CFP 2006: pro und kontra RFID

RFID-Chips seien nichts weiter als Spione, die den Alltag und die Konsumgewohnheiten des Einzelnen ohne deren Wissen ausspionierten, kritisierten Verbraucherschützer. Sie seien "Consumer Value Chips", hielten Industrievertreter dagegen.

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Von
  • Wolfgang Kleinwächter

Radio Frequency Identification (RFID) entzweit weiter die Gemüter. Auf der "Computer Freedom and Privacy Conference" (CFP 2006) in Washington gerieten die kritische Aktivistin Katherine Albrecht von der Harvard University und der Präsident der Information Technology and Innovation Foundation (ITIF), Rob Atkinson, aneinander, als es um das Pro und Kontra der Technik ging.

Albrecht hat vor Jahren das Verbraucherschutznetzwerk CASPIAN gegründet und ist seitdem permanent unterwegs, um vor den Chip-Winzlingen zu warnen, die in immer mehr Objekten integriert werden. Sie sieht in den RFID-Chips nichts anderes als einen "Spion", der den Alltag und die Konsumgewohnheiten des Einzelnen ausspioniert, ohne dass er davon eine Ahnung hat. Mit CASPIAN hat Albrecht Dutzende von Aktionen gestartet, um Verbrauchern vor Augen zu halten, was alles passieren kann, wenn der RFID-Chip erst einmal in unserer Kleidung, unseren Schuhen, unserem Kühlschrank und unserem Reisepass gelandet ist. RFID stehe sozusagen für das Ende der Privatsphäre.

Für Atkinson hingehen ist RFID ein "Consumer Value Chip", der die Verbraucher nicht bedroht, sondern viele neue Dienste ermöglicht. Unternehmen könnten ihre Logistik effektiver gestalten, Kosten sparen und damit auch Preise senken. Rein theoretisch, meinte Atkinson, seien die Schreckensszenarien, die Katherine Albrecht in ihrem neuen Buch "The Spychip" beschreibt, möglich. Allein tendiere die Wahrscheinlichkeit, dass jedermann bis zum letzten ausspioniert wird, gen Null. Sowohl demokratisch gewählte Regierungen als auch die unabhängig wirkenden Marktkräfte würden Albrechts Worst-Case-Scenario verhindern, sagte Atkinson. Jede Technologie sei schließlich sowohl für gute als auch für schlechte Zwecke einsetzbar. Die meisten Technologien würden letztendlich dann aber doch zu 99 Prozent für ihren eigentlichen nützlichen Zweck eingesetzt. Die Furcht vor dem Missbrauch neuer Technologien verbaue innovative Entwicklungen und sollte nicht zur Richtschnur des Handelns werden.

Mit diesem "Es wird schon alles gut gehen"-Ansatz provozierte Atkinson zwangsläufig die Mehrheit des Publikums bei der CFP 2006, mehrheitlich Aktivisten im Kampf um den Schutz der Privatsphäre: Seien Technologien erst einmal implementiert, gebe es keinen wirkungsvollen Schutz gegen deren Missbrauch, wenn ein politisches oder wirtschaftliches Interesse entsteht. Albrecht stellte ihrerseits klar, dass sie die RFID-Chips nicht verteufele. Sie sehe selbstredend die Möglichkeiten der neuen Technik, sehe aber auch, dass mehr und mehr Chips in Objekte implantiert würden, ohne dass die Nutzer von diesen Objekten eine Ahnung hätten. 85 Prozent der Bürger wüssten nicht, was der neue Chip ist und was er alles kann. Nur 8 Prozent seien besorgt darüber, dass RFID missbraucht werden könnte. Atkinson seinerseits räumte zumindest ein, dass Produkte mit RFID-Chips gekennzeichnet werden sollten. Er unterstützte auch Vorschläge, dem Nutzer Instrumente zur Deaktivierung des Chips in die Hand zu geben.

Auf dieser Kompromisslinie von Atkinson lag Lydia Parnes, Direktorin des Büros für Verbraucherschutz der US-Handelsaufsicht Federal Trade Commission (FTC). Die US-Regierung nehme den Schutz der Privatsphäre von Verbrauchern sehr Ernst, sagte Parnes. Sie verwies auf die Entscheidung der FTC, Klage gegen fünf Internet-Unternehmen zu erheben, die ohne Einwilligung ihrer Kunden Daten zu Telefongesprächen über das Mobiltelefon an Dritte verkauft hätten. Parnes kritisierte, dass zu viele Unternehmen ein zu gering entwickeltes Sicherheitsbewusstsein für die ihnen anvertrauten personenbezogenen Daten hätten. Einerseits würden zu leichtfertig Daten an Dritte herausgegeben, anderseits hätten zu wenig Firmen die notwendige Sicherheitstechnik installiert, um sich vor Eindringlingen sowie Spy- und Malware zu schützen. Allein im letzten Jahr habe es in den USA über 2000 Fälle mit Datenmissbrauch gegeben, bei denen es zu Gerichtsverfahren gekommen sei. Parnes appellierte auch an jeden einzelnen Verbraucher, ein höheres Sicherheitsbewusstsein zu entwickeln: Der Schutz vor einem Missbrauch persönlicher Daten beginne beim eigenen Computer. Die FTC habe dafür eine eigene umfangreiche Webseite mit allen notwendigen Informationen eingerichtet – auf die Frage des Moderators an das Publikum, wer denn die FTC-Website kenne, meldeten sich jedoch gerade einmal fünf Prozent der Anwesenden.

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(Wolfgang Kleinwächter) / (jk)