Bundesnetzagentur zur Gaskrise: Menschen müssen noch viel mehr Energie einsparen

Im kommenden Winter könnte es in Deutschland an Erdgas mangeln, wenn die Verbraucher nicht mehr als bisher einsparen, sagt der Chef der Bundesnetzagentur.

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Gas-Verdichterstation

(Bild: Gascade)

Lesezeit: 3 Min.

Wenn die Menschen in Deutschland nicht mehr als bisher Erdgas einsparen, droht im kommenden Winter ein Gasmangel. Davor warnt Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur im Interview mit der "Welt am Sonntag". Der Mangel lasse sich nur vermeiden, wenn die Verbraucher mindestens 20 Prozent einsparen. Ebenso müssten laut Müller die Gas-Durchleitungen an Nachbarländer um 20 Prozent reduziert werden, Deutschland bräuchte zusätzlich 10 bis 15 Gigawattstunden aus anderen Ländern, um über einen durchschnittlichen kalten Winter zu kommen.

Nach der Wartung von Nord Stream 1 fließt seit etwa zwei Wochen wieder Gas durch die Ostsee-Pipeline, allerdings ist sie nur zu 20 Prozent ausgelastet, da momentan von fünf Verdichter-Turbinen in der russischen Kompressorstation Portovaya nur eine in Betrieb ist, wie Christian Bruch, Vorstandsvorsitzender von Siemens Energy diese Woche erklärte. Vor diesem Hintergrund sagte Müller in der "Welt am Sonntag", "wenn wir nicht kräftig sparen und kein zusätzliches Gas bekommen, haben wir ein Problem". Dabei denkt Müller auch an den übernächsten Winter.

Der Gasverbrauch sei in Deutschland bereits gesunken, in der Industrie gebe es "signifikante und wetterunabhängige Einsparungen". Die Einsparungen von privaten Haushalten zu beurteilen, sei im Sommer schwieriger. "Wir sehen bisher höchstens Temperatureffekte und noch viel zu wenig strukturelles Sparen", sagte Müller. Nun müssten sich die Menschen um eine neue Heizung, Heizungsoptimierung oder hydraulischen Abgleich kümmern, im November oder Dezember dürfte es dafür zu spät sein, meinte Müller.

Darüber, ob es für private Haushalte Einsparungs-Verfügungen geben soll, werde noch diskutiert. Müller selbst hält Einsparungen für private Haushalte für legitim, um Arbeitsplätze zu sichern – solange die Einsparungen nicht den geschützten, lebensnotwendigen Bereich berühren.

Das Gas aus Nord Stream 1 sei nie allein für Deutschland bestimmt gewesen. In Europa gelte das Prinzip der gegenseitigen Solidarität für besonders geschützte Kundengruppen wie private Haushalte. Die Bundesnetzagentur habe viele Varianten durchgerechnet, es sei ihr nicht gelungen, die gesamte Komplexität abzubilden. Auf keinen Fall dürfe Deutschland die Grenzen schließen und überhaupt kein Gas mehr durchleiten.

Die Bundesnetzagentur hat auf der Notfallstufe des Notfallplans zu entscheiden, wie das vorhandene Erdgas verteilt wird. Dafür habe die Behörde im Mai angefangen, von Unternehmen Daten abzufragen, um mögliche betriebswirtschaftliche Schäden abzuschätzen und Lieferketten zu verstehen, erklärte Müller. Zum 1. Oktober soll eine Plattform fertig sein, auf der die Bundesnetzagentur modellieren will, wer wie viel Gas verbraucht und welche Folgen Einschränkungen hätten. Auf der Basis sollen die Entscheidungen fallen.

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Das vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder angeregte Fracking zur Förderung von Erdgas in Deutschland würde kurzfristig nicht helfen, wie es nun nötig wäre, sagte Müller. Angesichts unter anderem dessen, dass sich Menschen jetzt strombetriebene Heizlüfter kaufen, um sich für den Winter zu präparieren, gebe es gute Gründe für die momentan laufende Sonderanalyse des deutschen Stromnetzes. Daraus könne sich ergeben, dass die deutschen Atomkraftwerke länger als geplant laufen werden.

(anw)