Check-in und bezahlen: Das Gesicht als Immer-dabei-Ticket​

Gesichtserkennung verbreitet sich in der Tourismusbranche nicht nur beim Check-in an Flughäfen, Kreuzfahrtschiffen und Themenparks, sondern auch beim Bezahlen.

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(Bild: Neosiam32896395/Shutterstock.com)

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Von
  • Angela Meyer
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Die Tourismusbranche nutzt weltweit zunehmend Gesichtserkennung. Gerade auf Reisen kann auch das Smartphone als verbreiteter Ersatz für das Papierticket umständlicher sein. Das Gesicht hat man immer sofort parat. "Vor Covid schien es noch eine Zukunftstechnik zu sein", sagte Hicham Jaddoud, Professor für das Gastgewerbe und Tourismus an der University of Southern California gegenüber der New York Times. Da das Gesicht als ID garantiert kontaktlos funktioniert, habe sein Einsatz während der Corona-Pandemie einen deutlichen Schub erfahren und breite sich nun in alltäglichen Anwendungen immer weiter aus.

Am US-Flughafen Miami International können Fluggäste laut New York Times an 12 Gates für internationale Flüge den Check-in via Gesicht wählen. Die Firma SITA, die das System installiert hat, habe Verträge für die Ausstattung zehn weiterer US-Flughäfen.

Die Technik vereinfacht auch die Flughafenkontrolle für manche Einreisende in die USA. Teilnehmende am Global Entry Programm der Zoll- und Grenzschutzbehörde der USA können die Überprüfung einmal vorab durchführen lassen. An sieben US-Flughäfen brauchen sie dann bei der Ankunft mit ihrem Handy nur ein Selfie aufnehmen und via Global Entry App zum Abgleich an die biometrische Datenbank der Behörde schicken.

Auf Kreuzfahrtschiffen der Carnival Cruise Line sorgen Gesichtserkennungssysteme dafür, dass jedes Betreten und Verlassen des Schiffes automatisch registriert wird, sodass man immer weiß, wer sich gerade an Bord befindet. Bei Holland America soll das gleiche System die Check-in-Dauer um 40 Prozent verkürzt haben. Beide Firmen erklären, dass sie nach jeder Reise alle biometrischen Daten löschen.

Prinzipiell denkbar wären in der Tourismusbranche auch noch weitergehende Anwendungen, wie beispielsweise der Ersatz der Schlüsselkarten in Hotels. Bisher sind die Hotelketten laut Professor Jaddoud hier aber eher abwartend.

Die Themenparks auf Yas Island in Abu Dhabi, Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, bieten dagegen sogar mehr als nur den Zugang per Gesichtserkennung an. Verknüpft man sein Gesicht und seine Bezahldaten via App mit dem Ticket, kann man auf dem Parkgelände mit einem Blick in die jeweilige Kamera auch sein Essen oder Souvenirs bezahlen. Disney World in den USA entschied sich laut New York Times nach bereits 2021 durchgeführten Tests, auf die dauerhafte Einführung zu verzichten.

In all diesen Beispielen ist die Nutzung der Gesichtserkennung bisher freiwillig, mindestens ein Opt-out soll möglich sein. Auch die Face Pay genannte Bezahlmethode in der Moskauer U-Bahn ist 2021 als freiwilliges Angebot eingeführt worden.

So bequem solche Anwendungen sind, so umstritten sind sie aber auch nach wie vor. Sicherheitsforscher und Datenschutzvertreter werden nicht müde, vor den Risiken beim Einsatz biometrischer Daten zu warnen. Anders als in der EU, wo ihre Nutzung aus Datenschutzsicht grundsätzlich durch die DSGVO geregelt ist, gibt es in den USA bisher keine Bundesgesetze zur Regulierung solcher Anwendungen. Zumindest einige US-Bundesstaaten haben aber laut New York Times angefangen, an einem Flickenteppich aus rechtlichen Schutzbestimmungen hierfür zu weben.

Als positives Beispiel, wie Firmen beim Einsatz im Tourismus auf die Datenschutzbedenken reagieren könnten, verweist der Bericht auf die italienische Firma GetPica. Diese bietet eine Gesichtserkennungssoftware für Resorts wie den Club Med an, die den Gästen nach einem Abgleich mit ihrem Selfie aus den Hunderten jeden Tag aufgenommenen Fotos in einer App nur die Bilder zum Kauf anbietet, auf denen sie zu sehen sind. Gleichzeitig kann man die eigenen Bilder für andere anonymisieren lassen. Solange jemand das System gar nicht nutzt, werden dessen Bilder auf jeden Fall anonymisiert.

Ein Missbrauch der Gesichtserkennung muss nicht gleich Cyberkriminalität oder unrechtmäßige staatliche Überwachung sein, um Probleme aufzuwerfen. Die Nutzung der Gesichtserkennung bei der Videoüberwachung von Großveranstaltungen sorgte Anfang des Jahres in New York für Streit. Bei Veranstaltungen im Madison Square Garden wurden die Aufnahmen nicht nur ausgewertet, um sicherheitsrelevante Ereignisse zu erkennen. Mitarbeitern von Anwaltsfirmen, die an Prozessen gegen die Betreiberfirma Madison Square Garden Entertainment Corporation beteiligt waren, wurde bei der Einlasskontrolle trotz gültigem Ticket der Zugang verweigert.

(anm)