CIA-Warnung zu Anschlägen in Barcelona gefälscht?

Wikileaks-Gründer Assange hält das angebliche CIA-Dokument wegen Fehlern für "sehr suspekt" und "modifiziert oder gefälscht", auch der Zeitungsdirektor rudert zurück

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Schon kurz nach dem Anschlag auf den Ramblas in Barcelona hatte die Zeitung El Periódico auf ihrer Website von einer Warnung gesprochen, die angeblich vom CIA stammen soll, womit die Regionalpolizei "Mossos d'Esquadra" konkret gewarnt worden sei. Die katalanische Regionalregierung hatte schon damals erklärt, das sei unmöglich, da sie keinerlei Kontakt zu Geheimdiensten habe. Denn Informationen von den Diensten erhalten nur die spanischen Sicherheitskräfte.

Längst bekannt ist auch, dass Katalonien nicht einmal Zugang zu Europol-Daten hat und sogar vor den Anschlägen von spanischen Datenbanken abgeschnitten war. Deshalb hatte die Regionalpolizei nicht einmal Informationen darüber, dass der Imam aus Ripoll, der Kopf der Terrorzelle, wegen Drogenhandel vorbestraft war und immer wieder im radikal islamistischen Umfeld aufgetaucht war, weshalb gegen ihn schon ermittelt worden war.

Heute legte die Zeitung nach und erklärte, die angebliche CIA-Warnung stamme vom 25. Mai, dort sei konkret vor einem Anschlag auf den Ramblas in Barcelona gewarnt worden. Der Chef der Zeitung sagt, man habe die Informationen nicht schon vor den Anschlägen veröffentlichen wollen, um keine "unberechtigte Alarmstimmung" zu erzeugen. So rechtfertigt Enric Hernàndez die merkwürdige Vorgehensweise der Zeitung.

Dass die Mitteilung von der CIA stammen kann, bezweifelt auch der Wikileaks-Gründer Julian Assange. Er schreibt in einem Tweet, dass sie "gefälscht oder modifiziert" zu sein scheint. Assange hält das angebliche CIA-Dokument aus guten Gründen für "sehr suspekt", denn es enthält etliche Fehler, die darauf hinweisen, dass der Urheber spanischer Muttersprachler ist. Deshalb hatte er in einem früheren Tweet, der allerdings gelöscht wurde, schon von einem "klar gefälschten" Dokument sprach und auf die Nähe zum kommenden Referendum in Katalonien zur Unabhängigkeit am 1. Oktober verwiesen, das Spanien bekanntlich mit allenMitteln verhindern will.

Assange bezieht sich in seiner Einschätzung vor allem darauf, dass die falschen Anführungszeichen << >> in einem Text benutzt worden seien, wie man sie in Spanien verwendet. Dazu werde die spanische Ausdrucksweise "ISIS" für den sogenannten islamischen Staat benutzt. Es wird nicht, wie beim CIA üblich ist, von "ISIL" gesprochen. Und das gilt auch für den "Irak", denn den Landesnamen schreibt man in den USA "Iraq". Assange fordert Hernàndez zum Rücktritt auf, weil er eine "Irreführung der Öffentlichkeit" versucht habe.

Wie andere Beobachter feststellen, sind in dem kurzen Auszug damit nicht einmal alle Fehler benannt. Sogar das Datum ist falsch geschrieben, wie der Ökonom Xavier Sala-i-Martin feststellt. Er wundert sich auch, dass die Zeitung nach den Anschlägen nur geschrieben hatte, dass die Mossos gewarnt worden seien. Dabei hat der Zeitungschef nun sogar zugegeben (siehe unten), dass die Warnung an alle spanischen Sicherheitskräfte gegangen ist.

Inzwischen spricht auch die katalanische Regionalregierung von einer "Operation zur Diskreditierung" und der katalanische Innenminister Joaquim Forn unterstrich heute erneut: "Wir haben keine Beziehung zur CIA." Er und der Chef der Mossos Josep Lluís Trapero räumen gleichzeitig ein, dass unter "Dutzenden Terrorwarnungen", die bei den Behörden eingehen, auch eine Warnung am 25. Mai war. Sie sei aber von "niedriger Glaubwürdigkeit" gewesen, hätten die spanischen Sicherheitskräfte sie bewertet, nachdem die Mossos sie nach Madrid weitergeleitet hatten. Die Quelle, woher der Hinweis kam, wollten Forn und Trapero aber nicht nennen.

Konservative Zeitung vor dem Referendum mit Schmutzkampagne gegen Katalonien?

In einem Radiointerview hat der Direktor von El Periódico seiner Darstellung im heutigen Artikel schon massiv widersprochen. Auf die Frage der Journalistin Mònica Terribas in "Catalunya Ràdio" behauptet er nun, dass der Hinweis nicht von der CIA, sondern vom "National Counterterrorism Center" (NCTC) gekommen sein soll und gibt auch zu, dass der Hinweis an alle spanischen Sicherheitskräfte gegangen ist. Ob die das Dokument auch die "Guardia Civil und die Nationalpolizei" erhalten habe, fragt Terribas: "Ja oder Nein?" Hernàndez antwortet: "Das ist korrekt, ja".

Schon damit macht er klar, dass er sich für eine Schmutzkampagne gegen die Mossos und die Regionalregierung hergegeben hat. Er muss auch zugeben, dass die Überschrift es Aufmachers falsch ist, in der behauptet wurde, dass die "CIA die Mossos gewarnt hat". Eine Abschrift des gesamten Interviews kann hier nachgelesen werden.

Man fragt sich, warum sich eine Zeitung für eine solche Kampagne hergibt und nicht mal eine Plausibilitätsprüfung durchführt. Die hätte ergeben, dass die Warnung kaum von einem US-Geheimdienst stammen kann, sondern viel eher aus dunklen spanischen Giftküchen kommen dürfte. Man kann sich deshalb nur Assange anschließen, dass El Periódico hier Desinformation betreibt und der Direktor zurücktreten sollte.

Es drängt sich geradezu auf, dass die Vorgänge in direktem Zusammenhang zum geplanten Referendum stehen, gegen das sich El Periódico positioniert. Wer weiß, dass mit dem früheren spanischen Innenminister Jorge Fernández Díaz kürzlich erstmals im spanischen Parlament ein Minister für sein "antidemokratisches" Verhalten gerügt wurde – nur seine rechte Volkspartei (PP) stimmte dagegen -, da er eine Schmutzkampagnegegen katalanische Politiker anführte, wundert man sich in Spanien eigentlich über kaum noch etwas.

Da sein Gesprächspartner nur "schwache Indizien" für Anschuldigungen sah, erklärte der damalige Innenminister: "Das wird die Staatsanwaltschaft anpassen." Auch so könne man großen Schaden anrichten.. Er machte damit zudem klar, was man von Gewaltenteilung in Spanien halten kann. Und es drängt sich geradezu der Eindruck auf, dass auch mit den neuen Vorwürfen gegen die Mossos und die Regionalregierung vor allem "großer Schaden" angerichtet werden sollte, was aber offensichtlich wieder einmal zum Rohrkrepierer wird.