Seehofer: "Old School" schützt Bundestagswahl vor IT-Angriffen

Innenminister Horst Seehofer hält es für entscheidend, dass der Wahlvorgang ohne Wahlmaschinen stattfindet. Der Verfassungsschutz warnt vor Einflussnahme.

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(Bild: roibu/Shutterstock.com)

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Bei der Bundestagswahl im September wird es rund um den Gang zur Urne kaum Störungen geben. Davon geht zumindest Bundesinnenminister Horst Seehofer aus. Es sei wichtig und richtig, dass der Wahlvorgang selbst "Old School" stattfinde, erklärte der CSU-Politiker laut Medienberichten am Mittwoch in Berlin. Er bezog sich dabei auf den Einsatz von Stimmzettel und Stift, während Wahlmaschinen hierzulande – im Gegensatz etwa zu den USA – nicht verwendet würden.

Zumindest bei der Stimmabgabe in Wahllokalen sind Manipulationen laut Seehofer so "undenkbar". Die Behörden täten alles, um "illegitime Einflussnahme oder den Versuch illegitimer Einflussnahme durch Akteure aus dem In- und Ausland zu verhindern", zitiert die Süddeutsche Zeitung den Minister. Die Vorbereitung und die Durchführung der Wahl seien sicher. Anlassbezogen könnten alle 43 zur Bundestagswahl zugelassenen Parteien Beratung in IT-Sicherheitsfragen erhalten. Seehofer betonte, dass dieses Angebot allen Betroffenen offenstehe und keine der Gruppen bevorzugt werde.

Weniger entspannt war der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang. Er warnte laut dem Bericht vor einem Aufschaukeln zwischen linker und rechter Gewalt, rechnet sogar mit Anschlägen auf Wahlkampfbüros, Wahlveranstaltungen und Wahlstände. Zudem versuchten ausländische Kräfte offenbar, mit gezielten Attacken auf Bundestagsabgeordnete an Material für eine Einflussnahme auf den Wahlkampf zu kommen.

Es gebe inzwischen eine dreistellige Anzahl von Angriffen der Gruppe "Ghostwriter" auf gewählte Volksvertreter von Bund und Ländern, sagte Haldenwang laut dem Tagesspiegel. Dabei gehe es darum, im Sinne der Methode "Hack and Leak" möglichst sensible Daten abzugreifen und zu veröffentlichten. Ein "nachrichtendienstlicher Hintergrund" sei wahrscheinlich. Der BfV-Chef und Seehofer hätten diesmal zwar ausdrücklich keine Namen und Nationen genannt. Es ist aber schon länger bekannt, dass die Sicherheitsbehörden den russischen Militärgeheimdienst GRU hinter der Kampagne vermuten.

Haldenwang betonte dem Bericht nach, die Angriffsversuche auf deutsche Abgeordneten seien bislang nur "in den wenigsten Fällen" erfolgreich gewesen. Viele Betroffene hätten die E-Mails gar nicht erst geöffnet. Wo dies doch geschehen sei, habe der Staatsschutz mit den Parlamentariern rasch Kontakt aufgenommen. Diese hätten ihre Systeme dann umstellen und bereinigen können. Arne Schönbohm, Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), hatte die Wahl zuvor als "attraktives Ziel" für Cyberattacken gesehen. Die Behörde habe ein "rotes Telefon" für Bedrohungen eingerichtet.

Der Tagesspiegel zitiert auch aus einem vertraulichen Bericht für die Innenministerkonferenz von Bund und Ländern, wonach russischen Staatsmedien wie Russia Today (RT) "eine herausgehobene Bedeutung bei der Verfolgung der Interessen des Kreml" zukomme. Dieser setze darauf, dass die über RT-Deutschland verbreiteten Narrative von Nutzern sozialer Medien aufgegriffen und weiterverbreitet würden, "um so ein negatives Stimmungsbild zu schaffen". Eine Zielperson der Agitation sie die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Sie habe sich mit ihrer Kritik an Russlands aggressiver Politik in Moskau unbeliebt gemacht.

Seehofer bezeichnete RT dagegen als normalen Fernsehsender. Dieser behandele die Bundesregierung und Deutschland zwar unfreundlich, "aber da kann jeder Bürger damit umgehen". Was hierzulande an Falschmeldungen und Propaganda produziert werde, sei dagegen "unterbelichtet". Konkret nannte er das Anlegen von Fake Accounts für Politiker in sozialen Netzwerken, um den Betroffenen Statements unterzuschieben.

Bundeswahlleiter Georg Thiel schätzte das Gesamtsystem als "extrem widerstandsfähig" ein. Die Vorbereitungsphase für die Bundestagswahl sei abgeschlossen, die Infrastruktur auf dem aktuellen Stand der Technik. Eine Woche vor dem Urnengang würden alle technischen Systeme "eingefroren", um Problemen vorzubeugen. Bei Netzen und Infrastruktur werde zudem 36 Stunden vor und nach der Wahl beobachtet, ob es "zu Attacken, zu Störungen, zu Ausfällen kommt". Thiel unterstrich, die Briefwahl sei genauso sicher wie die Stimmabgabe im Lokal.

(bme)