Bundeswehr-IT: Informationen sind auch im Krieg eine Macht

Die BWI und das Heer digitalisieren gemeinsam das Gefechtsfeld. Das Projekt dient der schnellen und sicheren Information und Kommunikation der Soldaten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 9 Kommentare lesen
Soldier,Using,Map,On,Tablet,For,Orientation,At,Forest,Soldat,Bundeswehr

(Bild: Shutterstock)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Peter Ilg
Inhaltsverzeichnis

Ob militärische Operationen erfolgreich sind, hängt von Umfang und Qualität der Digitalisierung beteiligter Streitkräfte ab. Die BWI, IT-Dienstleister und Systemhaus der Bundeswehr, arbeitet am Gefechtsfeld der Zukunft. Ein aktuelles und weitreichendes Projekt ist die "Digitalisierung landbasierter Operationen". Projektleiter auf Seiten des BWI ist Christopher Gaube, 37 Jahre, Diplom-Pädagoge mit Schwerpunkt IT, einem Master in MBA und ehemaliger Offizier bei der Bundeswehr.

"Mit Gefechtsständen kenne ich mich aus", sagt Gaube. Wie sie funktionieren, hat er in der Theorie und Praxis in seiner Offiziersausbildung gelernt und beim Einsatz in Afghanistan erlebt. Um eine landbasierte Operation digital abbilden zu können, ist es gut zu wissen, wie sie in der Praxis abläuft. In diesem Projekt ist der Anwendungsfall für die IT eine militärische Auseinandersetzung.

Bei einer landbasierten Operation denken Soldaten in vier Dimensionen: Land, Luft und Weltraum, See, Cyber- und Informationsraum. "Einsätze auf dem Land finden auf dem Boden und im bodennahen Luftraum bis zu etwa zwei Kilometer Höhe statt", sagt Gaube. Deshalb wirken neben Landfahrzeugen auch Luftfahrzeuge, Marineeinheiten und vernetzte IT-Systeme mit. Heutzutage werden kriegerische Konflikte in allen Dimensionen ausgetragen, wie wir aktuell in der Ukraine sehen. Der Cyber- und Informationsraum ist seit 2017 eine eigene Teilstreitkraft der Bundeswehr mit etwa 14.500 Soldatinnen und Soldaten.

heise jobs – der IT-Stellenmarkt

Zu Arbeitsplätzen und Stellenangeboten in der IT-Branche siehe auch den Stellenmarkt auf heise online:

Zurück zum Szenario. Landbasierte Operationen sind ein Schwerpunkt des Heers, bei der sich eigene und gegnerische Kräfte in einer Duellsituation gegenüberstehen. "Wir sprechen in Deutschland von einer Landes- und Bündnisverteidigung", sagt Gaube. Die Digitalisierung landbasierter Operationen ist gleichzusetzen mit der Digitalisierung des Gefechtsfelds, auf dem Soldaten Informationen zur Verfügung gestellt bekommen und diese nutzbar gemacht werden. "Das steigert die Kampfkraft", sagt Gaube. Informationen sind auch im Krieg eine Macht.

Offiziere müssen mit ihren Soldatinnen und Soldaten im Einsatz kommunizieren per Sprache oder Daten und das unter oft schwierigen Bedingungen: in Gebäuden und Wäldern und der Gegner versucht, diese Kommunikation elektromagnetisch zu stören. Positionsdaten zeigen, wo die eigenen, verbündeten und die Streitkräfte des Gegners sind. Karten kennen den Zustand von Straßen und die Tragfähigkeit von Brücken. Das sind deutlich detaillierte Informationen, als sie Google Maps liefert. Nachrichten verschicken und empfangen klingt zwar einfach, ist aber schwer aus und in gepanzerten, zudem extrem lauten Fahrzeugen.

Die BWI hat gemeinsam mit der Bundeswehr bei dem Projekt nicht bei null angefangen. "Allerdings hat die Bundeswehr in einigen Feldern Nachhol- und Verbesserungsbedarf", sagt Gaube. Für die Modernisierung von Hard- und Software soll die Bundeswehr eine gigantische Finanzspritze von 100 Milliarden Euro bekommen. Davon könnte auch das BWI partizipieren.

In dem Projekt wird ein übliches Dreischichtenmodell für die Architektur verteilter Systeme eingeführt. Im ersten Schritt ist das ein Infrastructure Layer, dann folgen Middleware, daraufhin Applications. Zunächst wird in Panzern und anderen militärischen Fahrzeugen Hard- und Software etwa für Satellitenkommunikation oder den Aufbau von 5G-Netzen integriert. "Der erste Schritt ist sehr umfangreich, weil die Aufwände für die Integration digitaler Systeme enorm sind", sagt Gaube. Die Fahrzeuge wurden in den 1970er und 1980er Jahre für analoge Kommunikation geplant und gebaut.

Für die zweite Schicht des Architekturmodells ist Steffen Berliner zuständig. Der 32-jährige Ingenieur der Elektro- und Informationstechnik war vor seiner Zeit bei der BWI Heeresoffizier in der IT der Bundeswehr. Die Middleware stellt Netzwerk- und Kommunikationsdienste zur Verfügung. Unterschiedliche Übertragungstechnologien wie Funk, LTE oder Satellitenkommunikation stehen den Soldatinnen und den Soldaten beziehungsweise dem Fahrzeug, in Abhängigkeit des zu erfüllenden Auftrages, zur Verfügung. Diese werden automatisch über die Middleware mit verschiedenen Anwendungen, wie etwa einem Führungsinformationssystem, gekoppelt.

"Die Soldatinnen und Soldaten müssen sich künftig nicht mehr aussuchen, wie sie kommunizieren wollen. So können sie sich besser auf ihren Einsatz konzentrieren", sagt Berliner. Er unterstützt das Bundesamt für Beschaffung durch Beratung, damit das Beschaffungsamt einen Dienstleister mit der Entwicklung beauftragen kann.

Grundsätzlich lässt sich das Projekt mit klassischen Projekten in einem IT-Systemhaus vergleichen: Es gibt etwa Aufgaben aus den Bereichen Qualitäts-, Change- und Risikomanagement. "Die Besonderheit an diesem Projekt ist allerdings, dass die Software völlig neu ist, es keine Vergleichswerte gibt, auch nicht im Zivilen und mit etwa 15 bis 20 eine Vielzahl an Schnittstellen zu anderen Projekten hat", sagt Berliner. Ihn reizt beruflich gerade diese Komplexität und die Koordination aller Punkte.

Berliner kann es verstehen, wenn Menschen seiner Aufgabe skeptisch gegenüberstehen. "Ich verstehe aber auch, dass Sicherheit wichtig ist." Für Berliner ist die Bundeswehr daher notwendig und er hat deshalb keine Hemmnisse in seinem Job.

Das Projekt Digitalisierung landbasierter Operationen läuft seit 2018 und reicht bis in die 2030er Jahre hinein. "Dazwischen sollen rund 10.000 militärische Fahrzeuge mit moderner Kommunikationstechnologie ausgerüstet werden", sagt Gaube. Das finanzielle Projektvolumen liegt deutlich über 1 Milliarde Euro. Beim Bundesamt für Beschaffung gehören etwa 30 Mitarbeitende zum Projektteam, beim BWI sind es rund 50. "Wir haben ein heterogenes Team gebildet aus ehemaligen Bundeswehrangehörigen und Kollegen aus der Wirtschaft, aber alle mit IT-Verständnis", sagt Gaube. Deren zahlenmäßiges Verhältnis ist in etwa pari pari. Die inhaltliche Vorgehensweise ist inkrementell: Schritt für Schritt sollen die Lösungen durch permanente Tests und Versuche der Bundeswehr verbessert werden.

Das gesamte Projekt dient der schnellen und sicheren Information und Kommunikation von Soldatinnen und Soldaten bis an die Waffensysteme. Dort verläuft die Grenze des BWI, dahinter bewegen sich deren Mitarbeitenden nicht.

(axk)