Bundestag soll Microsoft Outlook für die Mail- und Terminverwaltung bekommen

Die IuK-Kommission des Ältestenrats des Parlaments hat sich für das Mailprogramm aus Redmond entschieden, nachdem die Prüfung eines Angebots für eine Open-Source-Alternative nicht zufrieden stellend ausfiel.

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Die Kommission des Ältestenrates für den Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechniken im Bundestag hat sich in ihrer Sitzung am heutigen Donnerstag für die Beschaffung von Microsoft Outlook und Exchange entschieden. Die Lösung aus Redmond soll als Standardprogramm für die Adress- und Terminverwaltung inklusive Mailfunktion dienen. Bisher nutzten rund zehn bis 30 Prozent der Abgeordnetenbüros noch das alte DOS-Programm WinFiler für das Termin- und Adressmanagement. Der Rest verwendete bereits Outlook oder webbasierte Produkte.

Nach dem 2002 von der IuK-Kommission beschlossenen Richtungsentscheid zur Umstellung der Server des Bundestags auf Linux und freie Software prüfte die Verwaltung auch eine Open-Source-Lösung für die IT-gestützte Handhabung von Adressbüchern und Terminen, die mit Open-Xchange als Serverlösung laufen sollte. Ein entsprechendes Angebot soll aber den Ansprüchen der Parlamentarier nicht gerecht geworden sein, heißt es bei den IT-Experten im Bundestag. In der Ausschreibung für das Projekt seien Vorgaben wie die Möglichkeit zur Verwaltung vieler tausend E-Mail-Adressen eingebaut worden, sodass die Messlatte sehr hoch gelegen habe.

Uwe Küster, der Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion in der IuK-Kommission, sprach gegenüber heise online von einem bedauerlichen "Roll-Back" bei den Bemühungen für mehr Offenheit und Wettbewerb in der IT-Landschaft des Bundestags. "Wir haben eine Schlacht verloren, aber nicht den Krieg", erklärte der Mitstreiter für den Beschluss zur Server-Migration hin auf freie Software. Da man seit 15 Jahren nach einer neuen Lösung für die Adress- und Terminverwaltung gesucht habe, könne man den Abgeordnetenbüros nun aber zumindest "etwas anbieten".

Dass eine Open-Source-Alternative nicht den Zuschlag erhielt, ist für Küster auch mit von der Verwaltung und den Fraktionen "selbst verschuldet". Die SPD-Fraktion habe seit drei Jahren mit Hilfe einer kleinen Softwarefirma aus Hamburg eine "sehr gute Terminverwaltung" mit frei verfügbarem Quellcode am laufen, die über LAN und Mobilfunk bestens funktioniere. Die Grünen wiederum hätten eine gute Adressverwaltung auf Open-Source-Basis implementiert. Idee der SPD sei es daher gewesen, ein Produkt mit Hilfe eines Firmenkonsortiums daraus zu machen. Für die Grünen wäre aber allein ihr Produkt in Frage gekommen, sodass die Kooperation scheiterte. Die Verwaltung wiederum hat Küster zufolge keine Zweitversion der ihr vorgeschlagenen Open-Xchange-Lösung getestet und dafür eine "merkwürdige Konstruktion" in Form eines Mischvorhabens mit dem E-Mail-Client Thunderbird ins Spiel gebracht, die nicht wirklich funktionierte.

Die SPD-Fraktion will laut Küster nun in Eigenregie einen Open-Xchange-Server aufsetzen und ihre Terminverwaltung mit Adressfunktionen kombinieren. Generell sei die vorgeschlagene Outlook-Lösung der IuK-Kommission nicht zwingend. Jeder sei frei, eigene Entwicklungen zu implementieren. Jüngst hatte der Linux-Verband scharfe Kritik an einer nicht-öffentlichen Ausschreibung eines Pilotprojektes der Bundestagsverwaltung für Groupware-Funktionen auf Basis von MS-Exchange geübt. Dabei seien allerdings alle Beschaffungsvorgänge vergaberechtskonform erfolgt, hieß es daraufhin im Parlament.

Nachbessern will die große Koalition derweil an ihrem Antrag zur Förderung offener Dokumentenstandards in Wirtschaft und Verwaltung. Gemeinsam mit dem Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) hatten der Linux-Verband, die Initiative patentfrei.de, der Berufsverband Selbständige in der Informatik, das Open Source Automation Development Lab (OSADL) und die Free Software Foundation Europe (FSFE) die Definition offener Standards gerügt. Damit könnten auch gebührenpflichtige patentierte Standards gemeint sein, die im Widerspruch zu "freien" Standards aus der Open-Source-Welt stünden, beklagten die Kritiker. Die Linke, die Grünen und die FDP forderten daher in Änderungsanträgen, dass die Nutzung offener Standards zu fairen und gebührenfreien Konditionen lizenziert werden müsse. Der Koalitionsantrag hatte zuvor nur von "fairen und diskriminierungsfreien" Bedingungen gesprochen.

SPD und die Union verschoben daraufhin am gestrigen Mittwoch die Beratung des Antrags im federführenden Wirtschaftsausschuss. Sie wollen nun mit der Opposition an einem interfraktionellen Antrag basteln, der in der nächsten Sitzungswoche reif für die Verabschiedung sein soll. In der von der CDU/CSU mitgetragenen Kompromisslösung ist vorgesehen, dass die "Ausgestaltung der Nutzungsbedingungen" offener Standards "den Vorgaben der internationalen Standardisierungsorganisationen entsprechen soll". Ein expliziter Hinweis auf das Schlüsselkriterium der Gebührenfreiheit oder -pflichtigkeit wird mit dieser Formulierung außen vor gelassen. Ein Verweis etwa auf das Europäische Interoperabilitäts-Rahmenwerk, wonach in offene Standards implementierte Schutzrechte "unwiderruflich gebührenfrei" für die Nutzung zur Verfügung gestellt werden müssen, ist nicht vorgesehen. (Stefan Krempl) / (jk)