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Cisco beansprucht Führungsrolle im Consumer-Markt

Cisco-Chef John Chambers skizzierte seine Vision vom "Human-Netzwerk": Entscheidend sei dafür nicht ein Konstrukt, das Gebäude durchzieht und Geräte vernetzt, sondern Menschen miteinander verbindet.

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Von
  • Erich Bonnert

Die von Bill Gates ausgerufene "digitale Dekade" ist längst vorbei, befand Cisco-Chef John Chambers bei seiner Keynote-Rede – sein erster Vortrag auf der Consumer-Schau nach dem Jahr 2000. Der Chef des Marktführers unter den Netzwerkausrüstern skizzierte seine Vision vom "Human-Netzwerk": Entscheidend sei dafür nicht ein Konstrukt, das Gebäude durchzieht und Geräte vernetzt, sondern Menschen miteinander verbindet.

In einer etwas vereinfachten Inszenierung deutete Chambers an, wie solche Dienstleistungen aussehen könnten. Digitale Musikstücke aus der Stereoanlage im Auto spielen nach Abstellen der Zündung auf Verlangen auf dem Handy weiter. Sie können mit ins Haus genommen und dort per Funknetzwerk zwischen PC, Fernseher und anderen Geräten weitergereicht werden, ohne mehrfach gespeichert zu sein. Alben, Abspiellisten und Bibliotheken werden vom intelligenten Netz automatisch zwischen allen Geräten synchronisiert – egal ob diese per Maus, Fernbedienung oder mit Knöpfen und Schaltern bedient werden. Ein anderer Dienst lässt den Fernsehzuschauer während einer laufenden Sportübertragung am TV-Schirm beispielsweise eine Videokonferenz mit einem Freund starten oder per Instant-Messaging Nachrichten über Spielergebnisse und Statistiken austauschen.

Als Killer-Applikation im humanen Netzwerk bezeichnete Chambers die Übertragung und Wiedergabe von Videos. Dieses Online-Medium werde die Netzkapazitäten um bis zu 500 Prozent wachsen lassen. Frei und frank behauptete der Cisco-Chef, er habe dies schon Anfang der 90er-Jahre vorhergesehen und seinen Konzern in Abschnitten von fünf bis sieben Jahren auf die jetzt beginnende Ära vorbereitet. "Damals haben wir Euch unsere Strategie für Unternehmensnetze vorgezeichnet", sagte Chambers dem CES-Publikum. "Dann kamen die Diensteanbieter und kommerzielle Märkte. Und heute zeigen wir Euch, warum wir auch in der Heimvernetzung die Führung übernehmen werden." In gut drei Jahren, behauptete Chambers, würden 20 typische Privathaushalte so viel Netzbandbreite beanspruchen wie die Transferlast des gesamten Internets im Jahr 1995. "Deshalb gefällt mir als Netzwerker die Unterhaltungselektronikbranche so gut." Nicht sehr verwunderlich erscheint es da, dass sich Cisco inzwischen auch auf einen Rechtsstreit mit Apple einlässt und den Markennamen "iPhone" für Geräte im Unterhaltungselektronik- und Endanwendermarkt nicht kampflos aufgeben will.

Man müsse sich nur Ciscos bisherige Erfolgsbilanz ansehen, um zu erkennen, dass der Router-König stets die entscheidenden Trends identifiziere und mit perfekt ausgeführter Strategie die neu entstehenden Märkte besetze, triumphierte Chambers. Cisco kämpfe nicht wie andere IT-Hersteller um die Spitzenposition in einem einzigen Markt, sondern besetze aggressiv mehrere Segmente. Das kalifornische Unternehmen hat seit Bestehen über 100 andere Firmen mit verwandten oder ergänzenden Technologien aufgekauft und mehr als 34.000 Partnerschaften aufgebaut. Im gleichen, für ihn typischen predigerhaften Stil pries Chambers auch sein Forschungsbudget von jährlich vier Milliarden Dollar. Dabei sei man stets technologie-neutral und offen für Standards, beschwichtigte er im gleichen Atemzug und nannte Cisco "eine Art Schweiz" der IT-Branche.

Allerdings hat die Akquisition von Scientific-Atlanta (dem größten Kabelmodemhersteller) und Linksys, dem führenden Anbieter von Heimnetz-Routern und Inhaber der iPhone-Marke, Cisco eine interessante Position beschert. Mit Heimroutern, VoIP-Telefonen und Breitbandmodems haben die Kalifornier beispielsweise mitgeholfen, die früheren Dienstemonopole im Telefoniemarkt aufzubrechen. Jetzt soll die Internet-Technik auch andere Inhalte von ihrem Transport-Provider – von Chambers gern als "Silo" bezeichnet – lösen und einen freieren Zugang ohne Netzwerkgrenzen ermöglichen. Gleichzeitig gehören führende Netz-Provider mit vitalen Interessen am Content-Markt zu Ciscos wichtigsten Kunden. Chambers ging jedoch nicht darauf ein, wie beide Seiten – netzwerkgebundene und unabhängige Content-Anbieter – für Ciscos "Schweiz-Strategie" gewonnen werden sollen. "Wir betreten Neuland", relativierte später Ciscos Chief Development Officer Charlie Giancarlo, " da ist zu erwarten, dass es anfangs etwas chaotisch zugeht." (Erich Bonnert) / (jk)