Darmstädter Landgericht hatte zwei Angeklagte unter anderem wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr und Beihilfe dazu verurteilt. Zu Unrecht, befand jetzt der BGH. Auch der Siemens-Konzern kann sich als Gewinner sehen.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat die Urteile des Darmstädter Landgerichts im Prozess gegen einen früheren Manager der Siemens-Kraftwerkssparte und einen externen Berater des Unternehmens wegen Schmiergeldzahlungen an leitende Angestellte des italienischen Energiekonzerns Enel teilweise aufgehoben. Den Siemens-Manager hatten die Darmstädter Richter im Mai 2007 wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Untreue, und wegen eines weiteren Falls der Untreue zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Der Berater erhielt wegen Beihilfe zur Bestechung im geschäftlichen Verkehr in zwei Fällen eine Freiheitsstrafe von neun Monaten. Beide Freiheitsstrafen wurden zur Bewährung ausgesetzt. Die Siemens AG war zur Zahlung von 38 Millionen Euro verurteilt worden, weil sich das Unternehmen als Folge der widerrechtlichen Handlungen zwei Aufträge mit jeweils dreistelligem Millionenvolumen gesichert habe.

Weil aber die beiden Angeklagten, die Staatsanwaltschaft und auch die Siemens AG Revision eingelegt hatten, musste sich nun der BGH mit den Entscheidungen der Darmstädter Richter befassen. Während die Angeklagten Freisprüche anstreben, drängt die Staatsanwaltschaft auf eine zusätzliche Verurteilung wegen "internationaler" Amtsträgerbestechung und die Verhängung höherer Strafen – im Prozess vor dem Landgericht hatte sie bereits eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren für den Siemens-Manager und 18 Monaten auf Bewährung für den Berater gefordert. Die Siemens AG sollte nach dem Willen der Ankläger knapp 98 Millionen Euro aus dem Geschäft mit Enel an die Staatskasse abführen, was laut Staatsanwaltschaft in etwa dem Bruttogewinn aus den Geschäften abzüglich einer bereits in Italien verhängten Geldstrafe von 6 Millionen Euro entsprochen hätte. Siemens fordert hingegen die Aufhebung der als "Verfall" bezeichneten Abschöpfungsanordnung.

Und der Münchner Konzern kann sich zumindest aus finanzieller Sicht heute als Gewinner sehen. Denn der BGH befand, dass die Verfallsanordnung gegen das Unternehmen aus Rechtsgründen "keinen Bestand" habe. Es fehle an einer erforderlichen Anknüpfungstat, den vorgeworfenen Bestechungsdelikten, erklärt die Pressestelle des Bundesgerichtshofs in einer Mitteilung. Und von dieser Berichtigung des Darmstädter Urteils profitieren auch die beiden Angeklagten: Die Richter am Landgericht haben nämlich übersehen, dass Bestechungshandlungen im ausländischen Wettbewerb erst seit einer Änderung des § 299 StGB im Jahr 2002 unter Strafe gestellt sind. Zur Tatzeit (vor 2002) erfasste die Vorschrift nur Bestechungen zum Nachteil deutscher Mitbewerber. Auf die Ausschreibungen in Italien hatte sich jedoch kein anderes deutsches Unternehmen beworben.

Aufgrund dieses Fehlers hat der BGH die Verurteilungen beider Angeklagter wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr aufgehoben. Der Berater wäre damit eigentlich aus dem Schneider – schließlich wurde er nur wegen Beihilfe zur Bestechung im geschäftlichen Verkehr verurteilt –, doch der BGH hat das Verfahren an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Darmstadt zurückverwiesen, die unter anderem prüfen soll, ob sich auch der Berater der Untreue oder der Beihilfe zur Untreue zum Nachteil der Siemens AG schuldig gemacht hat. Den Tatbestand der Untreue sieht der BGH bereits mit dem Führen von schwarzen Kassen erfüllt: Gegen ausdrückliche Compliance-Vorschriften und unter Verstoß gegen arbeitsrechtliche Pflichten habe der Siemens-Manager Gelder vorenthalten und dem Unternehmen dadurch Vermögen entzogen. Für die Frage einer tatbestandsmäßigen Pflichtverletzung komme es dabei nicht auf die Absicht an, die Mittel zu einem späteren Zeitpunkt eventuell wieder zu Gunsten des Unternehmens zu verwenden. Mit dem Verschweigen der Existenz von schwarzen Kassen sei die Tat "bereits vollendet".

Keine Sorgen müssen sich die Angeklagten unterdessen um eine zusätzliche Verurteilung wegen "internationaler" Amtsträgerbestechung machen. Zwar sei die Bestechung ausländischer Amtsträger auch hierzulande per Gesetz verboten, führen die BGH-Richter aus, bei den Angestellten des Enel-Konzerns habe es sich aber weder um Amtsträger gehandelt, noch würden die fraglichen Personen sonstige öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Die Auffassung des Landgerichts, die Angeklagten hätten sich nicht wegen (Amtsträger-)Bestechung gemäß § 334 StGB strafbar gemacht, sei damit zu bestätigen. Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Darmstadt wird also nur noch die Strafe des Siemens-Managers neu festsetzen und prüfen müssen, ob auch der Berater wegen Untreue oder der Beihilfe zur Untreue belangt werden kann. (pmz)