Chinas Staatsrat reguliert Telekommunikation und Internet

Der chinesische Staatsrat hat die seit einem Jahr erwarteten Regeln für Telekommunikationsdienstleistungen und Internet-Contentanbieter veröffentlicht.

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Von
  • Monika Ermert

Unliebsamen Inhalten im Web hat der chinesische Staatsrat den Kampf angesagt. Und 60 Tage lang sollen in Zukunft chinesische Internet Service Provider ihre Verbindungsdaten bereit halten, um sie "im Fall rechtmäßiger Ermittlungen der zuständigen Behörden diesen auszuhändigen". Das gleiche gilt auch für Inhaltsanbieter im World Wide Web. In zwei getrennten Dokumenten hat der chinesische Staatsrat gestern die seit einem Jahr erwarteten Regeln für Telekommunikationsdienstleistungen allgemein und Internet-Contentanbieter im besonderen veröffentlicht. Sie waren vom Staatsrat entsprechend einer Vorlage von Ministerpräsident Zhu Rongji Mitte September verabschiedet worden.

Nicht genehmen Inhalten hat man mit einer für die Ideologiewächter der Kommunistischen Partei typischen, langen und interpretationsfähigen Liste ins Visier genommen. Verfassungswidrige Inhalte, Staatsgeheimnisse oder Sicherheitsrelevantes, Obszönes, Pornographisches und Gewalttätiges sollen die Provider ebenso unterbinden und zur Anzeige bringen wie Gerüchte, rassistische Inhalte und Dinge, "die die soziale Ordnung stören". Auch hier erinnern manche Formulierungen an die Diskussion hierzulande. "Sollte ein Anbieter in einem allgemein zugänglichen Informationsangebot entdecken, dass ein Angebot klar den in Paragraph 57 genannten Inhalten entspricht, muss er es augenblicklich sperren, die entsprechenden Logfiles aufbewahren und Meldung bei den zuständigen Behörden machen." Freilich ist auch alles verdächtig, was der Kommunistischen Partei politisch gegen den Strich geht: Katholizismus (sprich vatikantreue Priester), Separatismus (sprich Tibet oder Taiwan), feudaler Aberglaube (sprich Falun Gong) und alles, was die soziale Ordnung und das oberste Staatsziel "gesellschaftliche Stabilität" untergräbt. Und falls letzteres doch noch ein Schlupfloch offenlässt, sind auch noch alle im übrigen "ungesetzlichen Inhalte" verboten.

Ein eigenes Kapitel hat man ausserdem auch Hackern gewidmet; und nach mehreren Self-made-IP-Telefonie-Bastlern wird auch dieser Startup-Idee gleich ein Riegel vorgeschoben: Es ist nicht erlaubt, "eigenmächtig" internationale Verbindungen herzustellen, auch nicht nach Hongkong, Macao oder Taiwan. Das stört, so heißt es, die Ordnung im Telekommunikationsmarkt und kann mit drakonischen Strafen geahndet werden. Wirtschaftsverbrecher müssen mit Strafen von bis zu 1 Million Yuan (200.000 Mark) rechnen. Wer sich ideologisch mit der KP anlegt, wird nach den bereits vorhandenen strengeren Gesetzen bestraft.

Ausländische Beteiligungen sind künftig offenbar weder für Contentanbieter noch für die Anbieter von Basis-Telekommunikationsdienstleistungen ausgeschlossen. Für Basisdienste schreiben die ausführlichen Regeln für Telekommunikation in der Volksrepublik China die in den WTO-Verhandlungen den USA zugestandenen 49 Prozent als Höchstbeteiligung für ausländische Investoren fest. Für die Mehrwertdienste wird keine Höchstbeteiligung angegeben. Auch wenn in der Verwaltungsvorschrift für Informationsangebote im Netz noch einmal festgehalten wird, dass der Anteil ausländischer Beteiligungen geltenden Gesetzen und Verwaltungsvorschriften entsprechen müsse, hat man doch auf den zeitweise vom konservativen Chef des MII, Wu Jichuan, angedrohten Bann des dringend benötigten Kapitals verzichtet.

Für die Contentprovider in China läuft nun eine Frist von 60 Tagen, innerhalb derer sie sich um eine Lizenz bei den Telekomregulierern, etwa dem Ministry of Information Industry (MII), zu bemühen haben. Je nach Angebot müssen sie sich zuvor Genehmigungen bei den für Print oder audiovisuelle Medien zuständigen Behörden verschaffen. Außerdem brauchen sie auch weiterhin die Zustimmung zum Börsengang im In- und Ausland. Auch für alle Arten von Telekommunikationsdienstleistungen gilt: "Ein Unternehmen oder ein Privatmann, die keine Lizenz für TK-Dienstleistungen haben, können solche Dienstleistungen nicht anbieten."

Trotz aller ideologischer Bedenken und Lizenzauflagen, die zudem noch immer von den verschiedensten Stellen einzuholen sind, soll das neue Regelwerk den TK-Markt auch fördern. Zahlreiche Klauseln regeln das Verhältnis der Diensteanbieter zum Kunden und das der Marktteilnehmer untereinander. Von den Big Playern – und damit ist, obwohl nicht direkt genannt, wohl vor allem die marktbeherrschende China Telecom gemeint – wird explizit eine kostenorientierte und faire Durchleitung für die Wettbewerber verlangt. Viele Serviceprovider in China waren bislang an deren Preis- und Vertragsgestaltung des Telekomriesen gescheitert. (Monika Ermert) (jk)