Canons Riffelklotz und Fujis teure Kleine - die Fotonews der Woche 20/2024
Die R1 zeigt sich ganz kurz, Fujifilm hat Mittelformat und APS-C runderneuert und von Sigma kommt massive Sony-Konkurrenz.
- Nico Ernst
Wir müssen über Geld reden. Und zwar sowohl aus Sicht der Hersteller als auch aus Sicht der Leser dieser Kolumne, denn an deren Geldbeutel wollen die Firmen natürlich – mit mehr oder weniger ihren Preis werten Angeboten. Dass das für große Profikameras wie die kleine Urlaubsknipse gilt, zeigte sich in dieser Woche besonders deutlich.
Fangen wir mit der schicken Kleinen an: Die Fujifilm X-T50 sortiert sich, wie in unserer ausführlichen Meldung beschrieben, zwischen X-T5 und X-T30 II ein. Sie hat viel von der Technik des großen Modells, ist aber in Form und Anspruch die Nachfolgerin der T30 II. Aber, gemessen an der UVP zum Marktstart, ganze 600 Euro teurer. Allein der Body kostet jetzt 1.500 Euro statt 900 Euro beim direkten Vorgänger.
APS-C-Einstieg ins ernsthafte Fotografieren
Natürlich rechtfertigen 40-Megapixel-Sensor, KI-Autofokus und erweiterte Videofunktionen einen solchen Aufpreis. Nur: Aus der Liga der Kameras unter 1000 Euro ist die kleine Fuji damit auch raus. Solche psychologischen Grenzen sind auch den Herstellern bewusst, als Zweitkamera zum Beispiel ist die X-T50 kaum mehr zu rechtfertigen. Aber als Alternative zur X-T5, denn viel von deren Technik gibt es jetzt auch im kleineren Retro-Gehäuse. Und Gimmicks wie ein eigenes Einstellrad für die Filmsimulation. Gut möglich, dass Fuji mit solchen Funktionen einigen Leuten den Einstieg in die ambitionierte Fotografie erleichtert hat.
Fuji schrumpft seine Mittelformatkamera
Bestehende Technik zu schrumpfen und in einem neuen Gerät anbieten, das ist das Konzept von Fuji, und die X-T50 ist nicht die einzige. Die ebenfalls neue GFX100S II ist eine kompakte Version der GFX 100 II mit dem gleichen 102-Megapixel-Sensor. Damit ist sie eine der leichtesten modernen Mittelformatkameras, das S-Modell wiegt nur 883 Gramm. Und der Faktor Geld? 5.500 Euro will Fuji dafür haben, ganze 2.500 Euro weniger als für die große Version. Das ist auch der Preisbereich, in dem sich heute professionelle Vollformat-Kameras bewegen, sodass der Reiz für Berufsfotografen, auch einmal die großen Sensoren auszuprobieren, vielleicht immer größer wird.
Sigma-Optik gleichauf mit Sony
Dass die kleineren Unternehmen der Fotobranche immer stärker versuchen, ihre Produkte für deutlich weniger Geld anzubieten als die Platzhirsche, zeigte diese Woche auch Sigma. Deren Objektiv 24-70mm F2.8 DG DN II ist, wie Petapixel schreibt, "ein G-Master zum halben Preis". Das ist eine starke Aussage, gelten doch Sonys G-Objektive – das Sigma gibt es für E- und L-Mount – ebenso wie Nikons S-Serie als exzellente Optiken. Es ist schon beachtlich, was aus dem Brennweitenbereich von 24 bis 70 Millimetern, der lange Zeit als Standardzoom galt, noch herauszuholen ist.
Ganze fünf Jahre hat Sigma dafür jedoch gebraucht, das "DN II" löst das erste Modell des Herstellers für spiegellose Systeme ab. Ein Linearmotor sorgt nun für einen schnelleren und präziseren Autofokus als mit dem alten Stepper-Antrieb. Eine Einschränkung bleibt aber bei Sony-Kameras: Die arbeiten mit Objektiven, die nicht von Sony sind, stur mit maximal 15 fps bei Serienaufnahmen. Das liegt an Sony, nicht an Sigma, es handelt sich um eine softwareseitige Beschränkung.
Der Elefant R1 ist noch nicht ganz im Raum
Sehr beschränkt ist auch die Zahl der harten technischen Daten, die Canon zu seinem neuen Flaggschiff EOS R1 bekannt gegeben hat. Hier sind alle: Sie hat einen eigenen Chip als KI-Beschleuniger, unter anderem für den Autofokus. Wirklich, das war's. Kein Wort zu Auflösung, Serienbildgeschwindigkeit, Sucher, Display, Anschlüssen, Vernetzung oder gar dem Preis. Während es in unserer ersten Meldung vor allem um die Entwicklungsgeschichte und Positionierung ging, ist es jetzt an der Zeit, sich um die Erwartungen und – natürlich – das Geld zu kümmern.
Klar ist, dass Canon in einem Olympiajahr eine Kamera für professionelle Sportfotografen bringen muss. Dass es nach der vor über zwei Jahren vorgestellten R3 irgendwann eine R1 geben würde, war nach klassischer Nomenklatur ebenfalls klar. So sehr, dass Canon selbst das Anfang 2023 auch ausdrücklich bestätigte. Jetzt mit einer sogenannten "Entwicklungsankündigung" daherzukommen, wirkt da direkt etwas verlegen, denn: Canon hat gegenüber Petapixel bestätigt, dass die R1 bald auf "internationalen Sportevents" Feldtests unterzogen werden soll. Die Olympischen Spiele in Paris beginnen in gut zwei Monaten.
Das heißt: Die Kamera ist fast fertig, es muss nicht mehr groß entwickelt werden, höchstens an der Produktion und der Software muss noch gefeilt werden. Offenbar wollte Canon seinen Kunden etwas Sicherheit geben, dass die Kamera in Paris zumindest getestet werden kann. Und vielleicht auch eine wenig die immer lauter werdenden Gerüchte aus der Diskussion nehmen. Erst in der vergangenen Woche, also noch vor der Ankündigung der R1, hieß es im Petapixel-Podcast, Canon habe 2022 die Entwicklung neu starten müssen. Probleme mit dem Sensor hätten das nötig gemacht.
Schwierige Entwicklung bei Canons Flaggschiff
An gleicher Stelle war auch zu hören, dass Canon später Probleme mit dem Pufferspeicher hatte. Bei den sehr hohen Geschwindigkeiten aktueller Kameras – siehe Sonys A9 III – ist das nicht unwahrscheinlich. Dass die Computer in der Kamera eine immer größere Herausforderung darstellen, zeigt sich auch daran, dass Canon in seiner ansonsten dürren Pressemitteilung ein zweigeteiltes Prozessorsystem erwähnt. Neben einem Chip aus der bekannten "DIGIC X"-Serie soll es auch einen "DIGIC Accelerator" geben, eigens für KI.
Es ist nicht ungewöhnlich, neue Funktionen in einen eigenen Chip auszulagern. Das ist aber weder für den Hersteller kosteneffizient noch für die gesamte Kamera stromsparend. Mehr Chips brauchen mehr Platz, mehr Leiterbahnen, größere Platinen und mehr Kühlung. Und Komplexität ist gerade bei einer Profikamera, die vor allem zuverlässig sein muss, unerwünscht. Dass die R1 besonders robust sein soll, hat Canon selbst schon angedeutet, denn die Beschichtung der Vorderseite zeigt im Gegensatz zur R3 nun das Muster eines Riffelblechs.
Der Riffelklotz mit Diamond Plate
Dieses Design steht vor allem in den USA für alles, was "heavy duty" ist, Gebrauchsgegenstände für Profis. "Diamond Plate", wie das Muster dort genannt wird, steht in den USA so sehr für Robustheit und harten Alltag, dass auch die Firma Mesa/Boogie es seit Jahrzehnten für die Front ihrer Gitarrenverstärker verwendet. Diese sind vor allem, aber nicht nur, in vielen Metal-Genres beliebt. Heavy Duty eben.
Canons erste ganz eigene Digitalkamera
Von der leichteren Sorte ist unsere Empfehlung für einen Long Read zum Wochenende. Es handelt sich um den Test der Canon EOS-D30 von DPreview. Diese Kamera wurde vor genau 24 Jahren angekündigt und stellte die erste vollständige Eigenentwicklung von Canon dar, inklusive CMOS-Sensor. Zuvor kamen die Digitalkameras der Japaner aus einer Kooperation mit Kodak. Nämlicher Sensor hatte eine Auflösung von 3 Megapixeln, die heute schon putzig zu nennen ist. Dennoch führte DPreview als ersten Punkt des Pro & Contra auf, dass dies eine "Tolle Auflösung" sei.
Nicht nur in der Fotobranche verschieben sich die Maßstäbe innerhalb eines knappen Vierteljahrhunderts ein wenig. Auch beim Preis, denn die D30 kostete im Jahr 2000 stolze 3.000 US-Dollar, was inflationsbereinigt heute rund 5.500 US-Dollar entspräche. Und das ist inzwischen der Preisbereich von manchen Profikameras. Zur Jahrtausendwende galt das aber noch als die "Prosumer-Klasse". Sagten wir schon, dass sich die Maßstäbe verschieben? Eben.
(nie)