Erster Serien-Computer mit menschlichen Hirnzellen ist erstaunlich gĂĽnstig

CL1 heiĂźt der erste, kommerziell vertriebene Computer, in dem menschliche Gehirnzellen rechnen. Der Preis ist niedrig, die Lebenserwartung auch.

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Langgezogener weißer Kasten; oben ist er transparent, so dass Kabel, Schläuche und Bauteile zu sehen sind; rechts zeigt ein schwarzes Touchdisplay Temperatur sowie die Konzentration von CO2 und O2 an

CL1 von Cortical Labs

(Bild: Cortical Labs)

Lesezeit: 3 Min.

Zum ersten Mal gibt es einen kommerziell angebotenen Computer mit Bioreaktor, in dem menschliche Gehirnzellen mit einem Chip verbunden sind und Rechenaufgaben erledigen. Das Gerät heißt CL1 und stammt vom australischen Start-up Cortical Labs. 2021 hat das Unternehmen einem Prototypen beigebracht, Pong zu spielen.

Jetzt können Forscher die Geräte bestellen. Laut Medienberichten bewegt sich der Preis eines CL1 um lediglich 35.000 US-Dollar, allerdings beschränkt sich die Lebenserwartung der Zellen auf "bis zu sechs Monate". Die Hirnzellen wurden aus menschlichen Stammzellen gezüchtet und werden in dem Bioreaktor durch eine Nährlösung am Leben gehalten. Dafür soll das Gerät ausnehmend energieeffizient sein. Die Rede ist von lediglich 20 Watt Leistung. "Wir fangen damit an, was digitale KI-Modelle durch Verbrauch enormer Ressourcen zu emulieren suchen", lautet die Werbebotschaft des Herstellers.

FĂĽr das Betriebssystem hat sich Cortical Labs den nicht gerade suchmaschinenoptimierten Namen "biOS" einfallen lassen. Das steht hier fĂĽr "Biological Intelligence Operating System". "Es simuliert eine Welt und sendet Informationen ĂĽber die Umwelt direkt an die Neuronen", schreibt Cortical Labs. Die Reaktionen der Neuronen beeinflussen dann die simulierte Welt.

Bioreaktor, Software, Daten und Touchscreen sind allesamt im CL1 enthalten, externe Computer sind nicht erforderlich. Über USB können Eingabegeräte, Kameras, Stellmotoren und andere Gerätschaft angeschlossen werden.

Langfristig meint Cortical Labs, dass seine Biological Intelligence (auch Organoide Intelligenz genannt) der heute populären Künstlichen Intelligenz den Rang ablaufen werde. Letztere sei einfach viel zu ineffizient, KI-Chips könnten mit menschlichen Neuronen nicht mithalten. Für Philosophen und Ethiker bereitet dies ein weites Feld mit Fragen nach Bewusstsein, etwaigen Gefühlen oder Rechten der menschlichen Zellkulturen.

Kurzfristig sollen Forscher mit CL1 mehr darüber herausfinden können, wie echte Neuronen Informationen verarbeiten. Cortical Labs sieht dies als "ethisch überlegene Alternative zu Tierversuchen", die gleichzeitig relevantere Ergebnisse über menschliche Hirne zeitige. "Untersuchen Sie die Gehirnfunktion mit beispielloser Klarheit durch biologische Computertechnik, die neuronale Anpassungsfähigkeit und Lernfähigkeit in Echtzeit erfasst und so Krankheitsmechanismen und kombinierte Auswirkungen auf kognitive Fähigkeiten aufdeckt", lautet die Werbebotschaft.

Im Laufe des Jahres möchte das Melbourner Unternehmen auch "Wetware as a Service" (WaaS) anbieten. Gemeint ist damit die cloudbasierte Nutzung der CL1. Cortical Labs wird dafür mehrere CL1 zusammenschalten und für zeitweise Fernnutzung vermieten.

Damit können Forscher mehr Rechenkapazität nutzen als mit nur einem Gerät. Gleichzeitig können sie sich an dem Konzept versuchen, ohne gleich ein CL1 bestellen zu müssen, dass sie dann vielleicht nicht hinreichend ausnutzen, bevor die Zellen absterben.

(ds)