Cannabis: "Bloomwell" und D-Trust kooperieren für elektronische Rezepte

Während das Cannabisgesetz in der Schwebe steht, startet das Cannabis-Unternehmen "Bloomwell" für elektronische Signaturen eine Partnerschaft mit D-Trust.

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Cannabisblüten

(Bild: Roxana Gonzalez/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.

Die Bloomwell Group will für ihre medizinische Cannabis-Plattform die Verarbeitung elektronischer Rezepte anbieten und dazu künftig mit D-Trust als Vertrauensdiensteanbieter zusammenarbeiten. Anlass dafür ist das umstrittene Cannabisgesetz (CanG), das aktuell hitzig diskutiert wird. Mit dem Gesetz will das Bundesgesundheitsministerium für einen Neuanfang in der Drogenpolitik sorgen und die kontrollierte Abgabe von Genuss-Cannabis regeln. Es soll unter anderem den Verkauf von Cannabis auf dem Schwarzmarkt verhindern.

Die Mitglieder des Verbands der Cannabis versorgenden Apotheken (VCA) beliefern nach eigenen Angaben rund 80.000 gesetzlich Versicherte und 120.000 Privatversicherte und Selbstzahler in Deutschland mit Fertigarzneimitteln, "in den Apotheken hergestellten Cannabisarzneimitteln in Form von Cannabis als Blüten, Extrakten in standardisierter Qualität sowie individuellen Zubereitungen mit den Wirkstoffen Dronabinol (THC) und Cannabidiol (CBD)", heißt es in der VCA-Stellungnahme zum CanG. Der VCA erhofft sich mit dem CanG nicht nur eine verlässliche Versorgung mit Cannabisarzneimitteln, sondern auch eine Entbürokratisierung.

Laut Kabinettsentwurf steige der Cannabiskonsum trotz Verbot, vor allem auch unter jungen Menschen. Wer Cannabis auf dem Schwarzmarkt erwerbe, gehe ein Gesundheitsrisiko ein, "da der Tetrahydrocanabinol-Gehalt unbekannt ist und giftige Beimengungen, Verunreinigungen sowie synthetische Cannabinoide enthalten sein können, deren Wirkstärke" von den Konsumenten laut BMG nicht abgeschätzt werden könne. Mit dem CanG will das BMG dem "illegalen Markt für Cannabis" entgegenwirken. Das CanG soll für einen kontrollierten Eigenanbau sorgen und Anbau und Abgabe in Cannabis-Clubs durch und an Mitglieder erlauben, vorausgesetzt, der Bundesrat ruft nicht den Vermittlungsausschuss an.

Unter dem Dach der Bloomwell Group läuft nach eigenen Angaben Europas größte legale Online-Plattform für medizinisches Cannabis. Dort (bei Algeacare.com) werden Termine mit Ärzten für eine Videosprechstunde vermittelt, die medizinischen Cannabis verschreiben. Es ist allerdings auch möglich, über den Marktplatz für Cannabis-Apotheken (Grüne Brise) Rezepte bei Partner-Apotheken einzulösen. Dabei verzeichne das Unternehmen insgesamt mehr als 20.000 aktive Patienten und hat eigenen Angaben zufolge mehr als 150.000 Therapien durchgeführt.

Niklas Kouparanis, Mitgründer und Geschäftsführer von Bloomwell

(Bild: Memo Filiz)

Über die Partnerschaft mit D-Trust für elektronische Rezepte haben wir mit Niklas Kouparanis, Mitgründer und Geschäftsführer der Bloomwell Group gesprochen.

heise online: Warum ist Bloomwell die Kooperation mit dem Vertrauensdiensteanbieter D-Trust eingegangen?

Niklas Kouparanis: D-Trust ist eine Tochter der Bundesdruckerei, die unter anderem den elektronischen Heilberufsausweis anbietet. Mit dieser Partnerschaft wollen wir die Ernsthaftigkeit unseres Vorhabens unterstreichen. Mit der Reklassifizierung von medizinischem Cannabis als Rx-Medikament und der damit einhergehenden Teillegalisierung – es kann dann auf dem gleichen Rezept wie Antibiotika oder hoch dosiertes Ibuprofen verschrieben werden – können Ärzte mehrere Rezepte gleichzeitig unterschreiben. Die Apotheken erhalten das Rezept dann in Echtzeit.

Ärzte können mithilfe unserer Plattformen Rezepte signieren. Nachdem der Patient die Apotheke ausgewählt hat, erhält der Apotheker das Rezept. Dazu sind die entsprechenden Schnittstellen angebunden. Dies funktioniert mit einer Qualifizierten Elektronischen Signatur (QES). D-Trust verifiziert dabei den Arzt durch die QES. Nicht digitale Rezepte werden auch außerhalb des neuen E-Rezepts angenommen. Die bei Bloomwell angebundenen Online-Apotheken können diese gegenzeichnen und anschließend das medizinische Cannabis verschicken.

Was ist bei medizinischem Cannabis so speziell?

Man muss immer im Hinterkopf behalten, dass sich medizinisches Cannabis unter den aktuellen BtM-Regularien von anderen Medikamenten in Deutschland unterscheidet. Es ist sehr spezifisch. Der Apotheker hat andere Dokumentationspflichten und er muss beispielsweise Cannabis in der Apotheke herstellen, da es kein Fertigarzneimittel ist. Wir sind die Ersten, die das elektronische Rezept für Cannabis für Selbstzahler entwickelt und getestet haben.

Das Rezept kann dann auf Wunsch bei uns auf der Plattform eingelöst und nach Hause geliefert oder vom Patienten in der Apotheke seiner Wahl abgeholt werden. In der Vergangenheit war es eine große Herausforderung, zunächst einmal einen Arzt zu finden, der auf die Therapie mit medizinischem Cannabis spezialisiert ist. Die mit uns kooperierenden Ärzte sitzen aktuell alle in Deutschland.

Es gibt in diesem Fall keine offiziellen Zahlen, aber wir gehen von etwa 150.000 gesetzlich und nochmal 150.000 Privatversicherten oder privat zahlenden Cannabis-Patienten aus. Mit dem CanG wird die Zahl deutlich steigen. Aktuell wird sehr individuell geprüft, ob die Krankenkassen die Kosten übernehmen. Es bekommen nur rund 60 Prozent der Patienten, die diese beantragen, eine Kostenübernahme gestattet. Doch schon jetzt zeigt sich, dass der Markt der Selbstzahler stark wächst – trotz Betäubungsmittelregularien. Denn es sieht so aus, dass die gesetzlichen Krankenkassen auch zukünftig eine Kostenübernahme gründlich von Einzelfall zu Einzelfall prüfen werden.

Wir gehen im Gegenzug davon aus, dass die Zahl der Selbstzahler noch mal stark steigen wird, sobald medizinisches Cannabis nicht mehr als Betäubungsmittel gilt. Es wird einfacher für Ärzte, Cannabis zu verschreiben und für Patienten wird es einfacher, es verordnet zu bekommen. Wir erwarten auf unserer Plattform eine Versieben- bis Verzehnfachung der Patientenzahl.

Je nach Entscheidung des Bundesrats am 22. März wird unser E-Rezept am 1. April oder ab dem 1. Oktober in der Praxis zum Einsatz kommen. Auch für Patienten ist es wichtig, dass das CanG möglichst ohne das Einschalten des Vermittlungsausschusses in Kraft tritt.

Mit welchen Apotheken arbeiten Sie zusammen?

Derzeit arbeiten wir mit fünf ausgewählten Apotheken zusammen. Es gibt bereits jetzt noch weitere Apotheken, die mit uns bei Bedarf zusammenarbeiten werden und die wir jederzeit onboarden können.

Werden die Dienste von Bloomwell auch von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen?

Zukünftig hoffen wir, auch Ärzte anbinden zu können, die gesetzlich Versicherte behandeln. Unser Angebot gilt aktuell für Selbstzahler und Privatversicherte. Gesetzlich Versicherte brauchen ganz grundsätzlich eine elektronische Gesundheitskarte samt PIN, damit das E-Rezept überhaupt funktioniert.

Von Echtzeit und sinnvoller Digitalisierung ist das E-Rezept für gesetzlich Versicherte noch weit entfernt. Die staatliche Telematikinfrastruktur und die Digitalisierung im Gesundheitssystem funktioniert noch nicht reibungsfrei. Wir müssen unbedingt dahin kommen, dass das Gesundheitssystem endlich anständig digitalisiert wird und für alle Patienten in Deutschland funktioniert, egal ob für gesetzlich oder privat Versicherte oder Privatzahler.

(mack)