Bundestag debattiert über Scoring zur Kreditwürdigkeitsprüfung

Abgeordnete aller Fraktionen waren sich ausnahmsweise einmal einig, dass der Datenschutz und die Transparenz bei der computergesteuerten Bewertung der Kreditwürdigkeit von Kunden gestärkt werden sollte.

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Abgeordnete aller Fraktionen im Bundestag waren sich am gestrigen Donnerstagabend im Plenum darüber einig, dass der Datenschutz und die Transparenz bei der computergesteuerten Bewertung der Kreditwürdigkeit von Kunden gestärkt werden sollte. Anlass der Aussprache war ein Antrag der Grünen (PDF-Datei), wonach "branchenübergreifende Auskunftssysteme begrenzt und klaren Regelungen" unterworfen werden sollen. Insbesondere sei dafür Sorge zu tragen, dass "kein Betroffener allein aufgrund eines schlechten Scorewertes bei der Kreditvergabe oder bei der Anbahnung sonstiger Geschäftsbeziehungen schlechter gestellt wird". Im Blick haben die Grünen neben der Schufa, die deutschlandweit anhand von über 362 Millionen Einzeldaten von 62 Millionen Bundesbürgern über Konditionen etwa für einen Kredit oder einen Mobilfunkvertrag entscheidet, auch den gesamten breiten Markt privater Auskunfteien.

"Sozialdaten wie Wohngegend, Beruf, Familienstand, Einkommen und Vermögen werden gesammelt, mit Privatadressen kombiniert und dann verkauft", warnte die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Silke Stokar. "So werden Kunden- und Konsumprofile über uns erstellt, ohne dass wir es bemerken." Es könne und dürfe nicht sein, dass ein Bürger, nur weil er zum Beispiel in der 'falschen' Straße wohne, "keinen Handyvertrag bekommt oder nur noch gegen Vorkasse beliefert wird", pflichtete ihr Marina Schuster von der FDP bei. Als "Ultima Ratio" brachte sie Bußgelder für "fehlerhafte oder unvollständige Auskünfte" ins Spiel. Auch Jan Korte von der Linkspartei sieht "dringenden Handlungsbedarf", da die seiner Ansicht nach relativ willkürlichen Statistikverfahren inzwischen von Firmen "exzessiv" genutzt würden.

Vertreter der Großen Koalition zeigten sich ebenfalls besorgt: Der SPD-Datenschutzexperte Jörg Tauss brachte als Beispiel für "zweifelhafte Werte" der Scoring-Ergebnisse, dass ihm die Schufa angesichts einer in Berlin bezogenen zweiten Bleibe "unklare Wohnverhältnisse" attestiere. Sein Parteikollege Michael Bürsch fühlte sich gar an Orwells "1984" erinnert: "Wir sind der gläserne Mensch, und die Daten werden ohne unser Wissen ausgetauscht und bewertet, und zwar zu unserem Nachteil, ohne dass wir dort tatsächlich nachfassen können." Auch die CDU-Innenpolitikerin Beatrix Philipp hält "den Umgang mit diesen Daten und Merkmalen datenschutzrechtlich, aber auch gesellschaftspolitisch" für "äußerst bedenklich". Die Fraktionen wollen nun in Fachausschüssen einen gemeinsamen Antrag erarbeiten. Aufschlüsse erhoffen sie sich dabei nicht nur von einem jüngst vorgelegten Scoring-Report der Kieler Datenschützer, sondern auch von einem überfälligen Datenschutzbericht des Bundesinnenministeriums. (Stefan Krempl) / (anw)