Bundeskartellamt: Messenger-Dienste verletzen Verbraucherrechte

Die deutschen Kartellwächter haben eine umfangreiche Untersuchung zu Video- und Messengerdiensten vorgelegt. Fazit: Datenschutz ist vielen zu unwichtig.

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(Bild: BigTunaOnline/Shutterstock.com)

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Einige weit verbreitete Messenger- und Videodienste verstoßen nach Ansicht des Bundeskartellamts gegen Verbraucherrechte. In einer umfangreichen Sektoruntersuchung von Diensten wie Whatsapp, TeamViewer Meeting, Skype, Threema oder auch Discord hat die Behörde festgestellt, dass bei einigen Diensten persönliche Daten deutscher und europäischer Verbraucher in den USA gespeichert werden. Das sei nach momentaner Rechtslage nicht zulässig. Nach den Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) dürften die Daten nur dort dauerhaft gespeichert werden, wo ein der europäischen DSGVO vergleichbares Datenschutzniveau gilt.

Konkrete Namen nennt das Bundeskartellamt in seiner Sektoruntersuchung (PDF) nicht. Das Amt betont, solche Untersuchungen richteten sich nicht gegen bestimmte Unternehmen, sondern dienten dazu, mögliche verbraucherrechtliche Verstöße festzustellen. So schreibt die Behörde lediglich, ihre Nachfragen bei den Anbietern ließen den Schluss zu, eine deutliche Mehrheit von ihnen speicherten ihre Daten außerhalb der EU. Sieben der gut 40 untersuchten Dienste hätten explizit angegeben, mindestens eine Datenkategorie nur in den USA zu speichern.

Ebenfalls verbraucherrechtlich heikel sei, dass Dienste beim Synchronisieren von Kontakten auch jene Personen erfassen, die bisher nicht bei dem jeweiligen Dienst registriert sind. Das könnten Verstöße gegen die DSGVO sein, wenn die Daten dauerhaft gespeichert würden. Dies gelte auch dann, wenn die Telefonnummern verschlüsselt dargestellt werden. Einige Dienste könnten die Verbraucher besser darüber informieren, wie die Sicherheit der Kommunikation gewährleistet wird, zum Beispiel mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, meint das Bundeskartellamt.

"Messenger- und Video-Dienste sind für die meisten von uns ein alltägliches Kommunikationsmittel geworden", sagte Bundeskartellamts-Präsident Andreas Mundt. Den Nutzern sei oft nicht bewusst, dass der Schutz ihrer persönlichen Daten nicht bei allen Diensten gleichermaßen gewährleistet sei.

Da der Datenschutz momentan sowohl von den Diensten als auch von den Nutzern wenig beachtet werde, sei vorerst nicht damit zu rechnen, dass er sich bessere, vermutet das Bundeskartellamt. Es müssten Anreize geschaffen werden, damit die Verbraucher Datenschutz als "wesentliche Produkteigenschaft" erkennen und zu Diensten wechseln, die diese anbieten.

Die rechtlichen Regelungen und die technischen Grundlagen der Datensicherheit erscheinen Mundts Behörde "komplex, vielschichtig und schwer zu durchschauen". Damit der Datenschutz für die Nutzer eine größere Bedeutung für die Wahl ihrer Dienste bekommt, seien klare Maßgaben, Aufklärung und mehr Transparenz nötig. Hier könnte der öffentliche Dienst vorangehen, meint das Amt.

Ende 2021 hatte die Bundesnetzagentur erwogen, die Messengerdienste zur Interoperabilität zu zwingen. Damit sollten die Marktmacht dominanter Anbieter aufgebrochen und Abhängigkeiten reduziert werden. Whatsapp hatte zum Beispiel mit Stand 2021 in Deutschland einen Marktanteil von 93 Prozent. Wegen des im November 2022 in Kraft getretenen Europäischen Digital Markets Act (DMA) werden künftig große Internetplattformen dazu verpflichtet sein, Interoperabilität mit anderen Messenger-Diensten zu ermöglichen, schreibt nun das Bundeskartellamt. Interoperabilität könne den Wechsel zwischen verschiedenen Anbietern erleichtert und zu besseren Chancen für Neueinsteiger führen.

Allerdings könnten sich die für die Interoperabilität nötigen Standardisierungen auch negativ auf die Innovationsbereitschaft und damit den Wettbewerb zwischen den verschiedenen Anbietern auswirken, meint das Bundeskartellamt. Zudem entstünden neue Risiken durch technische Herausforderungen bei der Datensicherheit, insbesondere bei der Verschlüsselung sowie bei der Datenüberwachung und -verantwortung. Das alles bei geringerer Transparenz für die Verbraucher.

Das Bundeskartellamt hat die "Sektoruntersuchung Messenger- und Video-Dienste" im November 2020 angefangen. Es hat dafür nach eigenen Angaben mehr als 40 in Deutschland verfügbare Dienste ausführlich befragt. Hinzu kommen Expertengespräche sowie die Auswertung verschiedener Studien.

(anw)