Bundesregierung will umstrittene Abhörbefugnisse des Zolls neu fassen

Der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung soll bei Überwachungsmaßnahmen durch das Zollkriminalamt besser geschützt werden. Auch eine klarere Regelung der Erhebung von Verkehrsdaten ist geplant.

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Die Bundesregierung hat einen Entwurf (PDF-Datei) zur Änderung des umstrittenen Zollfahndungsdienstgesetzes vorgelegt. Mit der Initiative sollen nach langer Verzögerung insbesondere die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung sowohl beim "großen" als auch beim "kleinen", mit Hilfe der Telekommunikationsüberwachung erfolgenden Lauschangriff berücksichtigt werden. In diesen Bereichen will Berlin die Befugnisse der Zollfahnder entsprechend enger fassen. Laut der Bundesregierung wird zudem die Möglichkeit zur Erhebung der so genannten Verkehrsdaten im Telekommunikationsbereich durch den Zoll klarer geregelt. Andererseits soll der Informationstausch mit anderen Sicherheitsbehörden im In- und Ausland erleichtert und das Mitführen von Bargeld beim Grenzverkehr schärfer kontrolliert werden.

Vom Zollkriminalamt beauftragte Personen dürfen zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten sowie zur Aufdeckung noch unbekannter Verbrechen mit richterlicher Genehmigung "technische Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und -aufzeichungen sowie zum Abhören und Aufzeichnen von Privatgesprächen" zur Eigensicherung einsetzen. Ein solcher großer Lauschangriff soll demnach gestattet sein, um etwa eine Enttarnung verdeckter Ermittler zu verhindern. Eine entsprechende Überwachungsmaßnahme soll aber künftig unterbrochen werden, wenn einerseits der von der Verfassung besonders geschützte persönliche Kernbereich betroffen und andererseits eine Gefährdung der eingesetzten Strafverfolger ausgeschlossen ist. Erkenntnisse über solche Vorgänge dürfen dem Entwurf nach auch nicht verwertet werden.

Nicht ganz so streng ist der Kernbereichsschutz beim Telefonabhören geplant. Hier orientiert sich die Gesetzesvorlage vielmehr am Entwurf des Bundesjustizministeriums zur allgemeinen Neufassung der Telekommunikationsüberwachung. Immer dann, wenn Informationen aus dem intimen Privatbereich abgehört werden, sollen diese künftig demnach auch beim kleinen Lauschangriff sofort gelöscht werden. Wenn die Ermittler wissen, dass "allein" solche sehr privaten Daten anfallen, dürfte eine Abhörmaßnahme gar nicht mehr gestartet werden. Weiter soll ein verschärfter Richtervorbehalt gelten. Ein Mithören in Echtzeit zur Entscheidung, ob ein Gespräch zu tief ins Privatleben geht, hält die Bundesregierung nicht für nötig und machbar.

Das Abhören bestimmter Berufsgruppen will die Regierung ausschließen, wenn diese als Zeugen oder Nachrichtenübermittler betroffen sein könnten. Zum einen sollen bei den so genannten Berufsgeheimnisträgern Seelsorger, Strafverteidiger und Abgeordnete mit einem umfassenden Verwertungsverbot ganz besonders geschützt werden. Bei Ärzten, Rechtsanwälten, Journalisten sowie weiteren Geheimnisträgern soll ferner nur noch bei sorgfältiger Entscheidung im Einzelfall abgehört werden dürfen, solange diese nicht der Vorbereitung einer Straftat verdächtig sind. Das Papier sieht zudem vor, dass der nachträgliche Rechtsschutz durch erweiterte Benachrichtigungspflichten verbessert und konkretisiert wird.

Die Befugnis für das Zollkriminalamt, Verbindungs- und Standortdaten möglicher Betroffener bei den Providern zu erheben, will der Entwurf an die Strafprozessordnung anpassen. Dabei soll "zur Vorbereitung von Maßnahmen klarer und eindeutiger festgelegt werden, welche Telekommunikationsanschlüsse in eine Maßnahme" einbezogen werden müssen. So lasse sich frühzeitig verhindern, dass Privatanschlüsse einbezogen werden, obwohl darüber "keine relevanten Gespräche" geführt würden. Daneben soll verdeutlicht werden, dass neben den sonstigen Verkehrsdaten auch Standortdaten in Echtzeit erhoben werden können.

Neu ist ein Paragraph, wonach die Behörden des Zollfahndungsdienstes künftig an Zoll-, Polizei-, Justiz- und Verwaltungsbehörden sowie an sonstige für die Verhütung oder Verfolgung von Straftaten zuständigen öffentlichen Stellen anderer Staaten sowie zwischen- und überstaatliche Sicherheitsbehörden personenbezogene Daten übermitteln dürfen. Voraussetzung soll sein, dass dies erforderlich ist zur Erfüllung einer ihnen nach diesem Gesetz obliegenden Aufgabe, zur Verfolgung von Straftaten und zur Strafvollstreckung nach Maßgabe der Vorschriften über die internationale Rechtshilfe oder über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof oder zur Abwehr einer im Einzelfall bestehenden erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Gleiches gilt, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden sollen.

Dem Zoll ist seit 1992 das Öffnen von Postsendungen und das Abhören von Telefongesprächen auf Anordnung erlaubt. Damit soll er Verstöße gegen das Außenwirtschafts- und das Kriegswaffenkontrollgesetz in Bereichen wie Staatsschutz, Betäubungsmittelkriminalität, Geldfälschung, Geldwäsche, Terrorismusbekämpfung oder den unerlaubten Außenhandel mit Waren, Datenverarbeitungsprogrammen und Technologien besser verfolgen können. Mit einer Gesetzesreform von 2004 waren die Datenerhebungs- und Übermittlungsverfahren zunächst nach dem Einschreiten des Bundesverfassungsgerichtes etwas enger gefasst worden. Ende 2005 verlängerte der Bundestag das Provisorium um 18 Monate. Bürgerrechtler haben gegen das Gesetz daraufhin Anfang 2006 erneut eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. (Stefan Krempl) / (jk)