Bundesinnenminister beharrt auf Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung

Die Richtlinie des Bundesverfassungsgerichts von 1983, mit Daten sparsam umzugehen, "halte ich für richtig. Nur: Das rasante Wachstum des Internets hält sich nicht an diese Grundsätze", meinte Hans-Peter Friedrich.

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Von
  • Jürgen Kuri

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) beharrt auf der Einhaltung europäischer Vorgaben bei einer deutschen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung. Allerdings sieht Friedrich durchaus Einigungsmöglichkeiten in dem Streit mit Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). "Ich kann nicht sehenden Auges europäisches Recht verletzen. Wir haben in Brüssel den sechs Monaten zugestimmt, da können wir jetzt nicht mit einer Woche kommen", sagte Friedrich in der WirtschaftsWoche mit Blick auf die Speicherfristen für die Verbindungsdaten der Telekommunikationsnutzer. Bei besonders schweren Verbrechen wie Kinderpornografie solle auf IP-Adressen zugegriffen werden. "Dazu reicht eine Frist von ein paar Stunden oder Tagen nicht. Deshalb hat die EU gesagt: sechs Monate automatische Speicherung, dann Löschung."

Die Koalition hat die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, nachdem das Bundesverfassungsgericht das erste Gesetz dazu gekippt hatte, nicht in deutsches Recht umgesetzt, weil sich Union und FDP nicht einigen können. Leutheusser-Schnarrenberger will die Verbindungsdaten der Nutzer bei der Telekommunikation dagegen nur bei konkreten Anlässen für die Strafverfolger speichern lassen; IP-Adressen sollen jedoch ohne Anlass pauschal sieben Tage lang gesichert werden. Die Vorschläge des Bundesinnenministers gingen dagegen weit darüber hinaus und wollten letztlich die alte Vorratsdatenspeicherung wieder einführen. Die Auseinandersetzung zwischen den beiden Ministerien führten letztlich zu einem Patt in der Frage, wie und ob die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umzusetzen sei. Vorerst gibt es daher keine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland. Die EU-Kommission hat bereits klar gemacht, dass ihr das "Quick-Freeze-Verfahren" nicht ausreicht.

Friedrich sagte im Hinblick auf Kompromissmöglichkeiten: "Ich kann gern Kompromisse machen, wie die Daten geschützt werden, wie restriktiv der Zugriff sein soll." Die Richtlinie des Bundesverfassungsgerichts von 1983, mit Daten sparsam umzugehen, "halte ich für richtig. Nur: Das rasante Wachstum des Internets hält sich nicht an diese Grundsätze." Der Zugriff auf die Daten unterliege hohen Hürden, "und die respektieren wir. Zugleich aber ist die Kriminalität in den vergangenen Jahren in neue Dimensionen gewachsen, da kann man nicht nur mit den Schultern zucken."

Der EU-Kommission reichen die Zusagen der Bundesregierung bei der Vorratsdatenspeicherung nicht aus. Brüssel wirft Berlin vor, die EU-Richtlinie für die Speicherung von Internet- und Telefonverbindungsdaten für Fahndungszwecke nicht umgesetzt zu haben. Ein Ultimatum für eine Antwort war in der Nacht zum Freitag ausgelaufen. Der EU-Kommission reichen die Zusagen der Bundesregierung nicht aus, so dass sie schon Ende Mai den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg anrufen will. "Was wir auf den ersten Blick sagen können ist, dass Deutschland anscheinend keinen Fortschritt bei der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gemacht hat und weiterhin EU-Recht verletzt", sagte ein Sprecher der zuständigen EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström am Freitag. Er verwies darauf, dass die nächste Runde zur Einleitung solcher Klagen wegen Verletzung der EU-Verträge Ende Mai anstehe. Voraussichtlich werde die EU-Kommission dann ihre Entscheidung treffen. Am Ende einer solchen Klage könnte ein Bußgeld gegen Deutschland in Millionenhöhe stehen. Verfahren wegen Verletzung der EU-Verträge sind keine Seltenheit – gegen Deutschland laufen mehr als 70, darunter ist die Klage wegen des VW-Gesetzes.

Bei der ursprünglichen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung mussten Internetprovider zugewiesene IP-Adressen, Beginn und Ende einer Sitzung sowie Anschlussinformationen (DSL-Kennung oder Rufnummer) ein halbes Jahr festhalten. Beim E-Mail-Verkehr waren die Netzkennungen sowohl des Absenders als auch des Empfängers zu sichern, dasselbe galt für die Internet-Telefonie. Bei Telefonaten über Festnetz oder Mobilfunk mussten die Anbieter die entsprechenden Verbindungs- sowie auch Standortinformationen vorhalten. Bei konkretem Verdacht hatten Sicherheitsbehörden mit richterlicher Genehmigung Zugriff auf die bei den Providern liegenden Datenberge. Dem Bundesverfassungsgericht waren diese Vorgaben zu vage. Sie rügten vor allem, dass die Datenverwendung generell bei Straftaten von erheblicher Bedeutung sowie bei "mittels Telekommunikation begangener" Delikte zugelassen worden sei. Für besonders sensible Informationen stellten sie ein grundsätzliches Abrufverbot auf. (jk)