Bundesrat beharrt auf genauerer Volkszählung

Die Länder haben wegen der geplanten Volkszählung erstmals in Zeiten der großen Koalition den Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag angerufen, wobei es unter anderem auch ums Geld geht.

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Der Bundesrat hat am heutigen Freitag wegen der nächsten Volkszählung erstmals in Zeiten der großen Koalition den Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag angerufen. Die Länderchefs folgten dabei der Empfehlung des Innenausschusses der Kammer, das umstrittene Vorbereitungsgesetz für den 2011 geplanten registergestützten Zensus nicht passieren zu lassen. Die Länderkammer hatte im Mai zahlreiche Änderungen am inzwischen vom Parlament verabschiedeten Gesetzesentwurf der Bundesregierung gefordert, in denen es um eine umfassendere Anlage und genauere Durchführung des Zensus sowie ums Geld geht. Zur Bestätigung ihrer Forderungen lassen die Länder es nun auf ein Vermittlungsverfahren ankommen, auch wenn dies laut Hessens Bundesratsminister Volker Hoff (CDU) als "unfreundlicher Akt" angesichts der allgemeinen Bemühungen zu Erhalts des Friedens im Regierungsbündnis gesehen werden kann.

Die Bundesregierung will die von Brüssel vorgesehene gemeinschaftsweite Volks- und Wohnungszählung im Jahr 2011 im Wesentlichen durch eine Auswertung von Melderegistern, Daten der Bundesanstalt für Arbeit sowie Dateien zum Personalbestand der öffentlichen Hand bewerkstelligen. Vorgesehen ist zur Ergänzung eine direkte Informationserhebung bei Gebäude- und Wohnungseigentümern sowie eine Stichprobenerhebung zur Sicherung der Datenqualität und zur Erfassung weiterer zensustypischer Erhebungsmerkmale wie der Erwerbstätigkeit oder des Bildungsgrades bei etwa sieben Millionen Bürgern. Abgerundet werden soll die rechnergestützte Volkszählung durch eine Befragung der rund 17,5 Millionen Verwalter oder Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften.

Geht es nach dem Bundesrat, sollen zur Qualitätssicherung Unstimmigkeiten bei den übermittelten Daten auch anhand von Einzelprüfungen durch die Meldebehörden geklärt werden dürfen. Bundesregierung und Bundestag haben diesen Wunsch bislang aus verfassungsrechtlichen Bedenken verworfen. Ihrer Ansicht nach darf der Zensus nicht genutzt werden, um Fehler im Melderegister zu korrigieren.

Ferner soll nach Ansicht der Länder eine Regelung über Finanzzuweisungen des Bundes an sie aufgenommen werden. Hierdurch könnten entstehende finanzielle Mehrbelastungen – wie bei früheren Volkszählungen – ausgeglichen werden. Die im jetzigen Zensusvorbereitungsgesetz vorgesehene Verteilung bezeichnet der Bundesrat als untragbar: Während Länder und Kommunen mit etwa 137 Millionen Euro belastet würden, hätte der Bund nur etwa 39 Millionen Euro aufzubringen. Schließlich pocht der Bundesrat auf die Aufnahme einer Regelung in das Gesetz, nach der das entsprechende Verwaltungsverfahren für die Länder verbindlich vorgeschrieben wird. Das Projekt könne nur dann zum Erfolg führen, wenn die Vorgehensweise im Bund und den Ländern einheitlich sei. Folge einer solchen Regelung wäre, dass das Gesetz der direkten Zustimmung des Bundesrates bedürfen würde.

Grundlegende Bedenken gegen den neuen Zensus hat der Bundesrat nicht. Auch Datenschützer haben angesichts des Stichproben-Ansatzes kaum mehr Bedenken gegen das bisher beschlossene Verfahren. Das war im Vorfeld der jüngsten Volkszählung 1987 noch ganz anders. Damals fegte eine Protestwelle durch die alte Bundesrepublik. Die Gegner misstrauten dem Vorhaben und unterstellten dem Staat, seine Bürger zu durchleuchten und Daten zu missbrauchen. Heute halten neben Politikern auch Statistiker und Planer einen neuen Zensus für nötig. Sie schätzen, dass nicht 82 Millionen Menschen in Deutschland leben, sondern 1,3 Millionen weniger. Solche Daten bilden aber die Grundlage für viele politische Entscheidungen wie den Finanzausgleich oder den Bau von Schulen, Kliniken, Wohnungen. Die Zahl der Einwohner bestimmt auch die Anzahl der Stimmen eines Landes im Bundesrat und die Größe eines Wahlkreises. (Stefan Krempl) / (vbr)