Bundesnetzagentur legt zweiten Vectoring-Entwurf vor

Einige Bedingungen sind für die kleinen Wettbewerber der Telekom verbessert worden. Manche Regelung, etwa die Höhe der Vertragsstrafe bei Nichtausbau von reservierten Kabelverzweigern, verwundert jedoch.

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Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat die rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen für den Einsatz der VDSL-Vectoring-Technik im Netz der Deutschen Telekom festgelegt. Der von der Bonner Regulierungsbehörde vorgelegte Entscheidungsentwurf muss nun noch der EU-Kommission zur Konsultation vorgelegt werden, tritt aber schon mal in der aktuellen Fassung vorläufig in Kraft. Die BNetzA hatte Ende Februar dieses Jahres bereits eine erste Teilentscheidung getroffen, in deren Folge die Deutsche Telekom diverse Vorgaben der Behörde hatte umsetzen müssen.

Mit Vectoring ist eine Weiterentwicklung der VDSL-Technik gemeint, bei der alle an einem Kabelverzweiger (KVz) angeschlossenen Teilnehmermodems von diesem so gesteuert werden, dass sie sich gegenseitig weit weniger stören als bei reinem VDSL-Betrieb. Durch den so reduzierten Störpegel nimmt die Übertragungskapazität für jede einzelne per Vectoring genutzte Leitung zu (bei aktuell diskutierten Konfektionierungen maximal 100 MBit/s in Empfangsrichtung und maximal 40 MBit/s in Senderichtung). Weil die zugehörige Steuerung nach aktueller Auslegung einem einzigen Netzbetreiber obliegen soll, wird nun der Kabelverzweiger zum Zankapfel unter den Netzbetreibern. Beispielsweise kann die Telekom Mitbewerbern die Nutzung einer Teilnehmeranschlussleitung verweigern, wenn sie selbst oder ein anderer Mitbewerber den zugehörigen KVz auf die Vectoring-Technik aufrüsten will.

Die VDSL-Vectoring-Technik liefert bis zu 100 MBit/s zu den Teilnehmern und bis zu 40 MBit/s in Richtung Internet. Viele Netzbetreiber weltweit setzen darauf, weil sie die ursprünglich nur für die Telefonie ausgelegte Kupferdoppelader ins Breitbandzeitalter hinüberrettet. Vor Erscheinen der Vectoring-Spezifikation hat die Telekom noch großflächig auf den Glasfaserausbau gesetzt.

Die Bundesnetzagentur hat sich daher Gedanken gemacht, wie sie einen möglichst fairen Wettbewerb gewährleisten kann. Ein Hauptelement ist dabei die Vectoring-Liste. In diese tragen alle Wettbewerber verbindlich ein, welche Kabelverzweiger sie ausbauen möchten. Diese wird am 30. Juli eröffnet. Hierbei hat die BNetzA ein "Windhund-Prinzip" zugrunde gelegt: Wer einen Kabelverzweiger als Erster ausbauen möchte und in die Vectoring-Liste einträgt, hat diesen reserviert. Damit verbunden ist dann die Pflicht, die Vectoring-Technik innerhalb eines Jahres auszubauen.

Der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko), in dem Mitbewerber der Telekom organisiert sind, bewertet den Entwurf der Bundesnetzagentur überwiegend positiv. Dazu zählt der Breko auch Musterverträge, die die Deutsche Telekom ihren Mitbewerbern für den Zugang zu ihrer Infrastruktur anbieten muss (Standardangebot). "Wir begrüßen, dass die Bundesnetzagentur durch den Start der Vectoring-Liste am 30. Juli zeitnah Rechts- und Planungssicherheit schaffen will", sagt Breko-Präsident Ralf Kleint. "Damit haben unsere Mitgliedsunternehmen weitestgehend Schutz vor der Entwertung ihrer Investitionen, wenngleich die Gefahr der nachträglichen Kündigung des Zugangs durch die Deutsche Telekom unter bestimmten Voraussetzungen möglich bleibt."

Gegenüber ihrem ersten Entwurf hat die BNetzA noch Änderungen vorgenommen, die der Breko als deutliche Verbesserungen wertet. Beispielsweise musste die Deutsche Telekom ein eigenes Datenschutzkonzept zur Führung der Vectoring-Liste entwickeln. Irritationen zieht freilich nach sich, dass die Vectoring-Liste keine neutrale Institution führen soll, etwa die BNetzA selbst, sondern die Deutsche Telekom.

Der Breko hofft nun, dass "die Bundesnetzagentur die Führung der Vectoring-Liste engmaschig kontrolliert, sodass ein Missbrauch ausgeschlossen bleibt". Denn sicher ist, dass ab dem Stichtag das Rennen um die lukrativen Kabelverzweiger eröffnet wird. Und wer die Ausbaupläne der Konkurrenten kennt, könnte der Versuchung erliegen, ihnen an strategisch wichtigen Punkten zuvorzukommen. Große Mitbewerber könnten so den kleineren letztlich auf Kosten der Kunden schnell den Wind aus den Segeln nehmen.

Die Telekom kann Konkurrenten den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung verweigern, wenn sie oder ein anderes Unternehmen dort Vectoring einsetzen will. Alle Marktakteure können KVz für das Vectoring erschließen. Sie müssen dann jedoch ein angemessenes Bitstromprodukt für Mitbewerber anbieten.

(Bild: AVM)

Immerhin eine Sicherheitsvorkehrung hat die BNetzA aber eingebaut: Die Deutsche Telekom muss ihre für den Einführungstag der Vectoring-Liste vorgesehenen Eintragungen einen Tag vorher bei der BNetzA hinterlegen. So will die Behörde etwaige nachträgliche Anpassungen als Reaktionen auf Ausbaupläne kleinerer Mitbewerber identifizieren und verhindern. Zudem besteht ein Schadenersatzanspruch für den Fall, dass die Telekom die Vectoring-Liste sorgfaltswidrig führt.

Die Höhe der Vertragsstrafe bei Nichtausbau oder bei fälschlicher Eintragung eines reservierten KVz als "ausgebaut" erscheint nach wie vor gering. Die Bundesnetzagentur hat die Strafie, die die Telekom bei Vertragsbruch zahlen muss, auf immerhin 1000 Euro netto erhöht. Kleine Wettbewerber zahlen lediglich 375 Euro netto. Auch an diesem Punkt wünscht sich man sich von der EU-Kommission Änderungen. Selbst einige Millionen Euro Vertragsstrafe können für ein Unternehmen nützlich angelegt sein, wenn es anschließend substanziell weniger Wettbewerbern gegenübersteht. Der Breko hatte sich beispielsweise für eine am Umsatz des jeweiligen Unternehmens orientierte Vertragsstrafe eingesetzt.

Verbesserungen mahnt der Breko auch bei der Ausgestaltung des KVz-Alternativprodukts an (KVz-AP). Die Telekom muss ihren Wettbewerbern ein solches Produkt anbieten, wenn sie den Zugang nachträglich kündigt – und wenn der betreffende Kabelverzweiger beispielsweise in einem Gebiet liegt, in dem es bereits eine zweite Festnetz-Infrastruktur gibt, an die mindestens 75 Prozent der Gebäude angeschlossen sind (zum Beispiel ein Kabelnetz). Hinsichtlich des KVz-AP kritisiert der Breko zu geringe Konfigurations- und Diagnosemöglichkeiten. Außerdem müsse dem gekündigten Mitbewerber eine Mitsprache bei der Produktgestaltung eingeräumt werden. Nach Lage der Dinge kann die Telekom dem Mitbewerber einen KVz-Ausbau nach ihren Gutdünken vorsetzen. (dz)