Bundestag debattiert über Informationsfreiheitsgesetz

Bei der 1. Lesung des Entwurfs für ein allgemeines Akteneinsichtsrecht begrüßten alle Fraktionen den rot-grünen Vorstoß. Die Opposition war sich aber uneins, ob die Ansprüche der Bürger zu weit gehen oder nicht stark genug sind.

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Bei der 1. Lesung des Entwurfs für ein Informationsfreiheitsgesetz im Bundestag begrüßten alle Fraktionen am heutigen Freitag den rot-grünen Vorstoß. Die Abgeordneten führten die Debatte über einen möglichen Wandel des Selbstverständnisses der Verwaltung, der laut der Regierungskoalition mit dem nicht weiter zu begründenden Recht auf Akteneinsicht einhergehen soll, sehr lebhaft und überzogen die vorgesehene Aussprachezeit um über 30 Minuten. Den erkennbar gewordenen Diskussionsbedarf können die Parlamentarier im kommenden Jahr in den Ausschussberatungen und auf einer geplanten Anhörung abarbeiten. Eine Entscheidungshilfe kommt dabei auch von einem Bündnis zivilgesellschaftlicher Gruppen, die im Frühjahr bereits einen eigenen Gesetzesvorschlag vorgelegt hatten.

Der SPD-Abgeordnete Michael Bürsch umriss das mit dem neuen Gesetz einhergehende Spannungsverhältnis zu anderen Rechtsgütern wie dem Datenschutz, zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und zum geistigem Eigentum. Mit der Umkehr der Beweislast, wonach der öffentliche Sektor künftig selbst begründen solle, warum er bestimmte Informationen nicht zugänglich mache, sieht Bürsch ein "enormes Stück Förderung der Bürgergesellschaft" verbunden. Ein "offener Umgang mit öffentlicher Information" sei "die beste Vorsorge gegen Filz und Korruption". "Mehr Demokratie wagen durch Transparenz" sei das Motto des Entwurfs, stimmte der medienpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Jörg Tauss, seinem Parteikollegen bei. Für Silke Stokar, die innenpolitische Sprecherin der Grünen, ist das von der Fraktion vorangetriebene Akteneinsichtsrecht zudem ein selbstverständlicher Anspruch in der "modernen Mediengesellschaft".

Uneins präsentierte sich Opposition. Beatrix Philipp von der CDU stieß die lange und "ordentliche" Auflistung all der Bereiche auf, in denen der Zugang zu den Behördeninformationen verschlossen ist. Der von Rot-Grün erweckte Eindruck, jeder könne demnächst einfach gucken, sei falsch, betonte die Innenpolitikerin. Bislang seien nicht einmal die Jahresberichte des Bundesrechnungshofs öffentlich zugänglich. Zudem müsse die rot-grüne Regierung endlich die Verträge mit Toll Collect zur Lkw-Maut offen legen, sonst sei die "erste Schlacht um das Informationsfreiheitsgesetz schon verloren". Gleichzeitig forderte Philipp aber, dass nicht jeder ohne berechtigtes Interesse an die Aktenschränke kommen dürfe.

Die FDP-Innenexpertin Gisela Piltz stellte klar, dass schon heute jeder Bürger bei einem "rechtlichen Interesse" Informationen der Verwaltung in Augenschein nehmen dürfe. Die neue Formulierung des Entwurfs, wonach kein "berechtigtes" Interesse mehr vorhanden sein müsse, sei daher eine "Mogelpackung". Das "klingt erst mal nach mehr Informationsfreiheit, aber der Anspruch ist nicht voraussetzungslos", kritisierte die Liberale. Ein "Informationsverhinderungsgesetz" gebe es mit der FDP nicht. Andererseits begrüßte Piltz, dass der Entwurf einen "Schutz der Geschäftsgeheimnisse ohne Wenn und Aber" garantiere.

Norbert Geis von der CSU teilte zwar die Grundanliegen des Entwurfs. Durch die Vorlage von Rot-Grün könnten seiner Ansicht nach aber hohe Mehrbelastungen auf die Verwaltung zukommen, da diese jede Nachfrage über die Herausgabe der Information abwägen müsse. Zudem sieht der Innenpolitiker durch ein "generelles Informationsrecht", das für In- und Ausländer gelte, "zu sehr den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Verwaltung gestört". Auch kriminelle oder islamistische Kreise könnten sich so das Verwaltungswissen zunutze machen.

Geis' Ausführungen waren Wasser auf die Mühlen des Innenministers Otto Schily, der vor den Risiken der "Allgemeinansprüche" und den sich dahinter verbergenden "sehr unterschiedlichen Interessen" warnte. Zudem dürfe die Verwaltung durch den an sich auch von ihm befürworteten Entwurf noch weiter blockiert werden, wie dies schon heute mit den vielen Großen und Kleinen Anfragen der Opposition der Fall sei. Schily warf die Frage auf, inwieweit die Ministerien Gutachten herausrücken müssten und so schon in der Vorbereitung ihrer Entscheidungen in komplexe Interessensgefüge verstrickt würden. (Stefan Krempl) / (anw)