CT-Scan entdeckt Bleistift in Ritter-Mumie aus dem 18. Jahrhundert

Der sagenumwobene "Ritter Kalebuz" aus Brandenburg ist erstmals vollständig untersucht worden. Im Körper fand sich ein Bleistift, der nicht zeitgenössisch ist.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 94 Kommentare lesen

In der Mumie eines brandenburgischen Ritters, der 1702 verstarb, fand sich jetzt ein Bleistift von Faber.

(Bild: Erzeugt mit Dall-E durch heise online)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Nico Ernst
Inhaltsverzeichnis

Bei der ersten rein wissenschaftlichen Untersuchung der Mumie des Ritters Christian Friedrich von Kalebuz (1651 bis 1702) machten Forscher der Universitätsklinik von Ruppin-Brandenburg eine mehr als seltsame Entdeckung: In der Brusthöhle des Verstorbenen steckte ein Bleistift. Nach der computertomografischen Untersuchung konnte das Schreibgerät endoskopisch entfernt werden, also ohne größere Beschädigung des Leichnams.

Wie die Wissenschaftler mitteilen, handelt es sich bei dem Stift um ein Modell der Marke Johann Faber, das vermutlich zwischen 1900 und 1902 hergestellt wurde. Die Familie Faber, auf die der heutige Name Faber-Castell zurückgeht, hatte erst Mitte des 18. Jahrhunderts mit der Herstellung von Bleistiften begonnen. Selbst bei einer Fehldatierung könnte der Stift also keinesfalls zu Lebzeiten des Ritters in seinen Körper gelangt sein.

Die Erklärung ist nur etwas weniger gruselig als die Geschichte der Mumie selbst, dazu gleich mehr, denn der Mediziner Rudolf Virchow hatte den Ritter 1895 schon untersucht. Laut den heutigen Wissenschaftlern dürfte der Bleistift dabei nicht einfach vergessen worden sein: "Dies reiht sich in bekannte Geschichten über den einen oder anderen Schabernack ein, der mit der Mumie in früheren Jahrhunderten getrieben wurde" sagt Andreas Winkelmann, Anatomieprofessor an der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane (MHB), der die Untersuchung leitete. Die Forscher drücken das vorsichtig aus, die Interpretation liegt nahe, dass der Bleistift durch die 1895 geschaffene Öffnung später absichtlich in der Mumie platziert wurde.

In der Tat wurden bereits im 15. Jahrhundert ägyptische Mumien zuerst nach England, dann auch in andere Länder überführt, um daraus die Substanz "Mumia" zu gewinnen – eine Aufbereitung des toten Körpers, der Heilkräfte zugesprochen wurden. Im 18. und frühen 19. Jahrhundert entwickelte sich daraus vor allem in wohlhabenden Kreisen eine regelrechte Hysterie um ägyptische Mumien, die in den berüchtigten Auswickel-Partys gipfelte. Zum Glück heute nicht nur aus ethischen Gründen undenkbar.

Ähnlich dürfte man auch mit dem Ritter Kalebuz umgesprungen sein, dessen Mumie bereits 1794 bei Bauarbeiten an der örtlichen Kirche entdeckt wurde. Die heutigen Forscher um Professor Winkelmann führen die Mumifizierung auf natürliche Ursachen zurück: Kalebuz war in einem Doppelsarg mit vier Standbeinen bestattet worden. Der Leichnam soll dadurch schnell ausgetrocknet und nicht verwest sein. Das erinnert an die Mumie "Ötzi", eines Steinzeitmenschen aus den Ötztaler Alpen. Einer der Erforscher dieser Mumie, Professor Albert Zink, Leiter des Instituts für Mumienforschung in Bozen (Italien), war auch an den aktuellen Untersuchungen von Kalebuz beteiligt.

Dem Bericht der Forscher zufolge ist die Mumie bereits seit über 100 Jahren eine Touristenattraktion in der Dorfkirche von Kampehl im Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Dort ist sie in einem Sarg mit Glasplatte ausgestellt. Der noch heute offenbar geringe Respekt vor der Person des Ritters, korrekterweise eines Offiziers und Erbherren, aber mit Zugehörigkeit zum märkischen Rittergeschlecht, dürfte an einem Mordprozess gegen ihn gelegen haben. Auch die modernen Wissenschaftler betonen jedoch, dass es sich dabei um eine Sage handelt.

Kalebuz soll einen Schäfer erschlagen haben, als dieser ihm das "Recht der ersten Nacht" (ius primae noctis, auch dessen Existenz ist heute historisch umstritten) mit seiner Verlobten verweigerte. Im Strafverfahren soll er den Eid geschworen haben, dass Gott wolle, er sollte nach seinem Tod nicht verwesen, wenn er ein Mörder sei. Durch diesen "Reinigungs-Eid" soll er dann mangels Zeugen freigesprochen worden sein. Historisch festzustehen scheint, dass Kalebuz – so sein Name laut den Pfarrunterlagen, oft wird er auch Kahlbutz genannt – eines natürlichen Todes starb.

Dem widerspricht auch die aktuelle Forschung nicht. Kalebuz soll an den Folgen von Tuberkulose verschieden sein, was sich jedoch nicht nachweisen ließ. Immerhin passt die C14-Datierung zu einem Mann zwischen 50 und 60 Jahren, die Skelettuntersuchung deutet auf seinerzeit gute Gesundheit hin. Die DNA war laut den Wissenschaftlern zu stark beschädigt, um sie noch genetisch untersuchen zu können. Das schon früher erforschte Leichenhemd mit den Initialen "C.F." stützt die Theorie, dass es tatsächlich um Kalebuz handelt. Selbst dessen geschichtliche Existenz war bisweilen bezweifelt worden.

Ein Geheimnis darf der Ritter vorerst noch für sich behalten, denn in seinem Mund befindet sich ein "runder metallischer Gegenstand", wie die Wissenschaftler schreiben. Sie halten das für eine Münze oder ein Amulett. Das ließe sich aber nur durch weitere Beschädigung der Mumie sicher herausfinden. "Ob man das dem Ritter antut oder ihm dieses Geheimnis lässt, wird der zuständige Gemeindekirchenrat noch entscheiden", sagt Professor Winkelmann.

(nie)