Bundesregierung hält an Entwurf für neue Lauschverordnung fest

Dass mit der Reform der Telekommunikations-Überwachungsverordnung auch Nutzer im Ausland abgehört werden, ist laut dem Bundesjustizministerium rechtens.

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Das Bundesjustizministerium hat keine Bedenken gegen die Überwachung von Telekommunikationsnutzern im Ausland über spezielle Knotenpunkte bei inländischen Netzbetreibern. Dies geht aus seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Rainer Funke und seiner Fraktion zur so genannten Auslandskopf-Überwachung hervor. Diesen Ansatz zur Überwachung ausländischer Rufnummern hat das Bundeswirtschaftsministerium in den umstrittenen Entwurf für die Novelle der Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) eingebaut. Er wird von Fachpolitikern und der Wirtschaft als besonders prekär bei der Überholung des Lauschpapiers erachtet.

In der Praxis spielt die Auslandskopf-Überwachung laut dem Justizministerium nur dann eine Rolle, "wenn die Anschlusskennung des inländischen Kommunikationspartners nicht bekannt ist, aber damit gerechnet wird, dass eine Verbindung zu einem bestimmten Anschluss im Ausland aufgebaut wird. Die abzuhörende Kommunikation werde dabei durch einen Netzknoten eines Anbieters geleitet, sodass es "nahe liegend" sei, den Betreiber des anvisierten Anschlusses "in die Pflicht zu nehmen". Die Alternative sei nur, eingehende Anrufe insgesamt im TK-Netz zu überwachen, was den Aufwand aber nur unnötig erhöhe. Zur Verfügung stehe das Instrument "in allen Fällen, in denen eine TK-Überwachung angeordnet werden kann", also insbesondere bei Ermittlungen in Straftaten gemäß dem Katalog in Paragraph 100a Strafprozessordnung (StPO).

Die faktische Überwachung auch von Ausländern rechtfertigt die Bundesregierung damit, dass der Auslandskopf selbst noch im Inland seine physikalische Präsenz habe. Das Lauschen sei daher im Einklang mit der StPO zulässig, "soweit im Inland strafrechtliche Ermittlungsverfahren geführt werden" und die allgemeinen Vorraussetzungen des Abhörparagraphen erfüllt seien. Die Beantragung eines Rechtshilfeersuchens eines weiteren Staates hält das Justizministerium folglich nicht für nötig, da deutsche Strafverfolgungsbehörden bei der Auslandskopfüberwachung keine Maßnahmen im telekommunikationstechnischen Zielland durchführen wollen. Aus demselben Grund liege auch "ein Eingriff in die Souveränität anderer Staaten fern".

Konkret betroffen sieht die Regierung "die fünf wesentlichen TK-Netzbetreiber", die nach Angaben der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) insgesamt 21 Auslandskopf-Vermittlungsstellen unterhalten. Die Einbeziehung dieser fünf Anbieter reicht nach Ansicht der Bundesregierung aus, um erfolgreich zu lauschen. Es sei zwar "ermittlungstaktisch optimal, alle Netzbetreiber mit Auslandsköpfen in eine Maßnahme einzubeziehen". Doch die "verbleibende Überwachungslücke" sei andernfalls "vernachlässigbar klein". Standards für das Abhören an den TK-Grenzposten gebe es nicht. Aber die Deutsche Telekom habe die Technik bereits seit mehreren Jahren in Betrieb und insgesamt seien "Aufwand und Kosten dafür nicht unverhältnismäßig hoch".

Paketvermittelte Datenströme sieht die Regierung entgegen der Befürchtungen der Wirtschaft bei der umstrittenen Maßnahme derzeit außen vor. Diese würden im Gegensatz zur leitungsvermittelten Kommunikation nicht über Auslandsköpfe im eigentlichen Sinne abgewickelt. Sollte eine Umsetzung im "IP-Backbone jedoch nachweislich eine "wirtschaftlich sinnvolle Variante" darstellen, sei eine entsprechende "technische Realisierung" ins Auge zu fassen. Aktuelle Zahlen über die von der RegTP zusammengestellte Jahresstatistik der TK-Überwachungen gemäß 100a und 100b StPO liefert das Justizministerium in der Antwort auch noch mit: Demnach sind 2004 insgesamt 34.374 Anordnungen ergangen. Davon betroffen waren 40.973 Kennungen. Die ständige Zunahme dieser Art des Lauschangriffs hat der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar erst jüngst wieder moniert. (Stefan Krempl) / (jk)