Bundeswettbewerb KI: 10 Teams fĂĽrs Finale
Zehn Teams dürfen am 15.11. in Tübingen ihre Machine-Learning-Projekte präsentieren: Die jugendlichen Finalisten bewiesen Erfindergeist und Bastelgeschick.
Im März rief das Tübingen AI Center den diesjährigen Bundeswettbewerb KI (BWKI) aus. 101 Teams (insgesamt 227 Einzelpersonen, darunter 50 Mädchen) meldeten sich an und hofften, einen der begehrten Finalplätze zu ergattern. Bis Mitte September hatten die Teilnehmer Zeit, ihre Projekte in funktionierenden Code zu gießen und in einem Pitch-Video vorzustellen. Jetzt stehen die Finalisten fest: Zehn Teams beziehungsweise 11 Jungen und 5 Mädchen dürfen am 15. November zum Finale nach Tübingen reisen und ihre Werke präsentieren. Bis konkrete Namen und detaillierte Projektbeschreibungen veröffentlicht werden, dauert es noch ein Weilchen. Wir hatten jedoch Gelegenheit, uns einen ersten Überblick zu verschaffen und mit einem der Projektbegutachter zu sprechen.
Alexander Braun ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Tübingen und einer der neun BWKI-Projektbegutachter. Er verriet uns, nach welchen Kriterien die Arbeiten bewertet werden und wie sich die neuesten Entwicklungen im Machine Learning in den Einreichungen bemerkbar machen. Um unbewusste Präferenzen zu vermeiden, wurden die Projekte anonymisiert: Name, Alter, Geschlecht und Wohnort bekamen er und die anderen Gutachter und Gutachterinnen nicht zu Gesicht.
Die Bandbreite, der Ideenreichtum und die pragmatische Umsetzung begeistern schon beim Lesen der Kurztexte: Es wurde trainiert, programmiert und gebastelt; Der Code und die mitunter zugehörigen Apparaturen lösen konkrete Probleme, sowohl im Alltag als auch in der Gesellschaft, der Umwelt und der Wissenschaft.
Auch wenn LLMs und Bildgeneratoren derzeit den Diskurs bestimmen und so manch kontroverse Diskussion auslösen – im Wettbewerb spielten sie nicht die Hauptrolle und wenn sie eingesetzt wurden, dienten sie nur als Hilfsmittel. Eine zentrale Technik ist nach wie vor die klassische Mustererkennung mithilfe neuronaler Netze, sei es in Bild- oder anderen Daten: Die Jugendlichen konzipierten und bauten damit effiziente, ressourcenschonende Systeme für alle möglichen Zwecke, die von der Landwirtschaft über den Privathaushalt bis hin zur Verkehrssteuerung und Veranstaltungstechnik reichten. Andere Teams verwandelten einfache Geräte, etwa für die medizinische Diagnostik, mithilfe von KI in High-Tech-Apparate, entwickelten Roboter-Assistenten für den Sport oder lösten ungeklärte wissenschaftliche Rätsel. Die Jugendlichen fanden auch Lösungen, wie man persönliche – unter anderem medizinische – Daten zum Wohle des Einzelnen unter Wahrung der Privatsphäre aufbereitet.
Herr Braun, Sie hatten die spannende und sicherlich nicht ganz einfache Aufgabe, die eingereichten Projekte zu beurteilen. Welches Themenspektrum hat Sie erwartet?
Thematisch waren die eingereichten Projekte dieses Jahr wieder extrem vielseitig und kein Projekt ist wie das andere. Manche befassen sich mit sehr großen Herausforderungen wie dem Klimawandel oder dem Erkennen von Krankheiten, andere lösen kleine Probleme, die jeder aus dem Alltag kennt. Alles in allem waren dieses Jahr sehr viele kreative und innovative Ideen dabei, die man so noch nicht gesehen hat.
Sehen Sie einen bestimmten thematischen Trend im Vergleich zu den vergangenen Jahren?
Auch letztes Jahr waren die Einreichungen sehr unterschiedlich, einen klaren Trend oder bestimmte Entwicklungen bei den Themen konnte ich hier nicht erkennen. Es waren aber ein paar Projekte dabei, die auch schon im letzten Jahr angetreten sind, bei denen es aber damals noch nicht ganz fĂĽr das Finale gereicht hat. Hier ist es dann immer sehr spannend zu sehen, wie eine Idee weiterverfolgt wurde und sich die Umsetzung verbessert hat.
Wie wirken sich die aktuellen Entwicklungen im Machine Learning, also vor allem generative KI und speziell die groĂźen Sprachmodelle, auf die eingereichten Projekte aus?
Man hat bemerkt, dass mehr Teams auf bereits bestehenden KI-Anwendungen aufbauen und weniger eigene ML-Modelle von Grund auf neu entwickeln. Es wurden so deutlich häufiger Sprachmodelle wie GPT oder Llama und Modelle zur Objekterkennung wie Yolo eingesetzt. Diese bestehenden Modelle wurden dann durch Prompting oder Finetuning auf einen bestimmten Anwendungsfall angepasst. Daran erkennt man gut, dass bestimmte KI-Anwendungen innerhalb der letzten Jahre deutlich zugänglicher für EntwicklerInnen geworden sind. Auch wenn dadurch weniger „from scratch“ gebaut wird, finde ich die Entwicklung sehr positiv. Beim Programmieren bedient man sich ja auch regelmäßig an bestehenden Bibliotheken und erfindet nicht immer das Rad neu. Die Einstiegshürde sinkt enorm und man hat als Hobby-ProgrammiererIn plötzlich ganz neue Möglichkeiten, weil man auf bestehenden Lösungen aufbauen kann. So ein Large Language Model kann man ja auch nicht einfach mal eben so selbst bauen.
Ist es dadurch schwieriger geworden, die Leistung der Teilnehmenden zu bewerten?
Bei der Bewertung mussten wir hier natürlich etwas genauer hinschauen und auseinanderhalten, wo die Eigenleistung und Innovation in einem Projekt steckt und welche Funktionen schon zur Verfügung standen. Hier war ich aber eher positiv überrascht, denn in den allermeisten Fällen steckte immer noch sehr viel eigene Arbeit in den Projekten. Bestehende Modelle wurden oft sehr kreativ miteinander verknüpft oder weiterentwickelt, sodass neue und innovative Lösungen entstanden sind.
Werden die Projekte ambitionierter?
Durch die größere Verfügbarkeit an bestehenden KI-Anwendungen, auf denen man aufbauen kann, ist es auf jeden Fall etwas leichter geworden, schnell zu vorzeigbaren Ergebnissen zu kommen. Vor allem Large Language Models wurden deutlich häufiger eingesetzt und schaffen ganz neue Möglichkeiten. Sehr beeindruckend sind aber auch immer die Projekte, die zusätzlich zur Software auch eigene Hardware entwickeln und zusammenbauen. Hier gab es sowohl dieses als auch im vergangenen Jahr sehr beeindruckende und ambitionierte Einreichungen. Alles in allem ist das Niveau durchgehend sehr hoch.
Wie ausgereift muss ein Projekt sein, welche Maßstäbe legen Sie an?
Wir bewerten, wie relevant und innovativ die Idee ist und wie gut diese umgesetzt wurde, wobei hier natürlich der Einsatz von Machine-Learning-Methoden im Fokus steht. Dazu kommt die Präsentation im Video-Pitch und die kritische Betrachtung des eigenen Projektes in Hinblick auf Schwächen oder mögliche Risiken.
Was wĂĽrde direkt zur Ablehung fĂĽhren?
Was eher nicht so gut ankommt ist, wenn es bei einem Projekt an Innovation und eigenen Ideen mangelt. Es ist natürlich kein Problem, öffentliche und bekannte Datensätze zu verwenden, solange man daraus etwas Neues erschafft. Wenn einfach Anleitungen nachprogrammiert werden, ist das zwar eine gute Übung, das reicht dann aber nicht für das Finale.
Auf der anderen Seite gibt es auch einige Einreichungen mit sehr tollen und innovativen Ideen, die aber noch nicht wirklich funktionieren oder erst ganz am Anfang stehen. Wir können immer nur das bewerten, was auch wirklich als Code abgegeben wird. Hier versuchen wir aber immer, viel Feedback zu geben und die Teams zu motivieren, weiter an dem Projekt zu arbeiten. Hoffentlich sehen wir dann einige Projekte nächstes Jahr wieder und freuen uns dann umso mehr, wenn die Idee fertig umgesetzt wurde.
Und was begeistert Sie?
Mich persönlich begeistern Projekte immer am meisten, wenn sie eine „runde Sache“ sind. Dabei spielt es gar keine Rolle, ob die Idee die Welt verändert oder einfach nur ein kleines Problem aus dem Alltag löst. Lieber ist das Projekt etwas kleiner, aber dafür gut umgesetzt und bis zum Ende durchdacht, als dass man sich große Ziele steckt, diese aber nur zu einem kleinen Teil umgesetzt wurden. Projekte mit einer tollen Idee, die ein tatsächliches Problem lösen und bei denen zum Schluss etwas herauskommt, das man tatsächlich anschauen und ausprobieren kann, haben für mich gute Chancen auf das Finale.
Haupt-, Sonder- und Publikumspreise
Beim Finale am 15.11. werden vier Projekte gekĂĽrt: Das Gewinnerteam, das die Jury insgesamt ĂĽberzeugt, bekommt den mit 1500 Euro dotierten Hauptpreis sowie einen Praktikumsplatz beim Robotik- und Automationsspezialisten FANUC.
Der Preis in der Sonderkategorie AI for Good geht an ein besonders nachhaltiges KI-Projekt; das Team erhält 1000 Euro. Die Sonderkategorie No risk, no fun! belohnt das Team mit der innovativsten Idee beziehungsweise einer besonders ausgefallenen Hardware-Lösung mit 750 Euro.
Auch Sie können abstimmen, denn es gibt einen Publikumspreis: Ab dem 1. November kann sich jeder auf der BWKI-Seite über die Projekte informieren und seinen persönlichen Favoriten wählen; der Publikumsliebling erhält 500 Euro.
Bereits ausgezeichnet wurde die Anne-Frank-Schule aus Molbergen in Niedersachsen als KI-Schule des Jahres. Deren SchĂĽlerinnen und SchĂĽler haben besonders aktiv am ebenfalls von den Veranstaltern initiierten Online-KI-Kurs teilgenommen.
heise Medien ist 2024 Kooperationspartner des BWKI. c't-Redakteurin Andrea Trinkwalder wird in diesem Jahr Teil der Jury sein.
(atr)