Bundesrechnungshof: Schonungsloser Bericht zum Status der digitalen Verwaltung

Die Bundesländer arbeiten bei der Digitalisierung weiterhin selten zusammen und kommen kaum vom Fleck. Das zeigt ein Rechnungshof-Bericht, der c't vorliegt.

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Digitales Modell der Deutschlandkarte mit in Höhen abgestuften Bundesländern

(Bild: AustGraf/Shutterstock.com)

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Ein Bericht des Bundesrechnungshofs zeigt den ernüchternden Status Quo bei der Digitalisierung der Verwaltung und nennt Ursachen für die Probleme. Die Rechnungsprüfer haben zum Beispiel ermittelt, dass im Juli dieses Jahres erst 5 Prozent der sogenannten "Einer-für-alle"-Onlinedienste (EfA) flächendeckend genutzt wurden. "Damit sind 95 Prozent der EfA-Lösungen, die der Bund vollständig finanziert hat, größtenteils nur in einem Land oder einer Kommune im Einsatz oder sogar Investitionsruinen", heißt es in dem unveröffentlichten Bericht, der c't vorliegt. Zuvor hatte der Spiegel über das Thema berichtet.

Der Bericht zeigt zudem: Sollten Bundesländer und Kommunen bis Mitte 2025 nicht enorme Fortschritte bei der Einführung von Onlinediensten machen, würden EU-Fördergelder verfallen. Die Bundesregierung könnte zudem Mittel von den Bundesländern zurückfordern.

Für den Bericht hat der Bundesrechnungshof beim Bund und den Ländern den Stand der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) erhoben. Demnach gab allein der Bund von 2018 bis 2023 rund 2,3 Milliarden Euro für die Verwaltungsdigitalisierung aus.

828 Millionen Euro davon flossen an die Länder, die damit vorrangig nach dem "Einer-für-Alle-Prinzip" (EfA) Onlinedienste entwickelten. Das bedeutet, dass ein Bundesland einen Dienst baut und betreibt, der dann auch von anderen Ländern und Kommunen genutzt werden soll. Die Länder und Kommunen sind für den Vollzug der meisten Verwaltungsleistungen zuständig, darunter viele Massenverfahren wie Ummeldung, Ausweisanträge oder Elterngeld.

Insgesamt finanzierte die Bundesregierung laut dem Bericht die Entwicklung von 306 EfA-Diensten. Im Juli 2024 waren 264 davon in mindestens einem Bundesland oder einer Kommune online verfügbar, allerdings nur 14 Dienste (5 Prozent) "flächendeckend". Als flächendeckend werten Bund und Länder Onlinedienste, die in mindestens neun Ländern online sind und mindestens der Hälfte der Bevölkerung dieser Bundesländer zur Verfügung stehen. Das "Einer-für-Alle"-Prinzip greift also zumindest bislang noch nicht.

Der Bundesrechnungshof hat die Länder auch nach Gründen befragt, die gegen eine Übernahme der EfA-Dienste sprechen. Angeführt haben die Landesregierungen dabei unter anderem:

  • "Die nachnutzungsinteressierten Länder und Kommunen konnten die EfA-Lösungen nicht in ihre IT einbinden."
  • "In den Ländern und Kommunen war bereits eine alternative IT-Lösung (z. B. ein Konkurrenzprodukt des landeseigenen IT-Dienstleisters) im Einsatz."
  • "Die EfA-Lösungen waren nicht kompatibel zu den Fachverfahren (z. B. wegen abweichender Datenstandards)."
  • "Die Länder oder Kommunen wollten keine IT-Lösung einsetzen, weil sie im Land oder in der Kommune zu selten nachgefragt wurde."
  • "Die EfA-Lösungen erfüllten nicht die wesentlichen fachlichen Anforderungen des Landes."

Der Bundesrechnungshof wirft dem Bundesinnenministerium (BMI) vor, Haushaltsmittel für EfA-Leistungen freigegeben zu haben, ohne zuvor die Wirtschaftlichkeit sicherzustellen. Dazu hätten die Länder vorab einschätzen müssen, ob andere Länder und Kommunen Bedarf an den Leistungen haben.

Das BMI wehrt sich gegen diesen Vorwurf: Man habe den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit berücksichtigt und den Ländern Modelle zur Prüfung zur Verfügung gestellt. Sollten EfA-Leistungen nicht flächendeckend genutzt werden, werde man prüfen, ob man Bundesmittel von den Ländern zurückfordern kann.

Sollte das EfA-Prinzip nicht bald greifen, könnte die Bundesregierung den Anspruch auf EU-Gelder verlieren. Sie will sich bis zu 3 Milliarden Euro aus der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) der Europäischen Union zurückholen. Bislang seien jedoch erst zwei der drei dafür nötigen Meilensteine erreicht, heißt es im Bericht des Rechnungshofs. "Zur Erreichung des dritten Meilensteins müssen bis Juni 2025 mindestens 100 EfA-Lösungen flächendeckend online verfügbar sein."

(cwo)